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Planungsleistungen

Gemeinsam vergeben und dann in Fachlose aufteilen

Die Sonderregelung für die Auftragswertermittlung von Planungsleistungen ist entfallen. Die neue Rechtslage verpflichtet Vergabestellen, alle Auftragswerte zu addieren. Das hat Folgen: Kleinere und mittlere Büros fürchten um Aufträge. Auftraggeber müssen für Planungsleistungen weit mehr europaweite Ausschreibungen vornehmen als bisher. Der Vergabeexperte Martin Burgi hat nun eine Lösung vorgelegt.

Öffentliche Planungsleistungen ab einer Bausumme von rund einer Million Euro müssen nach der Reform nahezu alle EU-weit ausgeschrieben werden.

Giorgio Fochesato/ imago)

Stuttgart . Die Streichung eines Passus in Paragraf 3 der Vergabeverordnung (VgV) hat unter Architekten- und Ingenieurbüros, die Bauprojekte planen, für viel Unmut und große Verunsicherung gesorgt. Das gilt auch für die Auftraggeberseite. Praktiker in den Vergabestellen suchen nach Lösungen, wie man den Aufwand in Grenzen halten kann. Denn sie müssen bei Bauvorhaben mit einem Volumen von knapp 900 000 Euro damit rechnen, dass die zu addierenden Planungsleistungen den Schwellenwert von 215 000 Euro überschreiten. Damit ist eine europaweite Ausschreibung fällig. Die Berechnung legt zugrunde, dass 20 Prozent der Summe, die für ein Bauprojekt aufgewendet wird, für Planungsleistungen anfallen.

Der Vergabeexperte Martin Burgi von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat nun eine Alternative vorgelegt, wie Planungsleistungen weiterhin möglichst mittelstandsfreundlich und gleichzeitig rechtssicher vergeben werden können.

Burgis Lösung sieht die „gemeinsame Vergabe“ von Aufträgen für Planungs- und Bauleistungen vor, die im Anschluss mit der Bildung von Fachlosen kombiniert wird. Erarbeitet wurden die Vorschläge im Auftrag der Bundesingenieurkammer, der Bundesarchitektenkammer und vom Verband Beratender Ingenieure.

Burgi kommt zum Ergebnis, dass beide Verfahrensweisen für sich genommen nach europäischem Recht „statthaft“ und in der Rechtsprechung noch nicht mit ablehnenden Urteilen belegt worden seien. Die Kombination – also die Gemeinsame Vergabe in Verbindung mit Fachlosen – tauche in der Rechtsprechung noch überhaupt nicht auf.

Die Gemeinsame Vergabe von Planungs- und Bauleistungen ist in Paragraf 103 im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausdrücklich vorgesehen. Es liege im freien Ermessen des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers, diese Möglichkeit zu nutzen, schreibt Burgi in seinem Gutachten für die Kammern. Auch die Bundesregierung hatte in der Begründung der Gesetzesänderung darauf hingewiesen.

Konkret werden dabei Planung und Ausführung von Bauleistungen zu einem einzigen Auftrag zusammengeführt. Dabei handelt es sich aber nicht um eine „Gesamtvergabe“, bei der nur ein General- oder Totalunternehmer den Auftrag bekäme. Das sieht Burgi kritisch: ein Generalunternehmer führe zu einer Schwächung des Auftraggebers, der eben gerade keinen Einfluss mehr auf einzelne Gewerke habe, etwa auf die Planung.

Zeitlicher, personeller und finanzieller Aufwand ist geringer

Unabhängig vom Gesamtvolumen eines Bauauftrags könnte bei der gemeinsamen Vergabe laut Burgi die Planung in Form von einzelnen Fachlosen vergeben werden, die in der Regel unterhalb der Schwelle bleiben, obwohl der Bauauftrag als Ganzes den Schwellenwert der Europäischen Union möglicherweise überschreitet.

Denn: Paragraf 3 der Vergabeverordnung sieht vor, dass einzelne Lose nicht europaweit ausgeschrieben werden müssen, wenn der geschätzte Nettowert des Loses im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen unter einem Wert von 80 000 Euro bleibt. Gleichzeitig darf die Gesamtsumme dieser Werte, beispielsweise für alle Planungsleistungen, einen Anteil von 20 Prozent am Gesamtwert des Bauauftrags nicht überschreiten.

Burgi sieht nicht die Gefahr, dass ein Auftraggeber den Wettbewerbscharakter des Vergaberechts umgeht und Gefahr läuft, dass ein Verfahren deswegen scheitert. Das betrifft auch die Aufteilung eines Auftrags in Fachlose, die der Gesetzgeber sogar verpflichtend vorsehe. Der Verzicht auf Lose bilde nämlich gerade die Ausnahme.

Für Burgi hat die Kombinationsvariante wesentliche Vorteile. Der zeitliche, personelle und finanzielle Aufwand für Auftraggeber sei geringer. Wichtige Investitionsvorhaben in den Bereichen Klimaschutz, soziale Infrastruktur und Sanierung könnten schneller umgesetzt werden. Außerdem hätten Auftraggeber bessere Chancen, gut spezialisierte Büros für die Planung zu gewinnen.

Passus in Vergabeverordnung gestrichen

In Paragraf 3 der Vergabeverordnung (Abs. 7 S. 2, VgV) wurde der Passus gestrichen, wonach Planungsleistungen für Lose über gleichartige Leistungen nicht zusammengerechnet werden müssen. Bisher konnten unterschiedliche Planungsleistungen für ein und dasselbe Projekt in nationalen Verfahren vergeben werden. Auch dann, wenn der Auftragswert aller Planungsleistungen zusammengenommen den EU-Schwellenwert überschritten hatte.

Marcus Dischinger

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