Expertenbeitrag: Fachlose

Gesamtvergabe muss gut begründet werden

In einem konkreten Fall entschied sich ein öffentlicher Auftraggeber für die Beauftragung eines Generalunternehmers zur Erneuerung der Fahrbahn einer Bundesautobahn, anstatt das Projekt in Lose aufzuteilen. Doch das zuständige Gericht erklärte die Gesamtvergabe für rechtswidrig.

Ein Anbieter von Weißmarkierungsarbeiten gegen die Gesamtvergabe geklagt und eine Aufteilung in Fachlose gefordert.

IMAGO/Jochen Tack)

Stuttgart . Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich im vergangenen Jahr mit einer gesamthaften Vergabe von Bauleistungen zu befassen (Beschluss vom 21. August 2024, Verg 7/24). Der Auftraggeber schrieb Bauarbeiten an einer Autobahn aus. Er entschied sich für eine Gesamtvergabe an einen Generalunternehmer, obwohl eine Aufteilung in Fachlose möglich gewesen wäre. Ein Anbieter für Weißmarkierungsarbeiten forderte eine Losaufteilung und verfolgte dieses Ziel mittels Nachprüfungsverfahren.

Synergieeffekte und kürzere Bauzeit

Die Vergabestelle begründete die Gesamtvergabe mit Synergieeffekten und verkürzter Bauzeit. Dies führe zu kürzeren Sperrungen und weniger Umleitungsverkehr. Zudem sollten Sicherheitsrisiken minimiert und Schnittstellenprobleme vermieden werden. Ein weiteres Argument war, dass die Gesamtbauzeit in den Wettbewerb gestellt wurde, um das bieterseitige Know-how für eine möglichst kurze Bauzeit zu nutzen. Eine Losaufteilung wäre daher nicht möglich gewesen. Die Vergabekammer des Bundes folgte in erster Instanz dieser Argumentation (vgl. Staatsanzeiger vom 15. Mai 2024).

Das OLG Düsseldorf hob in der Beschwerdeinstanz die Entscheidung der Vergabekammer auf und verlangte eine Losaufteilung. Es betonte, dass die Losaufteilung im deutschen Vergaberecht grundsätzlich Vorrang habe und die dokumentierten Gründe der Vergabestelle nicht ausreichten. Eine erhöhte Bau- und Verkehrssicherheit sowie der geringere Koordinierungsaufwand wurden nicht als ausreichende Gründe anerkannt. Auch die potenzielle Bauzeitverkürzung wurde als irrelevant angesehen, da sie keine unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteile für den Auftraggeber brächte. Lediglich mittelbare (volkswirtschaftliche) Vorteile und positive Auswirkungen auf die Umwelt durch weniger Umleitungsverkehr ließ das Gericht nicht ausreichen. Auf die Tatsache, dass nur durch eine Gesamtvergabe die Gesamtbauzeit als Zuschlagskriterium berücksichtigt werden kann, ging das Oberlandesgericht nicht ein.

Das OLG Düsseldorf legt in seiner Entscheidung strenge Maßstäbe an die Rechtfertigung der Gesamtvergabe an. Öffentliche Auftraggeber müssen sich im Vorfeld intensiv und einzelfallbezogen mit den technischen und wirtschaftlichen Gründen, die die Gesamtvergabe rechtfertigen, auseinandersetzen. Diese müssen ebenso in der Vergabeakte dokumentiert werden wie eine Abwägung zwischen Gesamt- und Einzellosvergabe. Gerade in Fällen, in denen die Losaufteilung als „geübte Praxis“ gilt, dürfte eine Gesamtvergabe schwer zu begründen sein. Dies gilt besonders dann, wenn es sich um eine reine Bündelung einzelner Gewerke zu einer Generalunternehmerleistung handelt. Erhöhter Koordinierungsaufwand, (nachtragsanfällige) Probleme bei den Schnittstellen und eine potenziell kürzere Bauzeit sind für sich genommen noch keine Aspekte, die den hohen vergaberechtlichen Anforderungen genügen.

Die Bündelung der Leistungen ist nur in Einzelfällen gut begründbar

Gleichwohl besteht bei öffentlichen Auftraggebern erkennbar das Bedürfnis, komplexe Bauvorhaben einfacher zu gestalten und (konfliktanfällige) Schnittstellen zwischen einzelnen Unternehmen zu reduzieren. Ob dies, wie vom OLG Düsseldorf angeregt, dadurch gelingt, dass der Hauptauftragnehmer gleichzeitig mit der Koordinierung sämtlicher weiterer Auftragnehmer beauftragt wird, erscheint fraglich.

Unter den aktuell geltenden vergaberechtlichen Vorschriften ist die Bündelung trennbarer Leistungen jedenfalls nur in Einzelfällen gut begründbar, selbst wenn die rein tatsächlichen Vorzüge auf der Hand liegen. Dies hatte auch der Gesetzgeber erkannt und eine entsprechende Vereinfachung im Vergabetransformationspaket vorgesehen. Nachdem dieses jedoch in der aktuellen Wahlperiode vom Bundestag nicht mehr beschlossen wurde, bleibt abzuwarten, ob unter der neuen Bundesregierung dieser „Bremsklotz“ der Beschaffungsprojekte angegangen wird. Die EU-Vergaberechtlinien würden jedenfalls weit größere Spielräume erlauben als im deutschen Vergaberecht bislang verankert.

Verzicht auf die losweise Vergabe

Ein Verzicht auf die Aufteilung nach Losen sollte die Ausnahme bleiben und muss gut begründet sein. Der Gesamtvergabe setzt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) enge Grenzen. So sind vornehmlich mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen (Paragraf 97 Absatz 4 GWB). Damit sind Leistungen in der Menge aufzuteilen (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben.

Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen nur zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.

Alexander Dörr

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