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Bundeswehr

Bei der Rüstungsbeschaffung ist Vergaberecht zu beachten

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wird das Vergaberecht in der Rüstungsbeschaffung zunehmend außer Acht gelassen – meist mit Verweis auf die notwendige und rasche Herstellung der Verteidigungsfähigkeit. Das sorgt für Kritik nicht nur beim Bundesrechnungshof.

Raketenabwehrsysteme wie das vom Typ Iris-T SLM von Diehl Defence in Überlingen gehören zur Ausstattung der Bundeswehr.

dpa/Schmidt)

Berlin/Stuttgart. Die Bundesregierung hat bei den Verteidigungsausgaben vor einigen Jahren eine Kehrtwende vollzogen: Mit den wachsenden internationalen Herausforderungen an die Bundeswehr steigt auch der Verteidigungsetat. Für das Jahr 2025 ist der reguläre Verteidigungshaushalt auf über 53 Milliarden Euro angewachsen. Davon werden erhebliche Mittel für die Rüstungsbeschaffung verwendet. Zusätzlich wurde im Jahr 2022 ein Sondervermögen für dringende Beschaffungen und Modernisierungen der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro vom Bundestag verabschiedet. Dabei sollen die Mittel weiter steigen. Wenn das Sondervermögen voraussichtlich Ende 2027 aufgebraucht sein wird, will die Bundesregierung das Budget auf mindestens 2 Prozent des BIP erhöhen. Sie geht dann allein im Jahr 2028 von Ausgaben in Höhe von 96 Milliarden Euro aus.

Bundesrechnungshof mahnt, Mittel verantwortungsvoll einzusetzen

„Der vergrößerte Finanzrahmen erfordert einen besonders verantwortungsvollen Umgang mit den finanziellen Mitteln“, mahnt Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofs in einem Bericht (27. Mai 2025) seiner Behörde. Aus einem sicherheits- und verteidigungspolitisch begründeten „Whatever it takes!“ dürfe kein verwaltungsseitiges „Geld spielt keine Rolle!“ werden, warnt der oberste Rechnungsprüfer.

Scheller zufolge bestehe das Risiko, dass sich das Signal der unbegrenzten Verschuldungsmöglichkeiten negativ auf die Preisentwicklung im Verteidigungsbereich auswirken könne. „Anreize für die Industrie, für gleichbleibende Leistungen nunmehr höhere Preise zu verlangen, sind aufgrund nahezu unbegrenzt verfügbarer finanzieller Mittel und einer erhöhten Nachfrage zu erwarten“, sagt er. Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes zeigten, dass es dem Verteidigungsministerium und der Bundeswehr teilweise nicht gelinge, „die finanziellen Mittel zielgerichtet und wirtschaftlich“ zu verwenden. Die Beispiele reichten von missglückten Beschaffungs- und Digitalisierungsvorhaben über Managementfehler bis zu vermeidbaren Mehrausgaben in Millionenhöhe für ungenutzte Softwarelizenzen. Scheller fordert von Verteidigungsministerium und Bundeswehr Steuerungs- und Kontrollinstrumente, „die eine wirksame und verantwortungsvolle Verwendung der finanziellen Mittel forcieren, Qualität gewährleisten und den Erfolg des Mitteleinsatzes nachvollziehbar machen“.

Für Christoph Goller, Rechtsanwalt bei Gleiss Lutz in Stuttgart, würden mehr Geld und Eile es jedenfalls nicht rechtfertigen, generell auf eine wirtschaftliche Beschaffung zu verzichten. Der Jurist und Ex-Bundeswehroffizier, der seit mehr als 20 Jahren im Sicherheits- und Verteidigungssektor tätig ist, rät deshalb dazu, die Vorgaben des Vergaberechts bei Rüstungsbeschaffungen auch künftig – wo immer möglich – zu berücksichtigen.

„Das Vergaberecht ist kein pauschales Hemmnis für die Verteidigungsfähigkeit. Ausnahmeregeln erfüllen eine wichtige Funktion, müssen jedoch gezielt und mit Augenmaß genutzt werden – im Dienst der Sache, nicht zu ihrer Umgehung“, sagt er. Goller erläutert, dass es eine wesentliche Funktion des Vergaberechts sei, Wirtschaftlichkeit zunächst durch Anbieterwettbewerb zu erreichen. „Wer Steuermittel einsetzt, muss Güter und Leistungen aufgrund eines transparenten und diskriminierungsfreien Bieterwettbewerbs beschaffen. Das ist im Haushalts- und im Kartellvergaberecht verankert.“

Freilich gibt es auch Ausnahmeregeln. Diese seien aber eng begrenzt, erklärt Goller und verweist auf Artikel 346 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Die EU ermöglicht es hier, aus Gründen der nationalen Sicherheit von der Anwendung der Vorschriften der EU-Verträge – also den Marktfreiheiten oder dem Wettbewerbsrecht – befreit zu werden. „Zumeist geht es dabei um die Frage, ob eine Direktvergabe für die Wahrung der wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ist“, so Goller.

Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Kontrolle sind kein Luxus

Bei der rechtlichen Bewertung solcher Direktvergaben verweist Goller auch auf den Sonderbericht. „Der Bundesrechnungshof verkennt […] nicht, dass Schnelligkeit bei der Beschaffung in Anbetracht der Bedrohungslage und der sicherheits- und verteidigungspolitischen Herausforderungen relevant ist“, heißt es darin. „Die nahezu unbegrenzt verfügbaren Mittel dürften aber nicht zu einer Grenzverschiebung bei der Wirtschaftlichkeit führen. Für Goller ist die Botschaft der Rechnungsprüfer klar: „Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Kontrolle sind kein Luxus – sie sind im Grundsatz die Voraussetzung dafür, dass Mittel wirken.“

Jurist Christoph Goller: „Das Vergaberecht ist kein pauschales Hemmnis für die Verteidigungsfähigkeit.“

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