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Aufhebung der Wertgrenzen: Mehr Beinfreiheit für Beschaffer

Nordrhein-Westfalen hat entschieden, künftig alle landesrechtlichen Wertgrenzen für Kommunen aufzuheben. Beschaffer bekommen damit mehr Entscheidungsfreiheit. Förmliche Ausschreibungen müssen erst ab den europäischen Schwellenwerten verpflichtend durchgeführt werden.

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Düsseldorf/Stuttgart . Künftig müssen Kommunen in Nordrhein-Westfalen förmliche Ausschreibungen erst ab Erreichen der europäischen Schwellenwerte durchführen. Für Aufträge unterhalb dieser Schwellenwerte fallen sämtliche landesrechtlichen Vorgaben weg. Damit entfällt die verpflichtende Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) im Unterschwellenbereich.

Die Neuerungen sind bereits vom Landtag beschlossen und teilweise schon in Kraft. Die Landesregierung will damit Vergabeverfahren vereinfachen und kommunalen Beschaffern mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Vergabeverfahren ermöglichen.

Aufhebung aller landesrechtlichen Wertgrenzen

Unbegrenzte Beinfreiheit haben sie gleichfalls nicht. Dafür sorgt ein neuer „Vergabegrundsatz“ in der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens (Paragraf 75a): Die Vergabe soll wirtschaftlich, effizient und sparsam erfolgen unter Beachtung von Gleichbehandlung und Transparenz. Bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien orientieren sich die Reformer am sogenannten „Schweizer Modell“: Danach soll der Zuschlag künftig an das wirtschaftlichste Angebot gehen, nicht zwingend an das preisgünstigste. Das bedeutet, dass „neben dem Preis auch Qualität, Zweckmäßigkeit und Betriebskosten“ stärker gewichtet werden können. Dies soll nachhaltige und qualitativ hochwertige Beschaffungen fördern.

Unter dem Strich heißt es aus Düsseldorf, die Reform bringe mehr Eigenverantwortung und Flexibilität für Kommunen, weniger Bürokratie und eine stärkere Ausrichtung auf qualitative und nachhaltige Kriterien. „Das könnte man durchaus als eine kleine Revolution bezeichnen“, sagt Sebastian Ritter, Vergaberechtsexperte beim Städtetag Baden-Württemberg. Er warnt jedoch vor einem Überbietungswettbewerb: „Noch vor wenigen Monaten waren die Wertgrenzen in den Ländern sehr niedrig, was tatsächlich ein hohes Maß an Bürokratie ausgelöst hat. Deswegen war es sicherlich ein Erfolg der Entlastungsallianz, dass man sie in Baden-Württemberg erhöht hat.“ Dass Direktaufträge nun bis zu einem Auftragswert von 100 000 Euro zulässig sind, sei beachtlich. Bevor man hier erneut nachlege, sollte man erst einmal beobachten, ob das funktioniert. „Wir sind sehr optimistisch, dass Städte und Gemeinden damit gut arbeiten können.“

Spielraum für Beschaffer kaum größer als in Baden-Württemberg

Die Regelung in NRW klingt für Ritter „nach mehr, als es tatsächlich ist“. „Je näher man sich dem EU-Schwellenwert, also den 221 000 Euro nähert, umso mehr drängt sich die Frage auf, ob man wirklich zu einem Direktauftrag raten sollte“, so Ritter. Aus seiner Sicht dürfte der Spielraum für die Beschaffer in NRW faktisch kaum größer sein als in Baden-Württemberg. „Bei Auftragswerten zwischen 100 000 und 221 000 Euro wird man in vielen Fällen – auch wenn es nicht ausdrücklich vorgegeben ist – dann doch eine Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnehmerwettbewerb durchführen. Man komme also zu einem ähnlichen Ergebnis wie in Baden-Württemberg.

NRW erlaubt den Kommunen, eigene Vergaberegeln in Satzungen festzulegen. Ritter sieht das skeptisch. „Es ist richtig, dass man sich als Stadt Gedanken macht, wie man Vergabeverfahren gestalten will. Städte, insbesondere jene, die eine zentrale Vergabestelle haben, machen sich grundsätzlich Gedanken, ab welchen Auftragssummen die zentrale Vergabestelle übernimmt und wann Vergaben von den Fachämtern abgewickelt werden. Das geschieht aber sehr niederschwellig über Dienstanweisungen. Dass man das in NRW über eine Satzung regelt, ist gut gemeint, aber bürokratisch“, sagt Ritter.

Mehr zum Gesetzesbeschluss in NRW finden Sie unter: https://kurzlinks.de/eu9g

Sebastian Ritter, Vergaberechtsexperte beim Städtetag: „Die Neuerungen in 
Nordrhein-Westfalen klingen nach mehr, als sie es tatsächlich sind.“
Wolfgang Leja)

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