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Im Porträt: Mark von Wietersheim

Mark von Wietersheim: „Der Beschaffungsprozess wird nie einfach sein“

In der bundesweiten Vergabeszene ist das Forum Vergabe eine gesetzte Diskussionsplattform. Mark von Wietersheim leitet den Verein in Berlin seit 2009. Der Jurist hat die Entwicklung des Vergaberechts in Deutschland über Jahrzehnte hautnah miterlebt. Zuweilen hat er sogar an der Formulierung von Regelungen mitgewirkt.

Mark von Wietersheim ist seit 2009 Geschäftsführer des Forum Vergabe in Berlin.

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Stuttgart/Berlin. Geht es nach der neuen Bundesregierung, soll es im Vergaberecht bald einfacher werden. Ein Ziel, das die Politik auch zuvor schon gerne ins Schaufenster gestellt hat. Am Ende kamen stets neue Paragrafen hinzu. Die Sehnsucht nach einfacheren Prozessen kann Mark von Wietersheim gut verstehen. Dass sie erfüllt wird, hält der Geschäftsführer des Forum Vergabe allerdings für gering. „Es liegt nicht am Vergaberecht“, sagt der Jurist. „Ich bin fest davon überzeugt, dass der Beschaffungsprozess wegen seiner wirtschaftlichen und technischen Komplexität von zu beschaffenden Leistungen und Produkten nie einfach sein wird.“ Von Wietersheim verfolgt die Entwicklungen des bundesdeutschen Vergaberechts seit Jahrzehnten. „Ich glaube, dass man öffentliche Aufträge heute besser vergibt als früher. Rationaler, durchdachter“, sagt der 58-Jährige. „Man hat heute mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Dies verlangt allerdings auch, dass man sich intensiv mit ihnen befasst.“

„Ich habe das Vergaberecht aus Anwendersicht kennengelernt“

Seit 1996 ist von Wietersheim als Anwalt tätig, zunächst im privaten Baurecht für die Kanzlei Luther & Partner in Berlin. Im Jahr 2000 wechselte er zur Deutschen Bahn. Die große GWB-Reform war da gerade zwei Jahre alt. Damals wurde ein eigener, vierter Teil in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eingefügt, der das Vergaberecht erstmals umfassend in Paragrafen regelte.

„So richtig ernst genommen hat das damals noch keiner“, erinnert sich von Wietersheim. Die Deutsche Bahn suchte jedoch einen Verantwortlichen, der das junge Thema Bauvergaberecht übernahm. Begehrt sei es nicht gewesen, es sei dann quasi an ihm hängengeblieben, erzählt von Wietersheim.

Zu dieser Zeit saß die Deutsche Bahn mit einer Stimme im deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen (DVA), den Experten, die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) ausformulieren. „Damals habe ich die Entwicklung des Vergaberechts aus Anwendersicht kennengelernt“, erklärt von Wietersheim. In dieser Funktion habe er an so mancher Formulierung der VOB mitwir ken können.

Seit 2009 führt er die Geschäfte des Forum Vergabe in Berlin. Der Verein war 1993 in Köln zur Förderung des Vergaberechts gegründet worden. Treibender Impuls waren die „Badenweiler Gespräche“, die sich seit 1990 zu einem festen Treffpunkt der „Vergabeszene“ in dem Kurort im Schwarzwald entwickelt hatten.

Im Jahr 2011 wurde die Veranstaltung nach Fulda verlegt. Seitdem treffen sich die Experten fast alljährlich in der Bischofs- und Hochschulstadt. Dieses Jahr, im September, werden sich die Experten vor allem mit den Vergaberechtsreformen in Deutschland und auf europäischer Ebene befassen.

Die ursprüngliche Idee zündet auch heute noch: „Wir müssen uns austauschen, diskutieren, um die Anwendung des Vergaberechts besser zu machen“, erklärt von Wietersheim. Dafür bietet das Forum eine neutrale Plattform des Erfahrungs- und Meinungsaustauschs. „Es geht darum, die gesetzlichen Gestaltungsspielräume für die Praxis besser zu nutzen. Das geht nur, wenn man versteht, was die anderen Beteiligten denken und was für diese sinnvoll ist“, sagt von Wietersheim. Eine Vergabe sei kein luftleerer Raum, sondern diene immer dazu, Interessen von Bietern, Auftraggebern und Steuerzahlern auszugleichen.

Heute hat das Forum Vergabe rund 450 Mitglieder vornehmlich aus Deutschland, a ber auch aus Österreich und der Schweiz. Im 16-köpfigen Vorstand sitzen kommunale und staatliche Auftraggeber sowie aufseiten des Gesetzgebers Bundesministerien, dazu Auftragnehmer, Anwälte, Berater und Kanzleien.

Experten haben mit ihren Impulsen die Gesetzgebung unterstützt

Die auf den Veranstaltungen des Forum Vergabe diskutierenden Experten haben mit ihren Impulsen immer wieder auch die Gesetzgebung unterstützt. Etwa bei der letzten Reform des Vergaberec hts im Jahr 2015.

„Wir haben den Beteiligten im Vorfeld der Reform den direkten Austausch ermöglicht“, erzählt von Wietersheim, der als Honorarprofessor auch privates Baurecht und Vergaberecht an der Hochschule Osnabrück lehrt. Das Forum Vergabe organisierte damals kurzerhand eine Veranstaltung mit 120 Experten aus der gesamten Vergabewelt. „Solche Veranstaltungen stärken das Verständnis für das, was der Gesetzgeber braucht, um gute Regelungen zu schaffen“, ist von Wietersheim überzeugt.

Fachforum in Fulda

Das Forum Vergabe organisiert Fachveranstaltungen wie die „Forum Vergabe Gespräche“. In diesem Jahr widmen sie sich vom 17. bis 19. September in Fulda schwerpunktmäßig den Reformen des Vergaberechts auf nationaler und europäischer Ebene, insbesondere dem Umgang mit erhöhten Auftragswertgrenzen in den Bundesländern und dem Ausbau der „Vergaberechtstransformation“. Zudem geht es um die Weiterentwicklung des Vergaberechts mit Blick auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Lieferkettenresilienz.

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