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Koalitionsvertrag

Kommt jetzt der Vergabe-Turbo?

Union und SPD wollen die Vergabeverfahren vereinfachen und beschleunigen sowie die Schwellenwerte für Direktvergaben anheben. Doch die Ankündigungen dazu in ihrem Koalitionsvertrag sind wenig konkret. Vergaberechtsexperten erwarten deutlich mehr, um nennenswerte Impulse auszulösen.

Vereinfachen, beschleunigen und digitalisieren. Die schwarz-rote Koalition will die Vergabeverfahren schneller machen.

Imago/Design Pics)

Stuttgart/Berlin . „Wir werden uns dafür einsetzen, das Vergaberecht auf nationaler und europäischer Ebene für Lieferungen und Leistungen aller Art für Bund, Länder und Kommunen zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu digitalisieren.“ So steht es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Der Dreiklang dürfte allerorten Zustimmung finden, doch Euphorie scheint er kaum auszulösen.

„Bereits in den letzten Legislaturperioden wurde regelmäßig nach mehr Beschleunigung und Bürokratieabbau im Vergaberecht gerufen. Allein an der Umsetzung scheiterte es, jedenfalls bisher“, kommentieren die Juristinnen Christine Radeloff und Sarah Beard von der Kölner Kanzlei CBH Rechtsanwälte. Zudem geben sie zu bedenken: „Die vermeintlichen Beschleunigungsansätze und Effizienzziele in der Beschaffung können bereits auf der Basis der aktuellen Rechtslage umgesetzt werden.“

„Ohne Reformen droht das Investitionsprogramm zu scheitern“

Gerade mit Blick auf die beiden geplanten Sondervermögen in Höhe von jeweils 500 Milliarden Euro mahnen Experten zu mehr Reformeifer. „Die bestehenden Beschaffungsstrukturen sind nicht bereit für das, was kommt. Ohne grundlegende Reformen droht das Investitionsprogramm zu scheitern“, warnt etwa der Berliner Honorarprofessor für Bau- und Vergaberecht, Ralf Leinemann. „Statt mutiger Schritte“ gebe es nur „altbekannte Floskeln“ und „Regulierungswildwuchs“. Vielfach bleibt der Koalitionsvertrag zu unbestimmt. „Wir wollen das Vergaberecht auf sein Ziel einer wirtschaftlichen, diskriminierungs- und korruptionsfreien Beschaffung zurückführen“: Wie das konkret umgesetzt werden soll, wird nicht näher beschrieben.

Einen Anlauf wollen Union und SPD unternehmen, um den Dschungel länderspezifischer Regelungen zu lichten. So wollen sie die Schwellenwerte im nationalen Recht vereinheitlichen. Im Bundesgebiet finde sich ein „bunter Strauß“ an unterschiedlichen und teils stark abweichenden Wertgrenzen, betont Christian-David Wagner, Fachanwalt für Vergaberecht mit eigener Kanzlei. Einen Überblick zu behalten, sei nicht einfach, so der Honorarprofessor für Vergaberecht an der Hochschule Harz.

Auch wollen die Koalitionäre die Wertgrenzen für Direktvergaben auf Bundesebene anheben: für Liefer- und Dienstleistungen auf 50 000 Euro und für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung auf 100 000 Euro. Ferner will sich die künftige Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine Erhöhung der Schwellenwerte einsetzen. Dies würde den Verwaltungsaufwand verringern, weil öffentliche Auftraggeber damit weniger EU-weite Ausschreibungen durchführen müssten.

Um eine Beschleunigung für größere Infrastrukturvorhaben zu erreichen, fordert Vergaberechtler Leinemann eine Abkehr vom Gebot der Vergabe von Fach- und Teillosen. Die Regelung nach Paragraf 97 Absatz 4 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gehöre bei Großprojekten „dringend abgeschafft“. „Planung und Bau gehören in eine Hand, ein großer Generalunternehmer soll die vielen Gewerke koordinieren, weil er das am besten kann. So können große Strecken schnell und professionell , betriebsbereit‘ am Stück errichtet werden“, sagt er. Doch das dürfte kaum kommen. Im Koalitionsvertrag verteidigen die Partner sogar den Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe.

Als Bremse sieht Leinemann die vielen Nachweise, die Bieter einreichen müssen. „Angebote sollten stets ohne Nachweise und Zertifikat eingereicht werden können“, schlägt der Vergaberechtler vor. „Lediglich die beiden bestplatzierten Bieter sollten sie dann auf Anforderung nachreichen“, sagt er. „Paragraf 56 Absatz 3 VgV ist dahingehend zu ändern, dass Unternehmens- und personenbezogene Unterlagen der Bieter stets nachgereicht werden können. Kein Bieter darf ausgeschlossen werden, nur weil er irgendein Formular nicht rechtzeitig eingereicht hat. Das ist aber heute an der Tagesordnung.“

Vergaberechtler empfiehlt, Landesvergabegesetze abzuschaffen

Immerhin sollen Bieter nach den Plänen der Koalitionäre ihre Eignung „möglichst bürokratiearm, digital und mittelstandsfreundlich nachweisen können, etwa durch geprüfte Systeme oder Eigenerklärungen“.

Leinemann fordert, die Landesvergabegesetze abzuschaffen: „Jedes Bundesland hat sein eigenes Vergabegesetz, seinen eigenen Mindestlohn, eigene Formulare.“ Auch dass die Länder jeweils eigene Mindestlohnvorgaben festlegen könnten, hält er für nicht sinnvoll. „Seit es den bundesweiten Mindestlohn gibt, braucht es keine landesspezifischen Regelungen mehr. Einheitliche, schlanke und bundesweite Regeln sparen Zeit, vermeiden Fehler. Das fördert den Wettbewerb und ermöglicht mehr Bietern die Teilnahme.“

Kaufhaus des Bundes

Die Koalitionäre wollen das „strategische Beschaffungsmanagement“ stärken. „Behörden sollen künftig auf Rahmenverträge anderer öffentlicher Dienststellen und auf zentrale Einkaufsplattformen zurückgreifen dürfen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Zudem will man die Bestellplattform des Bundes (Kaufhaus des Bundes) zu einem digitalen Marktplatz für Bund, Länder und Kommunen ausbauen.

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