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So vermeiden Auftraggeber typische Fehler

Für öffentliche Auftraggeber ist eine sorgfältige Dokumentation des Vergabeverfahrens entscheidend.
imago images/Westend61)Stuttgart . Der Transparenzgrundsatz im Vergaberecht verpflichtet alle öffentlichen Auftraggeber dazu, alle Schritte eines Vergabeverfahrens zu dokumentieren. „Die Dokumentation soll einen mit der Sache befassten Dritten in die Lage versetzten, die einzelnen Entscheidungen des Auftraggebers nachzuvollziehen“, erklärte Corina Jürschik-Grau bei Oppenländer Rechtsanwälte in Stuttgart in einem Webinar des Staatsanzeigers. „Das dient einerseits dem Bieterschutz“, machte die Fachanwältin für Vergaberecht deutlich. So könnten Bieter die Einhaltung zur Dokumentation im Vergabenachprüfungsverfahren geltend machen. „Umgekehrt können Auftraggeber mit der Dokumentation nachweisen, dass sie das Vergaberecht eingehalten haben“, erklärte Jürschik-Grau. Damit besitze die Dokumentation für sie eine gewisse Beweisfunktion.
Ohne Dokumentation ist es, als hätte es nicht stattgefunden
„Selbst wenn Auftraggeber im Vergabeverfahren alles richtig gemacht haben, also ihr Ermessen ausgeübt und sich mit allen relevanten Punkten auseinandergesetzt haben: Wenn das nicht dokumentiert wurde, dann ist das, als hätte es nicht stattgefunden“, erklärte Rechtsanwältin Julia Felger, ebenfalls bei Oppenländer Rechtsanwälte. Eine fehlende oder lückenhafte Dokumentation könne ein Vergabenachprüfungsverfahren begründen, wie ein Urteil des OLG Karlsruhe zeigt (Beschluss vom 21. Juli 2010, 15 Verg 6/10).
Doch wie lässt sich eine rechtssichere Dokumentation sicherstellen? Dazu haben die beiden Juristinnen die Begrifflichkeiten „Vergabedokumentation, Vergabevermerk und Vergabeakte“ unter die Lupe genommen. „Die Vergabeakte enthält alle Dokumente, die mit dem Verfahren im Zusammenhang stehen, unter anderem die Vergabedokumentation und den Vergabevermerk“, sagte Jürschik-Grau.
Die Vergabeakte wird dann bedeutsam, wenn es zu einem Vergabenachprüfungsverfahren kommt. Dann bestehe allerdings nicht mehr die Zeit, die Vergabeakte erst noch anzufertigen und die Dokumentation zu schreiben. Man müsse sie unverzüglich der Vergabekammer herausgegeben. „Deshalb ist es wichtig, die Vergabeakte von Anfang an sauber zu führen“, so Jürschik-Grau.
Die Vergaberechtlerin riet, sich ein Muster anzufertigen. „Wenn man sich einmal die Arbeit damit gemacht hat, kann man es jeweils in den relevanten Passagen anpassen und so immer wieder verwenden.“ Das Vergaberecht gibt vor, was Auftraggeber mindestens dokumentieren müssen. „Oberhalb der EU-Schwellenwerte ergibt sich die Pflicht zur Dokumentation aus Paragraf 8 VgV, Paragraf 8 SektVO, Paragraf 6 KonzVgV, Paragraf 20 EU-VOB/A“, erklärte sie. Unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten Paragraf 6 UVgO, Paragraf 20 VOL/A, Paragraf 20 VOB/A.
Die Anforderungen sind jeweils vergleichbar, aber unterschiedlich streng, je nachdem, ob man oberhalb oder unterhalb der EU-Schwellenwerte ist. „Immer dann, wenn Auftraggeber einen Ermessens- oder Beurteilungsspielräume haben oder wenn sie sich auf eine Ausnahmevorschrift berufen wollen, dann müssen sie besonders sorgsam und aussagekräftig begründen und dies dokumentieren“, sagte Jürschik-Grau und meinte damit vor allem wettbewerbseinschränkende Ausnahmen.
„Wenn Sie den Auftrag ohne wettbewerbliches Verfahren vergeben wollen, also als Direktvergabe oder im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb oder einer Inhouse-Vergabe, dann müssen Sie Ihre Begründung dafür sorgfältig dokumentieren, weil Sie sich im Prinzip bewusst gegen den Wettbewerbsgrundsatz stellen und eine Ausnahme nutzen wollen, die tief in die Rechte von Bietern eingreift.“
Als Referenz, um eine rechtssichere Dokumentation aufzustellen, nannte Jürschik-Grau den Paragrafen 8 VgV, der für Liefer – und Dienstleistungsaufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte die strengsten Anforderungen an die Dokumentationsvorgaben stellt. Danach müssen sich Auftraggeber vor allem auf folgende Aspekte konzentrieren: „Die Kommunikation mit Unternehmen und in internen Beratungen, die Vorbereitung der Auftragsbekanntmachung und der Vergabeunterlagen, die Öffnung der Angebote, Teilnahmeeinträge und Interessensbestätigungen sowie Verhandlungen und Dialoge mit den Unternehmen sowie die Gründe für Auswahlentscheidungen und den Zuschlag.“ Im Baubereich gelten entsprechend die Vorgaben aus Paragraf 20 EU-VOB/A.
Vergabeverfahren durch Fehler in der Dokumentation rechtswidrig
Fehler in der Dokumentation können Auftraggebern gerade im Nachprüfungsverfahren auf die Füße fallen, sagte Rechtsanwältin Felger. Sie warnte vor einer doppelten Gefahr: „Schon durch die fehlende oder die nicht ausreichende Dokumentation ist das Vergabeverfahren rechtswidrig.“ Als Zweites bestehe die Gefahr, dass Bietern, wenn sie die Vergabeakte erhalten, Mängel im Vergabeverfahren offengelegt werden, die ihnen bis dato nicht bekannt waren. Besonders die Dokumentationsmängel seien für die Angreifer ein billiger Punkt.
Staatsanzeiger Akademie: Weiterbildung im Vergaberecht
Die Staatsanzeiger Akademie bietet praxisorientierte Weiterbildungen rund um das Vergaberecht an, die auf Bieter und Vergabestellen zugeschnitten sind. Das nächste Seminar richtet sich an Unternehmen und findet am 27. Mai zum Thema „Fehler im Ausschreibungsverfahren – von der Bieterfrage bis zur Rüge“ statt. Am 3. Juni zeigt ein Seminar für Mitarbeiter von Vergabestellen die Verfahrensarten für öffentliche Ausschreibungen auf.
