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Vergaberechtler: Ohne ein neues Denken könnten Infrastrukturpakete scheitern

Ralf Leinemann: Wir sollten uns zumindest bei größeren Projekten von der Fach- und Teillosevergabe verabschieden.
Christine Fiedler)Stuttgart/Berlin . Um die geplanten milliardenschweren Infrastrukturmaßnahmen der Bundesregierung schnell umzusetzen, rät Ralf Leinemann, Fachanwalt für Bau-, Architekten- und Vergaberecht von Leinemann Partner in Berlin, die Vergabeverfahren anzupassen. Ohne ein neues Denken könnten die Investitionspakete an den bestehenden Beschaffungsstrukturen scheitern, warnt er. „Wir haben Geld, aber nicht ausreichend Personal aufseiten der öffentlichen Auftraggeber.“
„Öffentliche Vergabestellen sind jetzt schon am Limit“
Die Finanzmittel in Höhe von 500 Milliarden Euro jeweils in die Infrastruktur sowie für die Verteidigung sollen zusätzlich eingesetzt werden. „Das wird über öffentliche Vergabestellen, egal ob Bundeswehr, Polizei, Bahn oder Autobahn-Gesellschaft, nicht zu schaffen sein“, so Leinemann. Die seien jetzt schon am Limit. Der Vergaberechtler sieht eine der maßgeblichen Stellschrauben in der Fach- und Teillosevergabe. Eine Beschleunigung von Bauvorhaben sei nur möglich, „indem wir uns zumindest für größere Projekte davon verabschieden“, sagte er dem Staatsanzeiger im Vorfeld des Bau-Vergabetags, wo er diese Idee am 22. Mai in Berlin vorstellte. Die Vergabe in Fach- und Teillose führe zu zersplitterter Verantwortung, Schnittstellenproblemen und erheblichen Verzögerungen. Es sei nötig, das im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Paragraf 97 Absatz 4) verankerte Gebot der Vergabe von Fach- und Teillosen für große Infrastrukturvorhaben durch eine Ausnahmeregelung einzuschränken.
Vorteile der Generalunternehmervergabe mit funktionaler Ausschreibung
Leinemann plädiert für eine Generalunternehmervergabe mit funktionaler Ausschreibung. Dabei beschreibt der Auftraggeber nicht detailliert, wie das Bauwerk im Einzelnen auszuführen ist, sondern legt lediglich die gewünschten Funktionen, Ziele und Rahmenbedingungen fest, die das fertige Bauwerk erfüllen muss. Wie die Lösungen konkret technisch, gestalterisch und wirtschaftlich umgesetzt werden, bleibt dem Generalunternehmer überlassen. Leinemann zufolge lässt sich so der gesamte Prozess der Konzipierung, der Planung und der Vergabe verkürzen. Dieses Vorgehen erspare dem Auftraggeber „enorme Ressourcen“. Gegenüber heutigen Abläufen bei komplexen Großprojekten, die fünf bis sieben Jahre dauerten, ließen sich so zwei bis drei Jahre einsparen.
Leinemann rechnet mit Widerstand seitens der mittelständischen Bauverbände. Das Vorgehen sei jedoch nicht mittelstandsfeindlich, findet er. „Selbst bei Großprojekten bauen am Ende die Mittelständler als Subunternehmer“, sagt er. Mittelständler hätten eine besondere Ausführungskompetenz gegenüber den Generalunternehmern, die oft gar keine gewerblichen Kräfte mehr beschäftigten.
Nebenangebote sollten generell zugelassen werden
Nach Meinung Leinemanns wäre es zudem sinnvoll, Nebenangebote generell zuzulassen: „Nebenangebote kitzeln einfach die Potenziale der ausführenden Unternehmen heraus“, sagt der erfahrene Baurechtler. Sie ermöglichen es Bietern, alternative, günstigere oder sonstwie vorteilhaftere Lösungen vorzuschlagen, die bei der Erstellung der Ausschreibung nicht bedacht wurden.