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Zuschlagsverbot

Vergaberechtsexperten protestieren gegen den Abbau von Bieterrechten

In einem offenen Brief wenden sich Vergaberechtsexperten gegen Pläne von Union und SPD, den Rechtsschutz von Bietern zu schwächen. Damit wollen die Koalitionäre überlange Verfahren bei Streitigkeiten mit öffentlichen Auftraggebern verkürzen. Dabei gäbe es den Kritikern zufolge "bessere Lösungen“, um die Verfahren zu beschleunigen.

Der Freiburger Jurist Justus Kampp verteidigt den aktuellen Rechtsschutz: Solange ein Rechtsmittelverfahren läuft, müsse das Zuschlagsverbot erhalten bleiben.

Privat)

Freiburg/Berlin . „Wir werden die Vergabe öffentlicher Aufträge beschleunigen, indem die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammern zu den Oberlandesgerichten entfällt.“ Das haben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen. Damit würde eine angefochtene Entscheidung sofort vollzogen werden können, ohne dass ein Rechtsmittelverfahren diese Umsetzung vorübergehend stoppen oder verzögern würde.

Eine angefochtene Entscheidung würde sofort vollzogen werden

Konkret betrifft dies die Vergabe öffentlicher Aufträge, bei denen normalerweise ein Zuschlagsverbot besteht, solange ein Rechtsmittelverfahren läuft. Gegen die Pläne der Koalitionäre in Berlin wendet sich eine Gruppe aus Vergaberechtsanwälten, Vergabepraktikern aus Verwaltung, Wirtschaft sowie der Rechtspflege in einem „offenen Brief“. „Deutschland braucht ein modernes, effizientes und rechtssicheres Vergaberecht – nicht den Abbau von Rechtsschutz“, fordert Justus Kampp, einer der Initiatoren. Er ist bei Bender, Harrer, Krevet Rechtsanwälte in Freiburg unter anderem im Vergaberecht tätig.

„Die von CDU/CSU und SPD geplante Abschaffung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde vor den Oberlandesgerichten ist ein massiver Angriff auf das Grundrecht auf einen gesetzlichen Richter nach Artikel 103 Grundgesetz, die Rechtssicherheit, den fairen Wettbewerb und die wirtschaftliche Effizienz der Vergabe öffentlicher Aufträge“, schreiben die Verfasser. Die Vereinfachung des Vergaberechts und mehr Spielräume zugunsten der öffentlichen Auftraggeber dürfe nicht mit einer Schwächung des Rechtsschutzes insbesondere für die Unternehmen (Bieter) einhergehen.

„Der Missstand liegt in den meist überlangen Verfahrensdauern in der ersten Distanz, nicht im Rechtsschutz vor den Oberlandesgerichten“, so Kampp. Nur in einem Fünftel aller Verfahren komme es zur Anrufung der OLG-Vergabesenate. Laut Kampp gebe es „bessere Lösungen“, um die Verfahren zu beschleunigen: Neben einer besseren Personalausstattung der Vergabekammern gehörten strukturierte und digitale Vergabeakten dazu. Überdies seien verpflichtende Videokonferenzen zur Verfahrensstraffung einzuführen.

Rechtsschutz kann Fehlentscheidungen verhindern

Die Verfasser sind überzeugt, dass der Rechtsschutz sogar Fehlentscheidungen verhindert: „Ohne diesen werden unwirtschaftliche Vergaben zunehmen, Schadensersatzklagen auf den entgangenen Gewinn (Ingsteel-Urteil, Rs. C-547/22) drohen.“ Das berge massive finanzielle Risiken für die öffentlichen Haushalte.

Zudem warnen die Verfasser vor massiven unionsrechtlichen Risiken: „Ohne aufschiebende Wirkung gibt es keine effektive gerichtliche Kontrolle. Vergabekammern sind keine Gerichte, sondern Spruchkörper der Verwaltung. Der Europäische Gerichtshof hat klargestellt, dass eine abschließende Entscheidung einer unabhängigen Instanz erforderlich ist.“

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