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Wahlkampf

Politische Strategien aus dem letzten Jahrhundert

In der Geschichte des Landes gab es immer wieder Parteien, die wir heute als radikal bis extremistisch einstufen würden. Um Wählerstimmen zu gewinnen, entwickelten sie gezielt Strategien. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Die übrigen Parteien nahmen diese Angriffe nicht tatenlos hin.

Die DKP trat in Süddeutschland nicht zu Wahlen an.

Achim Zweygarth)

Stuttgart. In der Ausstellung „Wahlkampf Radikal“ im Haus der Geschichte , ist alles schwarz. Wände, Böden, Decken. Die einzigen Ausnahmen sind die mit Spotlight hervorgehobenen Ausstellungsobjekte: Flugblätter, Plakate oder Wahlprogramme aus einer altdeutschen Zeit.

In der Ausstellung, die von November bis April besucht werden kann, werfen nicht nur die Lichter einen genaueren Blick auf radikale Parteien und ihre Wahlkämpfe von 1952 bis 2001. Sebastian Dörfler, Kurator der Ausstellung, hat ein Ziel vor Augen: „Wir wollen zu Diskussionen über die Strategien in vergangenen Wahlkämpfen anregen. Was hat funktioniert, was nicht?“

Die Wählerstimmen wurden durch Angst gewonnen

Dabei stehen im Mittelpunkt, und wortwörtlich in der Mitte des Ausstellungsraumes, die Wahlkampfmittel radikaler Parteien wie der NPD, KPD oder den Republikanern. Durch Glaskästen auf schwarzen Tischen können Besucher sich einen Eindruck von den radikalen Parolen machen: „Das Boot ist voll! Schluss mit Asylbetrug“, steht hinter einer der Scheiben. Es ist ein Poster der Republikaner aus dem Jahr 1992, das eine „Arche Deutschland“ als Karikatur abbildet. Die Einwanderung ist neben Kriminalität, Staatsverschulden und Krieg und Frieden eins der Themen, die für gezielte Angstkampagnen eingesetzt wurden. Für radikale Parteien war das eine Strategie, um Wählerstimmen zu gewinnen.

Verbote, Abgrenzung und Protest als Antwort auf radikale Stimmen

Neben den radikalen Parteien betrieben auch alle anderen politische Kräfte ihren Wahlkampf. Dabei mussten sie sich gegen die Kampagnen behaupten, die ihre Konkurrenz einsetzte. In der Folge entwickelten sie verschiedene Gegenstrategien, um den Radikalen zu begegnen. Daher finden Besucher rund um die Mitte des Raumes an den Wänden die entsprechenden Reaktionen der übrigen Parteien. Mit unterschiedlichen Ansätzen versuchte man, dem Wahlkampf der radikalen Parteien etwas entgegenzusetzen.

Im Raum sind Zeitungsartikel und Broschüren ausgestellt, in denen über das Verbot spezifischer Parteien gesprochen wird. Diese Strategie führte im Laufe der Jahre zu einem Verbot der Sozialistischen Reichspartei und der KPD. Letzteres wird bis heute kritisiert. Der Historiker Josef Foschepoth etwa war der Überzeugung, die damalige Bundesregierung hätte das Bundesverfassungsgericht beeinflusst. Außerdem sei die KPD seiner Ansicht nach keine echte Gefahr für die Demokratie gewesen.

In den 1960er-Jahren diskutierte man öffentlich ein Verbot der NPD, es wurde jedoch nicht durchgesetzt. Gleichzeitig griffen andere Parteien die Themen auf, die das Volk beschäftigten und mit denen Radikale ihren Wahlkampf befeuerten. Nach den Grenzöffnungen in Osteuropa um 1990 rückte das Thema Asylpolitik stark in den Fokus. CDU und SPD entzogen sich dieser Thematik nicht, sondern legten eigene Lösungsvorschläge vor.

In den 1960er-Jahren wurde über ein Verbot der NPD diskutiert.
Achim Zweygarth)

Obwohl man sich also inhaltlich nicht ganz abgrenzen konnte, distanzierten sich Parteien im Stuttgarter Landtag von den Republikanern. Sie stellten sich klar gegen rechte Positionen. Dabei waren sie gleichzeitig bemüht darum, radikalen Parteien nicht zu viel Beachtung zu schenken. Der ehemalige Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger sagte, die NPD würde sonst künstlich aufgewertet werden. Außerdem versuchte man, die Menschen über aktuelle Geschehnisse aufzuklären und Gegenargumente zu denen der Rechten unter die Leute zu bringen. Bei Veranstaltungen der NPD begleitete man die Partei mit Protesten.

Die Republikaner waren zwei Mal im Stuttgarter Landtag.
Achim Zweygarth)

Moderner Wahlkampf wird in den Sozialen Medien neu erfunden

Die Ausstellung wird durch die Installation von drei Bildschirmen abgerundet. Die Idee stammt von Studierenden der Hochschule der Medien in Stuttgart. Auf zwei der Bildschirme laufen politische Kurzvideos der Plattform TikTok. Auf dem dritten Bildschirm erklärt eine Studentin, wie der Algorithmus sozialer Medien funktioniert. Die Station zeige, dass Wahlkampf heute anders funktioniere: „Die Medienlandschaft ist völlig anders als in der Vergangenheit“, erklärt Dörfler. Deshalb habe man auch den modernen Wahlkampf in die Ausstellung aufgenommen.

Am Ende des Ausstellungsraumes steht eine Installation, die zum Nachdenken anregt. Sie ist schwarz und in etwa so hoch, wenn nicht höher, als ihr Betrachter: „Was können wir extremistischen Parteien und deren Ideen entgegensetzen?“, fragen weiße Buchstaben auf schwarzem Hintergrund. Der Rest der Fläche kann mit eigenen Gedanken zu der Frage gefüllt werden.

Bewertung der Strategien

Um den Erfolg und den Misserfolg der Wahlkampfstrategien und Kampagnen beurteilen zu können, findet sich in der Aufstellung eine Info-Station. Dort können ausgewählte Wahlergebnisse von Landtags- und Bundestagswahlen eingesehen werden, die in der Zeit von 1952 bis 2001 stattgefunden haben. Außerdem können Besucher dort Zusatzinformationen wie Sitzverteilung, Gewinne und Verluste, Stimmenanteile und Wahlbeteiligung erhalten.

Kurator: Dr. Sebastian Dörfler führt durch die Ausstellung im Haus der Geschichte
Achim Zweygarth)

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