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Ein Jahr Krieg in der Ukraine

Außenhandel: Exporte nach Russland durch den Krieg um die Hälfte gesunken

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat den Außenhandel Baden-Württembergs mit beiden Länder stark beeinträchtigt. Der Export nach Russland halbierte sich im vergangenen Jahr gegenüber 2021 nahezu, die Menge der in die Ukraine gelieferten Güter ging um 28 Prozent zurück.
Der Baumaschinen und Kranhersteller Liebherr ist – eingeschränkt – noch immer auf dem russischen Markt aktiv.

Der Baumaschinen und Kranhersteller Liebherr ist – eingeschränkt – noch immer auf dem russischen Markt aktiv.

dpa/Stefan Buchner)

STUTTGART. Die Stuttgarter Autobauer Porsche und Daimler hatten wenige Tage nach Kriegsbeginn die Lieferung ihrer Autos nach Russland gestoppt, Daimler verkaufte sein komplettes Russlandgeschäft einschließlich eines Montagewerks im Herbst. Porsche hatte nie in Russland produziert.

Andere Großunternehmen im Südwesten Deutschlands setzten dagegen weiterhin auf geschäftliche Beziehungen ins Reich Wladimir Putins, wie etwa der schwäbische Baumaschinen- und Kranhersteller Liebherr. Der ist seit 1965 in der Sowjetunion aktiv, zählt Russland der Firmen-Webseite zufolge zu den größten Absatzmärkten des Konzerns. Vor Kriegsbeginn beschäftigte Liebherr in Russland rund 2300 Mitarbeiter, die meisten landesweit im Service und Vertrieb aber auch fast 1000 in zwei Fabriken in Dserschinsk rund 350 Kilometer östlich von Moskau.

Liebherr reduziert Personal an russischen Standorten

Inzwischen hat auch Liebherr seine Geschäfte in Russland eingeschränkt. Die Mitarbeiterzahl sei auf 1900 gesunken, „mit weiterhin stark abnehmender Tendenz“, wie eine Konzernsprecherin auf Anfrage schriftlich mitteilt. Die Produktion in Dserschinsk sei massiv heruntergefahren und zeitweise sogar fast eingestellt worden, heißt es seitens des Familienunternehmens. Denn die in Russland hergestellten Stahlbauteile wurden vor dem Krieg an Liebherr-Werke in Mittel- und Westeuropa geliefert. Doch das sei wegen der EU-Sanktionen gegen Russland nicht mehr möglich, weil es gegen Importverbote verstoßen würde.

Zahlen zu den Umsatzeinbußen im Russlandgeschäft nennt Liebherr nicht. Für den gesamten Außenhandel Baden-Württembergs mit Russland gibt es dagegen seit dieser Woche vorläufige Zahlen des Statistischen Landesamts. Demnach sank der Export nach Russland im vergangenen Jahr um 48,9 Prozent gegenüber 2021 auf 1,92 Milliarden Euro.

Trotz dieses Rückgangs wurde in manchen Branchen mehr nach Russland verkauft als zuvor, etwa pharmazeutische Erzeugnisse oder Nahrungs- und Futtermittel. Dies sei jedoch nicht auf höhere Mengen, sondern auf Preissteigerungen zurückzuführen, erläutert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart, die für den Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag landesweit die Außenhandelsstatistik führt.

Ukrainische Flüchtlinge entlasten Arbeitsmarkt

Flüchtlinge aus der Ukraine sind inzwischen auf dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt angekommen und tragen einen Teil dazu bei, die Besetzung offener Stellen für Unternehmen zu erleichtern. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren Mitte vergangenen Jahres fast 16 000 Menschen aus der Ukraine im Südwesten als Arbeitnehmer beschäftigt. Das sind fast doppelt so viele wie im Juli 2021. Bundesweit sind aktuell rund 65 000 Ukrainer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Hinzu kommen rund 21 000 Minijobber. Das entlaste den Arbeitsmarkt, so die Agentur.

Mit einem Exportvolumen von knapp 3,8 Milliarden Euro gehörte Russland schon 2021 nicht zu den zehn wichtigsten Auslandsmärkten Baden-Württembergs. Durch die Sanktionen und den freiwilligen Rückzug mancher Unternehmen ist das Land noch weiter zurückgefallen.

Noch weit niedriger fallen allerdings die Ausfuhren heimischer Unternehmen in die Ukraine aus. Sie lagen 2021 bei 598 Millionen Euro und sanken im vergangenen Jahr um 14 Prozent auf etwas über eine halbe Milliarde Euro. Weltweit wurden 2022 Waren im Wert von 262,8 Milliarden Euro aus Baden-Württemberg ins Ausland geliefert, wie aus den vorläufigen Zahlen der amtlichen Statistiker hervorgeht.

Auch der Umfang der Importe aus der Ukraine in den Südwesten Deutschlands ist sehr begrenzt. Im zurückliegenden Jahr wurden Waren für 240 Millionen Euro eingeführt, rund elf Prozent weniger als 2021. Die IHK verweist jedoch darauf, dass bei Fahrzeugteilen und Bekleidung sowohl mengen- wie auch wertmäßig Steigerungen zu verzeichnen seien.

Preissteigerungen treiben Importvolumen in die Höhe

Direkt in der Ukraine engagiert, waren vor Kriegsbeginn nur wenige heimische Unternehmen. Anders der unterfränkische Gipsproduzent Knauf, der in Baden-Württemberg ebenso Werke betreibt, wie in der Ukraine. Im Donbass wurde eine der Knauf-Fabriken erst von einer russischen Rakete getroffen und im August von den Invasionstruppen besetzt.

Der Wert der Importe aus Russland ist trotz Embargo und Gaslieferstopp nominell deutlich in die Höhe geschnellt und zwar um 45 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro. Das erklärt die IHK in erster Linie durch die drastischen Preissteigerungen bei Gas, Öl und Kohle. Denn die Menge der eingeführten Waren sank um über neun Prozent.

Allen aktuellen Schwierigkeiten zum Trotz ist Liebherr keineswegs das einzige Unternehmen aus dem Land, dass am Standort Russland vorerst festhält. So betreibt Heidelberg Materials (früher Heidelberg Cement) seine drei Zementwerke in Russland weiter, um lokale Märkte zu bedienen, wie es seitens Konzerns heißt. Alle Investitionen in Russland seien aber gestoppt, hatte der Heidelberg Materials zum Jahresende erklärt.

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Jürgen Schmidt

Redakteur Bauen im Land und Wirtschaft

0711 66601-147

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