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Reden oder schweigen bei Vergaben?

Christoph Kins, Fachanwalt für Vergaberecht, Kanzlei Abante, Leipzig. Foto: Abante
privat)Leipzig . Wenn die Vergabe bekannt gemacht wurde oder die Aufforderung zur Angebotsabgabe eingegangen ist, stellt sich Bietern oft die Frage: Soll man bei Unklarheiten, Fehlern oder Defiziten in den Vergabeunterlagen durch Bieterfragen Aufklärung beim Auftraggeber verlangen und sich gar mit einer Rüge wehren? Oder ist es nicht vielleicht besser, schweigend zu agieren, also quasi aus dem Nichts heraus das Angebot abzugeben? Vertrieblich mag man dies so oder so beurteilen. Rechtlich ist der Ratschlag einfach: Machen Sie möglichst entweder das eine oder das andere.
Bieter müssen Rügeobliegenheiten im Vergabeverfahren beachten
Ein schweigsamer Bieter läuft immer Gefahr, gegen seine Mitwirkungsobliegenheiten im Vergabeverfahren zu verstoßen. Geregelt sind diese in Paragraf 160 Absatz 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Hiernach treffen den Bieter sogenannte Rügeobliegenheiten. Er muss also Fehler oder Defizite in den Vergabeunterlagen innerhalb bestimmter Zeiträume rügen. Vorteil beredsamer Bieter.
Ob und vor allem welche Rügeobliegenheiten er zu erfüllen hat, beurteilt sich unter anderem nach dem Wissensstand des Bieters. Dabei gilt die Faustformel: Je mehr Sie wissen, desto mehr müssen Sie sagen beziehungsweise rügen. Über den Wissensstand eines schweigenden Bieters ist jedoch wenig bis gar nichts bekannt. Vorteil schweigsamer Bieter.
Hat sich der Bieter an den Auftraggeber gewandt, muss er damit rechnen, dass man ihm einen eher hohen Wissensstand zutrauen wird. Fragen lassen oftmals den Rückschluss auf ein Bewusstsein der Rechtswidrigkeit zu. Und wer fragt, erhält auch Antwort, und die kann wiederum Reaktionspflichten auslösen. Wechselt der Bieter dann jedoch seine Strategie und schweigt, so wird es eher schwerer für ihn. Nachteil wechselhafter Bieter.
Im Kontext der Rügeobliegenheiten kommt es nicht darauf an, was ein konkreter Bieter tatsächlich erkennt oder versteht, sondern darauf, was ein durchschnittlicher, fachkundiger und sorgfältiger Bieter unter den gegebenen Umständen erkennen kann und muss. Juristen sprechen hier von der Fiktion des Durchschnittsbieters. Man könnte daher meinen, hier spielt es keine Rolle, ob der Bieter sich aktiv beteiligt oder eher geschwiegen hat. Doch in der Vergabepraxis wirkt sich dies in jedem Einzelfall auf die eine oder andere Weise aus. Dabei ist die Fiktion des Durchschnittsbieters keinesfalls so unstrittig wie sie scheint.
Auch Nachtragsmöglichkeiten sind betroffen
Das Kommunikationsverhalten von Bietern kann sich neben den rechtlichen Möglichkeiten im Vergabeverfahren auch später auf das Vertragsverhältnis auswirken. So finden sich in der Rechtsprechung Fälle, die Nachtragsmöglichkeiten abschneiden, wenn sich der Bieter zuvor nicht beteiligt hat, also nicht auf Fehler oder Lücken hingewiesen hat. Im Streit kommt es auf den Einzelfall an, etwa darauf, welches Oberlandesgericht für den Bieter zuständig ist, über welche Branche wir reden und ob sich Bieter in irgendeiner Weise zu dem Vergabeverfahren geäußert haben.
Christoph Kins