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Der Narr als Gottesleugner und ulkiger Regelbrecher

So kennt man den Narren mit Spiegel und Narrenkappe in der fünften Jahreszeit. In der Bibel wendet sich ein Narr von Gott ab.
IMAGO/Christoph Hardt)Karlsruhe/Heidelberg. Auch wenn im Südwesten die Fasnet so richtig erst mit dem Häs-Abstauben am Dreikönigstag beginnt, wird am 11.11. jedes Jahr die fünfte Jahreszeit eingeläutet. Dann regieren die Narren, die bereits in der Bibel Erwähnung finden.
„Die ganze Narrengestalt hat einen Bezug zur Bibel“, sagt Katrin Hesse, Kuratorin der Ausstellung „Narrenfreiheit!? Eine kleine Geschichte des Regelbruchs“ in der Badischen Landesbibliothek. Nach biblischer Lesart sei der Narr jener, der sich von Gott abwendet und sich nur mit sich selbst beschäftigt. Gleich zu Beginn verweist die Ausstellung auf Psalm 53,2: „Es spricht der Tor in seinem Herzen: Es ist kein Gott.“
Geistig Behinderte wurden als Narren verunglimpft
Im Mittelalter unterschied man zwei Arten von Narren, die natürlichen und die künstlichen Narren. Als natürliche Narren galten Geisteskranke, geistig Behinderte und Missgestaltete, schreibt der Brauchtumsforscher Werner Mezger in seinem Buch „Hofnarren im Mittelalter – vom tieferen Sinn eines seltsamen Amts“.
Die künstlichen Narren hingegen wie der berühmte Till Eulenspiegel, stellten sich dumm und tölpelhaft dar und trieben als Schalknarren Scherze, wie die Historikerin Marlis Zeus in ihrem Buch „Von Narren und Fürsten – am Exempel des Hofnarren Hans von Singen und der Markgrafen von Baden“ schreibt.
Über den Hofnarr Hans von Singen, der um das Jahr 1500 geboren wurde, ist unter anderem bekannt, dass Markgraf Ernst von Baden-Durlach zwei Silbermedaillen mit dem Konterfei des Hofnarren prägen ließ mit der Inschrift „Der witzigste König der Narren und Albernen“. Bekannt ist auch der Zwerg Perkeo, der als kleinwüchsiger Spaßmacher am Heidelberger Schloss Karriere machte und aufgrund seiner Intelligenz Haushofmeister des Kurfürsten Karl Philipp wurde.
In der Karlsruher Ausstellung illustriert ein Gemälde des italienischen Malers Giotto di Bondone (14. Jahrhundert) das „Sündenregister“ des Narren: die tönende Schelle als Sinnbild der Sinnentleertheit, der nackte Hintern für Unanständigkeit, der Narrenkopf für Selbstbetrug. Dazu kommen Eselsohren für Trägheit, ein Hahnenkopf für Triebhaftigkeit und der dicke Wanst für Völlerei.
Mit solchen Schwächen – Eitelkeit, Geschwätzigkeit, Trägheit – galt der Narr lange als Symbol der Sündhaftigkeit. Oft wurde er in religiösen Darstellungen mit dem Teufel verbunden. Erste Zeugnisse seiner Gestalt stammen aus dem Hochmittelalter, literarisch tritt er vor allem im 14. und 15. Jahrhundert hervor.
Der Narr nahm es mit der Wahrheit nicht so genau
Zwei Gemälde zeigen den Narren in typischer Pose – mit zwei Fingern vor dem Gesicht. „Ein beliebtes Motiv“, sagt Hesse. „Es zeigte, dass der Narr es mit der Wahrheit nicht so genau nahm.“ Nur er durfte sich am Hof erlauben, auch einmal „fünfe gerade sein zu lassen“. Doch sein Status blieb heikel: Kein Höfling stand dem Fürsten näher, und keiner riskierte mehr, dessen Geduld zu strapazieren.
Zu sehen sind in der Ausstellung auch Auszüge aus Sebastian Brants Moralsatire „Das Narrenschiff“ (1494), einem Bestseller seiner Zeit. Darin verspottete er die Laster seiner Mitmenschen. Ergänzt werden die Textpassagen durch Holzschnitte von Albrecht Dürer, die den Narren als „Folterer Christi“ zeigen.
Im 19. Jahrhundert wandelte sich das Bild vom sündhaften Regelbrecher zur fröhlichen Figur der romantisch-bürgerlichen Fastnacht. Heute steht die Freude im Mittelpunkt, doch die Symbolik bleibt: Der Narr darf einmal im Jahr die gesellschaftlichen Regeln brechen und Missstände beim Namen nennen, quasi als Ventil vor der Fastenzeit.
Narrenfreiheit
Der Begriff Narrenfreiheit ist bis heute allgemein gebräuchlich, und insbesondere an Fastnacht sind vielerorts die Narren los. Die Ausstellung „Narrenfreiheit!? Eine kleine Geschichte des Regelbruchs“ in der Badischen Landesbibliothek verfolgt deshalb die Narrenidee von den Psaltern des ausgehenden Mittelalters bis zu den Karnevalszeitungen der Moderne. Sie ist noch bis zum 21. Februar in Karlsruhe zu sehen.