Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Bildung

Wenn die Chancen der Kinder vom Zufall abhängen

Kultusministerin Schopper setzt sich für mehr Bildungsgerechtigkeit ein. Das machte sie in einer Landtagsdebatte deutlich.

Tablets können sich nicht alle Schüler beziehungsweise deren Eltern leisten.

dpa/Florian Peljak)

Stuttgart. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hat die Landtagsdebatte zur Lernmittelfreiheit mit Forderungen an die neue Bundesregierung verbunden, den Digitalpakt 2.0 „nach Hause zu bringen“. Die neue Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) habe der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Digitalisierungsfinanzierung in ihrer Eigenschaft als Kultusministerin in Schleswig-Holstein Bildung bereits zugestimmt. Nach neuen Zahlen zur Ausstattung kommt im Land durchschnittlich ein Tablet auf drei Schüler.

In Baden-Württemberg hat die Lernmittelfreiheit Verfassungsrang. Besonders in der digitalen Versorgung gebe es aber große Unterschiede, monierte der Schulexperte der SPD-Fraktion Stefan Fulst-Blei, der auch aus einer Beschreibung der Zustände durch den Landeselternbeirat zitierte: „Hier 32 Hefte, dort Schüler-Tablets, das ist Bildungsungerechtigkeit, wenn die Chancen der Kinder vom Zufall abhängen.“ Familien zahlten einen bitteren Preis, wenn neben dem Geldbeutel und dem Bildungshintergrund der Eltern auch die Kassenlage der Kommunen über die Chancen eines Kindes entscheide, so der Mannheimer Abgeordnete weiter. Das sei schlichtweg unbefriedigend und Ergebnis einer fehlgeleiteten Politik der Landesregierung.

Die Schulgemeinschaft entscheidet

Für die Grünen erinnerte Susanne Aschhoff daran, dass die Schulgemeinschaft entscheide, welche Lernmittel erforderlich seien. Die Schulträger, also die Kommunen, bezahlten diese aus dem Pro-Kopf-Sachkostenbeitrag, der zur Verfügung gestellt werde. Das gebe den lokalen Akteuren Beinfreiheit. Die Mannheimerin lobte das „einmalige Wirtschaftsmodell Schule“ ihrer Heimatstadt. Dabei würden pädagogische Ansätze der offenen Schule mit einer dezentralen Ressourcenverantwortung verbunden. Die Schule bekomme eine eigene Budgetierung, eigene Girokonten, eine eigene Gebäudewirtschaft und Möglichkeiten, Kleinreparaturen erledigen zu lassen, sowie die Disposition über Personalkosten und die Einführung der kaufmännischen Buchführung. „Diese Flexibilität und Entscheidungsfreiheit ermöglicht, vor Ort Verantwortung zu tragen“, so die Grüne weiter.

Matthias Miller (CDU) warnte davor, ein gesamtes Bildungssystem mit dem Gießkannenprinzip zu digitalisieren. „Das hat uns Dänemark seit der Coronapandemie vorgemacht, denn auf einen Schlag wurde nahezu komplett vom klassischen Schulbuch auf digitale Produkte umgestellt.“ Die Folge seien Konzentrationsprobleme bei Schülern und ein dramatischer Absturz der Mathematikergebnisse gewesen, weshalb private Endgeräte im Unterricht gesetzlich jetzt verboten seien und eine mittlere zweistellige Millionensumme für Schulbuchinvestitionen zur Verfügung gestellt werden müsse. Digitalisierung führe nicht zwangsläufig zu höherer Bildungsgerechtigkeit, zwingend seien vielmehr qualifizierte Lehrkräfte und die Vermittlung von Medienkompetenz.

Ministerin pocht auf Lernmittelfreiheit

Letztlich sei alles eine Frage der Prioritäten, so Timm Kern (FDP): „Geben wir wie die grün-geführte Landesregierung lieber Geld für infantile Werbeslogans, für ein ausuferndes Beauftragtenwesen, für das Wolfserwartungsland und für den durch die verkorkste grün-schwarze Wahlrechtsreform drohenden XXL-Landtag aus, oder investieren wir in die Bildung der Kinder in unserem Land?“ Seine Fraktion priorisiere zentrale Zukunftsthemen wie die Bildung.

Hans-Peter Hörner (AfD) kündigte an, im Falle einer Regierungsbeteiligung werde jede Familie unabhängig von ihrer Zusammensetzung Bücher und Hefte für ihre Kinder bezahlen können. Schopper wiederum hob mit einer persönlichen Bemerkung die Bedeutung der Lernmittelfreiheit hervor: „Ich bin das erste Kind aus unserer Familie, das überhaupt auf ein Gymnasium gehen konnte, weil ab diesem Zeitpunkt keine Schulgelder mehr bezahlt werden mussten. Das war damals unter Willy Brandt, und dafür danke ich.“ Es sei ein entscheidender Fortschritt gewesen, dass Kinder aus Arbeiterfamilien auch Abitur machen konnten.

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 199 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren