Ausschluss vom Vergabeverfahren 

Sanktionslisten helfen bei der Eignungsprüfung 

Internationale Finanzinstitutionen veröffentlichen Listen, in denen Unternehmen verzeichnet sind, deren berufliche Integrität aufgrund betrügerischer oder korrupter Praktiken zweifelhaft ist. In seinem Expertenbeitrag erläutert Holger Schröder, Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Rechtsanwaltsgesellschaft Rödl in Nürnberg, ob und wie öffentliche Auftraggeber diese Listen bei der Eignungsprüfung nutzen können.
Zwei gezeichnete Männer im Anzug schütteln Hände, daneben ein Porträtfoto.

Öffentliche Auftraggeber müssen die Integrität von Bietern prüfen. Dafür können Sanktionslisten hilfreich sein, erklärt Vergaberechtler Holger Schröder.

privat / Grafik: IMAGO/Zoonar.com/Anastasiia Tori)

Nürnberg. Internationale Finanzorganisationen wie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die Weltbank, die Interamerikanische Entwicklungsbank, die Afrikanische Entwicklungsbank-Gruppe und die Asiatische Entwicklungsbank arbeiten bei Ausschlusslisten zusammen. Dank dieser Kooperation reicht es oft aus, eine der Listen abzurufen (siehe Link am Ende des Beitrags). Die Einträge enthalten normalerweise den Namen und Firmensitz des Unternehmens, den Ausschlusszeitraum und die Gründe für den Ausschluss, wie etwa betrügerische Praktiken.

Ausschluss wegen schwerer beruflicher Verfehlungen

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht nur das genannte Unternehmen betroffen ist, sondern auch alle Gesellschaften, die direkt oder indirekt von diesem kontrolliert werden. Da die meisten gelisteten Unternehmen ihren Sitz außerhalb der Europäischen Union haben, sind die Ausschlusslisten für Vergabeverfahren in der Regel nur selten relevant. Eine Abfrage der Ausschluss- oder Sanktionslisten ist daher besonders sinnvoll, wenn Unternehmen aus Drittstaaten an den Vergabeverfahren teilnehmen, wenn es sich um sicherheitsrelevante Auftragsgegenstände handelt oder wenn die Auftragswerte besonders hoch sind.

Die Eintragung eines Unternehmens in die Ausschluss- oder Sanktionslisten internationaler Finanzinstitutionen führt nicht automatisch zu dessen Ausschluss aus Vergabeverfahren. Wenn öffentliche Auftraggeber erfahren, dass ein teilnehmendes Unternehmen in einer dieser Listen steht, kann möglicherweise ein Ausschlussgrund wegen einer „schweren beruflichen Verfehlung“ gemäß Paragraf 124 Absatz 1 Nummer 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Betracht kommen. Dabei muss die schwere Verfehlung des Unternehmens oder einer für das Unternehmen handelnden Person auch die Integrität des Unternehmens insgesamt infrage stellen.

Laut dem Europäischen Gerichtshof umfasst der Begriff der berufsbezogenen Verfehlung jedes fehlerhafte Verhalten, „das Einfluss auf die berufliche Glaubwürdigkeit des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers hat.“ Zudem muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Der verpflichtet öffentliche Auftraggeber dazu, eine konkrete und einzelfallbezogene Beurteilung der Verhaltensweise des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers auf der Grundlage aller relevanten Umstände vorzunehmen. Eine schwere berufliche Verfehlung muss im Einzelfall nachgewiesen sein, wobei die Darlegungs- und Beweislast beim öffentlichen Auftraggeber liegt. Dieser darf sich dabei nicht auf ungeprüfte Gerüchte oder Informationen Dritter verlassen. Bloße Vermutungen, Behauptungen oder vage Verdachtsmomente reichen nicht für einen Ausschluss aus.

Öffentliche Auftraggeber können sich bei der Bewertung vorgelegter Listen und Nachweise grundsätzlich auf etablierte Verfahren zur Verfolgung bestimmter Verstöße stützen, wenn spezielle Einrichtungen mit den Ermittlungen beauftragt sind.

Wert der Listen für Eignungsprüfung fraglich

Es bleibt jedoch fraglich, ob die Verfahren der internationalen Finanzinstitutionen, die zu einer Eintragung in die Ausschlusslisten führen, gewährleisten, dass sich mit diesen „nachweislich“ schwere Berufsverfehlungen im Sinne von Paragraf 124 Absatz 1 Nummer 3 GWB feststellen lassen. Obwohl die Rechtsprechung dies noch nicht eindeutig entschieden hat, gibt es gute Gründe für diese Annahme.

Als fristauslösendes Ereignis für den maximal dreijährigen Ausschlusszeitraum wird der in der Ausschlussliste vermerkte Beginn der von der internationalen Finanzinstitution gesetzten Ausschlussfrist gelten können. Hat das Unternehmen jedoch ausreichende Selbstreinigungsmaßnahmen nach Paragraf 125 GWB ergriffen, ist ein Ausschluss nicht mehr möglich.

Was das Gesetz dazu sagt

Paragraf 124 Absatz 1 Nummer 3 GWB lautet: „Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird; Paragraf 123 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.“

Mehr zum Thema: Die Ausschlussliste der Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

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