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Bachelorarbeiten aus den Verwaltungshochschulen

Wieso immer weniger Studentinnen für das Bürgermeisteramt kandidieren wollen

Wieso wollen so wenige Studentinnen der Verwaltungshochschulen Bürgermeisterin werden? Julian Augstein hat die Gründe in seiner Bachelorarbeit herausgefunden.

Die Suche nach geeigneten Kandidaten ist für viele Gemeinden schwer.

dpa/Barbara Gindl/ APA / picturedesk.com | Barbara Gindl)

LUDWIGSBURG. Aufgrund der herausragenden Bedeutung des Bürgermeisteramts für das Funktionieren einer Gemeindeverwaltung ist es wichtig, dass für dieses Amt genügend qualifizierte Kandidaten zur Verfügung stehen.

Trotz der Tatsache, dass es keine formalen Anforderungen an die Kandidaten gibt, macht gerade die theoretische und praktische Ausbildung an den beiden Verwaltungshochschulen Kehl und Ludwigsburg in den verschiedenen Teilbereichen des Verwaltungsrechts die Studierenden zu gut geeigneten Kandidaten. Deshalb wundert es nicht, dass der größte Anteil der Bürgermeister in Baden-Württemberg an einer der beiden Hochschulen studiert hat.

Es fällt allerdings auf, dass immer weniger Studierende der Hochschule tatsächlich für das Amt kandidieren. Eine Ursache liegt darin, dass inzwischen Dreiviertel der Studenten an den Hochschulen weiblich sind und die Studentinnen signifikant seltener das Bürgermeisteramt anstreben als die Studenten.

In meiner Bachelorarbeit wollte ich deshalb nicht, wie in den bisherigen Forschungen, den Fokus nur auf bereits gewählten Bürgermeisterinnen legen, sondern das zugrundeliegende Problem untersuchen, nämlich welche strukturellen und persönlichen Hindernisse die breite Masse der Studentinnen schon allein von einer Kandidatur abhalten. Dazu wurden nicht nur die Theorien der Frauenforschung betrachtet, sondern insbesondere auch der Rekrutierungsprozess.

Allgemeine Einstellung zur Kandidatur

In meiner Befragung konnte ich herausfinden, dass die Bereitschaft zur Kandidatur unter den aktuellen Studentinnen der Verwaltungsfachhochschulen weiterhin gering ist. Nur rund ein Viertel der Studentinnen gaben an, sich eine Kandidatur vorstellen zu können, wobei nur 5 % ganz sicher waren. Dieser Wert ist vergleichbar mit den Umfragen aus den Jahren 1997 und 2015, zeigt aber, dass sich der leichte Anstieg in die positive Richtung fortsetzt.

Persönliche Voraussetzungen

Da in Baden-Württemberg die Parteien kein Vorschlagsrecht für Kandidaten haben, muss jeder Kandidat grundsätzlich selbstständig die Entscheidung hin zur Kandidatur treffen (ein unterschwelliger Einfluss der Parteien ist trotz alledem anzunehmen). Ein Punkt, der mir in meiner Recherche deshalb immer wieder begegnet ist, war, dass Frauen angeblich häufiger mit Selbstzweifeln zu kämpfen haben und sich für weniger qualifiziert halten, als es ihre männlichen Kollegen tun.

Tatsächlich lag der Anteil der Studentinnen, die sich aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation und ihres Wissens für geeignet hielten, deutlich über dem Anteil der Studentinnen, die sich aufgrund ihres Charakters oder ihrer Persönlichkeit für geeignet fühlten. Selbstzweifel spielen also eine Rolle dabei, warum sich die Studentinnen trotz ihrer guten Qualifikation seltener bewerben.

Stereotype/Geschlechterrollen

Als häufigste Ursache für die Unterrepräsentanz von Frauen im Bürgermeisteramt, aber auch in der Politik oder in Führungspositionen werden die in der Gesellschaft vorherrschenden Geschlechterstereotype und Rollenbilder herangezogen. Insbesondere das traditionelle Familienbild und die Assoziation von Führungspositionen mit stereotypisch „männlichen Eigenschaften“ werden dabei oft genannt.

In meiner Befragung konnte ich aber klar zeigen, dass die traditionellen Geschlechterstereotype für die Studentinnen kaum noch eine Rolle spielen. Ein Großteil der Studentinnen möchte sich später im Haushalt und der Kindererziehung die Arbeit mit dem Partner teilen. Außerdem streben mehr als die Hälfte der Studentinnen eine Führungsposition an.

Problematisch sind für die Studentinnen hingegen die Ausgestaltung des Bürgermeisteramts, denn die Studentinnen verbinden das Bürgermeisteramt tatsächlich immer noch mit stereotypisch „männlichen Eigenschaften“.

Es hat sich deshalb gezeigt, dass Job und Familie für die Studentinnen keine gegenseitigen Ausschlussgründe mehr sind. Sie sind hingegen gewillt, später Job und Familie zu vereinen. Allerdings macht das Bürgermeisteramt dies durch seine Ausgestaltung (hohe Anzahl Arbeitsstunden, Termine abends und am Wochenende) bisher nur sehr schwer möglich.

Politisches System

Den Einfluss der Parteien und von Unterstützungsnetzwerken auf die Studentinnen im Rahmen der Befragung an den Hochschulen zu untersuchen, war nicht möglich. Mir war es trotz allem wichtig, auch die bisher erforschten strukturellen Hindernisse darzustellen und zumindest Ansatzpunkte zu untersuchen. Hier würde sich aber eine genauere Betrachtung von Wahlkämpfen, eventuell sogar in Zusammenarbeit mit den Parteien, lohnen.

Ich konnte zumindest herausfinden, dass der Anteil der Studentinnen, der sich überhaupt vorstellen kann Parteimitglied zu werden, sehr gering ist (< 10 %).

Außerdem spielt auch das personenorientierte Wahlrecht, bei dem man im Wahlkampf als Einzelperson zentral im Rampenlicht steht, für die Studentinnen keine große Rolle bei der Entscheidung zu einer Kandidatur (nur für 15,34 % spricht das gegen eine Kandidatur).

Handlungsempfehlungen

Die Hauptaufgabe wird darin bestehen, das Bürgermeisteramt auch für die Studentinnen attraktiver zu machen. Frauen dominieren bereits jetzt die Kommunen, die Mehrheit der Angestellten und Beamten sind Frauen und auch auf anderen kommunalen Führungspositionen (Sachgebiets-, Amtsleitung, und so weiter) sind inzwischen viele Frauen aktiv. Durch eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Bürgermeisteramt und Familie/Freizeit könnte man die Motivation der Studentinnen zu einer Kandidatur deutlich steigern. Dort muss aber wohl erst noch ein Umdenken in den Verwaltungen stattfinden.

Außerdem wird es in Zukunft auch von den Parteien und von Frauennetzwerken abhängen, ob mehr Studentinnen zu einer Kandidatur motiviert werden können. Auch die Ortsparteien müssen in ihrer Arbeitsweise und Organisation attraktiver für die Studentinnen werden, damit diese dadurch früher und aktiver politisch gefördert werden können.

Auf jeden Fall wäre es sinnvoll, auf diesem Themengebiet noch weitere Forschungen zu betreiben.

Julian Augstein kommt aus einer ländlichen geprägten Region ziemlich zentral gelegen zwischen Stuttgart und dem Bodensee.

Er hat ab dem 1. März 2020 Public Management an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg studiert und diesen Studiengang im Februar 2023 erfolgreich mit dem Bachelor abgeschlossen. Seit März 2023 arbeitet er als Sachbearbeiter im Landratsamt Zollernalbkreis im Amt für Umwelt und Abfallwirtschaft.

„Ich habe mich für das Thema entschieden, da ich mich bereits während des Grundlagenstudiums intensiver mit dem Thema Bürgermeister beschäftigt habe und das Gebiet sehr spannend finde. Im Rahmen des Fachprojekts im 2. und 3. Semester habe ich mich nämlich in einer Gruppe von 15 Studenten mit dem Thema Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg beschäftigen dürfen und dort haben wir das Thema untersucht, weshalb immer weniger Verwaltungsfachleute das Bürgermeisteramt anstreben. Bei der Recherche dazu wurde ich auf dieses Thema aufmerksam“, erklärt er.

Er hoffe somit, mit seiner Bachelorarbeit zum einen einen Beitrag zur Förderung der Gleichberechtigung und zum Abbau von geschlechtsspezifischen Benachteiligungen leisten zu können und zum anderen aufzuzeigen, wie man auch zukünftig ausreichend gute und qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten für das Bürgermeisteramt gewinnen kann.

E-Mail für eventuelle Rückfragen: julaug1@gmx.net

Quelle/Autor: Julian Augstein

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