Expertenbeitrag: Emissionsvorgaben

Neue Regeln für Beschaffung von Stadtbussen

Mit der EU-Verordnung 2024/1610 führt die EU-Kommission neue Sondervergaberechtsvorschriften ein, die bei der Beschaffung von emissionsfreien Stadtbussen und Stadtbusverkehren berücksichtigt werden müssen. Die Verordnung findet seit dem 1. Juli 2024 Anwendung auf Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich. Von Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht, 
Partner Rödl & Partner, Nürnberg.

Ab dem Jahr 2030 müssen 90 Prozent und ab 2035 sogar 100 Prozent der neuen Stadtbusse emissionsfrei sein.

Wolfgang Leja)

NÜRNBERG . Ab dem Jahr 2030 müssen 90 Prozent und ab 2035 sogar 100 Prozent der neuen Stadtbusse emissionsfrei sein. Das schreibt die EU-Verordnung 2024/1610 vor. Sie gilt unmittelbar und erfordert keine zusätzliche Umsetzung durch deutsche Regelungen. Welche Technologien die Hersteller zur Erreichung dieser Ziele einsetzen – sei es Elektrizität oder Wasserstoff in Bussen mit Verbrennungsmotor – bleibt ihnen überlassen.

Diese Verpflichtungen betreffen zwar nicht unmittelbar die öffentlichen Auftraggeber und beeinflussen auch nicht die Mindestquoten nach dem Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz (SaubFahrzeugBeschG). Allerdings wirken sich die Vorgaben der EU-Verordnung indirekt auf die öffentliche Beschaffung aus. Nach dem aktuell gültigen SaubFahrzeugBeschG beträgt beispielsweise die einzuhaltende Mindestquote für emissionsfreie Busse 32,5 Prozent im Beschaffungszeitraum ab dem 1. Januar 2026. Da die Hersteller ab 2030 ohnehin 90 Prozent der Stadtbusse emissionsfrei anbieten müssen, wird es aufgrund des geänderten Marktangebots leichter sein, die Mindestquoten nach dem SaubFahrzeugBeschG zu erfüllen.

Beschaffer müssen spezielle Bestimmungen beachten

Artikel 3e VO sieht daher bei der Beschaffung von Stadtbussen ergänzend zum allgemeinen Vergaberecht die Anwendung spezieller vergaberechtlicher Bestimmungen vor. Diese betreffen sowohl die Leistungsbestimmung als auch die Zuschlagskriterien.

Sie gelten für Lieferaufträge zur Beschaffung neuer emissionsfreier Stadtbusse sowie für Dienstleistungsaufträge, deren Hauptgegenstand die Nutzung solcher Busse ist.

Als Stadtbusse gelten grundsätzlich alle Niederflurfahrzeuge der Fahrzeugklasse M3 mit einer technisch zulässigen Gesamtmasse von über 7,5 Tonnen. Fahrzeuge, die ausschließlich der Fahrzeugklasse II zuzuordnen sind, also hauptsächlich zur Beförderung sitzender Fahrgäste ausgelegt sind (Überlandbusse), zählen hingegen nicht dazu.

Bei Lieferaufträgen findet die EU-Verordnung in jedem Fall Anwendung, wenn neue emissionsfreie Stadtbusse beschafft werden. Bei Dienstleistungsaufträgen ist sie relevant, wenn der Einsatz von emissionsfreien Stadtbussen im Vordergrund steht, unabhängig davon, ob es sich um neue oder vermutlich auch um gebrauchte Fahrzeuge handelt.

Die EU-Verordnung schreibt vor, dass der Zuschlag zwingend nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis erfolgen muss, wodurch das Billigstangebotsprinzip ausgeschlossen wird. Das bedeutet, dass eine Zuschlagserteilung ausschließlich auf Grundlage des Preises oder der Kosten nicht zulässig ist. Abhängig von der Marktlage müssen daher mindestens zwei der folgenden Kriterien (a-e) entweder als technische Spezifikationen in der Leistungsbeschreibung (gegebenenfalls wohl auch als Ausführungsbedingung) oder als Zuschlagskriterien verwendet werden.

Mindestens zwei Kriterien müssen verwendet werden

Mindestens eines dieser Kriterien muss den Buchstaben a-d zugeordnet sein, die den „Beitrag des Angebots zur Versorgungssicherheit“ betreffen: a) Anteil der Produkte aus Drittländern, b) Verfügbarkeit wesentlicher Ersatzteile, c) Positive Bieterzusage bei Änderungen der Lieferkette, d) Dokumentation zur Versorgungssicherheit der Lieferkettenorganisation, e) Ökologische Nachhaltigkeit (zum Beispiel Reparierbarkeit, Wartungsfreundlichkeit, hochwertige Recyclingmöglichkeiten) über die rechtlichen Mindestanforderungen hinaus.

Wenn die Kriterien a-d ganz oder teilweise als Zuschlagskriterium festgelegt werden, muss der Beitrag zur Versorgungssicherheit mit 15 bis 40 Prozent gewichtet werden. Bei der Festlegung mehrerer Zuschlagskriterien haben die Auftraggeber die Freiheit, die einzelnen prozentualen Gewichtungen innerhalb dieser Marge festzulegen.

Busse aus Drittstaaten

Die Anwendung des Kriteriums des Anteils der Produkte aus Drittländern erlaubt eine unmittelbare Diskriminierung von Angeboten aus Drittstaaten, die nicht Vertragspartei des (globalen) Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen („Government Procurement Agreement – GPA“) oder von sonstigen Abkommen mit garantierten Marktzugängen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens sind. Dies betrifft etwa Lieferanten aus China, denn Peking hat das GPA bislang nicht unterzeichnet.

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