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Klingender Knochen aus der Steinzeit

Die 2008 entdeckte altsteinzeitliche Flöte ist im urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren ausgestellt. Sie besteht aus der Speiche eines Gänsegeiers.
urmu (Urgeschichtliches Museum Blaubeuren))Blaubeuren. Sie hat nur vier Löcher, ein fünftes ist vermutlich abgebrochen. Der kleine Defekt schmälert jedoch kaum die historische Bedeutung des Objekts. „Unsere Gänsegeierflöte ist eines der ältesten erhaltenen Musikinstrumente der Welt“, sagt Jeany Weisheit vom Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren (URMU), wo der spektakuläre Fund aus dem Jahr 2008 ausgestellt ist.
Ursprünglich stammt er aus dem Hohle Fels, einer Karsthöhle auf der Schwäbischen Alb bei Schelklingen. Der Ort hat der Vor- und Frühgeschichte schon einmal eine Sensation beschert: „Die Flöte“, erklärt Weisheit, “befand sich direkt neben dem Grabungsquadrat, in dem die sogenannte ‚Venus vom Hohle Fels‘, eine Frauenstatuette, lag.“
Beide Fundobjekte stammen aus der Altsteinzeit
Mit einem Alter von rund 35 000 bis 40 000 Jahren sind beide Funde der Altsteinzeit zuzuordnen. Ihren Namen erhielt die Flöte, weil sie aus der Speiche eines Gänsegeiers besteht. Der Vogel erreicht eine Flügelspannweite von 2,5 Meter und war im Süden Deutschlands weit verbreitet.
Die Verarbeitung des dünnwandigen Knochens belegt, dass sich schon mit den Werkzeugen der damaligen Zeit (etwa Feuersteinklingen) erstaunlich filigrane Tätigkeiten ausführen ließen. Eine Grabbeigabe ist das kostbare Stück wohl nicht. „Es gab keine Skelettfragmente, die darauf hindeuteten“, erklärt die Expertin.
Musik muss für die prähistorischen Alb-Bewohner einen hohen Stellenwert besessen haben. Schließlich stießen Forschende in der Nähe vom Hohle Fels, im Geißenklösterle, auf weitere Flöten: eine aus Schwanenknochen und eine aus Mammutelfenbein. Sie gehören ebenfalls zur Sammlung des URMU. Beide datieren ungefähr aus derselben Zeit wie die Gänsegeierflöte, weisen jedoch mehr Beschädigungen auf.
Die Flöte wurde vermutlich in rituellen Kontexten verwendet
Zur Frage, warum die Jäger und Sammler der Steinzeit überhaupt zur Tonkunst fanden, existieren verschiedene Antworten. „Wir kennen die Darstellung eines musizierenden Schamanen“, sagt Weisheit. Daraus ließe sich ableiten, dass die Flöte in rituellen Kontexten verwendet wurde.
Einer anderen Theorie zufolge diente das klingende Gebein als Kommunikationsmittel bei der Jagd, um scheue Beutetiere nicht durch menschliche Rufe zu verscheuchen. Mittlerweile existieren Rekonstruktionen der Flöten, deren Klang tatsächlich an Vögelzwitschern erinnert.
Vielleicht aber wurde auch einfach aus Gründen der Geselligkeit zwanglos heiter aufgespielt, gesungen, rhythmisch in die Hände geklatscht und getanzt, wenn man sich ums Feuer versammelte. (gl)