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Vergabezentrum

Interkommunale Vergabestellen: Was tun, wenn das Bauamt unter Druck ist?

Beispiele zeigen, dass die Zusammenarbeit in interkommunalen Vergabestellen Kommunen große Vorteile bringt. So gelingt es, nicht nur vergaberechtliches Fachwissen zu bündeln, sondern es lassen sich auch Kosten einsparen und die Rechtssicherheit in Vergabeverfahren erhöhen. Aber noch sind sie sehr selten.

Grafik zur Vergabestelle

Adobe Stock; Bild (Mitte) KI generiert mit Adobe Firefly/KS; Grafik: Herrgoß)

Stuttgart . Im Jahr 2020 haben vier hessische Kommunen ein Interkommunales Vergabezentrum eingerichtet. Bad Vilbel, Friedberg, Nidderau und Schöneck wollten so ihre Fachkompetenz bündeln, um die wachsenden vergaberechtlichen Anforderungen besser und vor allem rechtssicher zu bewältigen.

Seither hat das Interkommunale Vergabezentrum Bad Vilbel alle vergaberechtlichen Angelegenheiten übernommen: von der Beratung über die praktische Abwicklung der Vergabeverfahren, die Beantwortung von Bieterfragen, die formale und rechnerische Prüfung der Angebote bis hin zur Bekanntmachung des Zuschlags und der Unterstützung in Nachprüfverfahren.

Zentrale übernimmt Auftragsvergaben

Auf der Website des Vergabezentrums loben die vier Kommunen die Kooperation. Je nach Schwellenwert schreibt die Vergabestelle Liefer-, Dienstleistungen oder Bauvorhaben national oder international aus. Sie führt Interessenbekundungsverfahren durch und veröffentlicht die jeweiligen Ausschreibungen der einzelnen Mitgliedskommunen.

Dem Bauingenieur Markus Vogel aus Kappelrodeck (Ortenaukreis), schwebt ein solches Vorgehen auch für seine 6000-Einwohner-Gemeinde vor. „Als potenziell betroffener Bürger erlebe ich, wie das eigene Bauamt durch Pensionierung des früheren Bauamtsleiters massiv unter Druck ist, weil es im Moment kaum gelingt, ausreichend technisches Fachpersonal in die Verwaltung zu holen“, sagt Vogel, der mittlerweile Kommunen berät. „Das führt dazu, dass Bauabläufe und die Bauabwicklung ins Stocken geraten und Dienstleister nicht effizient arbeiten können. Solche Engpässe können in vielen Kommunen anderenorts genauso auftreten“, sagt er.

Vogel, der selbst 23 Jahre als Gemeinderat tätig war, wirbt dafür. die Probleme mit einer Interkommunalen Vergabestellen zu lösen. „In vielen kleineren und mittleren Kommunen sind die technischen Bauabteilungen personell nicht mehr in der Lage, die zunehmende Zahl immer spezifischer und anspruchsvoller werdenden Verwaltungsaufgaben zu bewältigen. Das hat mich dazu bewegt, mit unseren Bürgermeistern im Ortenaukreis das Gespräch zu suchen und ihnen die Möglichkeiten aufzuzeigen“, erzählt er. Vogel geht davon aus, dass Kommunen in Zukunft immer größere Schwierigkeiten haben werden, geeignetes Personal für die Verwaltung zu gewinnen, weil es am Arbeitsmarkt demografiebedingt nicht mehr zur Verfügung stehen wird. „Das ist auch vor Ort in der Kommune auf offene Ohren gestoßen. Doch die Mitwirkungsbereitschaft im Kreis ist verhalten“, berichtet Vogel enttäuscht.

Oft fehlt es gerade kleineren und mittleren Kommunen an Expertise, Vertragskonstruktionen für eine Interkommunale Zusammenarbeit zu entwickeln. „Die haben keine eigene Rechtsabteilungen oder Fachjuristen“, sagt Vogel. Vorbild könnten Zweckverbände sein, die es etwa für die Abfallentsorgung oder Abwasserbeseitigung gibt. Offen ist, ob man solche Konstrukte nutzen könnte, sie erweitert oder ganz neue Wege geht.

Bauingenieur Vogel ist auch Mitglied der Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). Der Landesverband in Stuttgart will einen runden Tisch anregen, um das Thema mit den kommunalen Landesverbänden und dem Landkreistag zu erörtern.

„Für kleinere Kommunen wäre eine Art Mustersatzung ideal“, sagt Vogel. „Eine interkommunale Dienstleistungseinheit, die rein kommunal getragen ist, würde sich für alle Bauherrenaufgaben eignen, die mit Bautechnik zu tun haben“, ist er überzeugt. Kommunen, die da Mitglied sind, könnten dann ihre Bauherrenaufgaben delegieren. Die Dienstleistungseinheit entwickelt dann für das jeweilige Fachgebiet Lösungen und schlägt sie der Verwaltung vor. Die Kommune bleibt dabei weiterhin Herr des Verfahrens, aber sie hält kein eigenes Personal vor, sondern nutzt die zentrale Dienststelle für ihre Zwecke. „Hier könnte auch der Vergabebereich ein Bestandteil sein, der für Kommunen üblicherweise einen großen Bürokratieaufwand bedeutet“, so Vogel.

Gemeindetag zeigt sich aufgeschlossen

Grundsätzlich zeigt sich auch der Gemeindetag dieser Idee aufgeschlossen. Den Gedanken eines gemeinsamen Vorgehens bei der Vergabe von Aufträgen für Bau-, Liefer- und Dienstleistungen, gibt es durchaus auch in Baden-Württemberg“, sagt Christian Manz, der beim Gemeindetag als Referent für das Vergaberecht zuständig ist. Er sieht dafür vielfältige Formen, wie sich das umsetzen lässt. „Man muss unterscheiden, ob das eine institutionalisierte Vergabestelle ist, die beispielsweise bei einem Verwaltungsverband, bei einer Gemeindeverwaltung oder einer Stadt angesiedelt ist“, sagt er. Daneben gebe es Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, die weniger institutionalisiert sind. „Das kann projektbezogen auf einen bestimmten Beschaffungsgegenstand oder ein bestimmtes Vorhaben ausgerichtet sein. Es kann aber auch regelmäßige Beschaffungsvorgänge umfassen“, so Manz. Konkrete Daten über solche Zusammenschlüsse von Kommunen würden für Baden-Württemberg aber nicht vorliegen.

Interkommunale Vergabestellen bieten zahlreiche Vorteile

Zu den Vorteilen einer Interkommunalen Vergabestelle gehört die Bündelung von Fachwissen und die Spezialisierung des Personals. Damit erhöhen sie auch die Rechtssicherheit von Vergaben. Zugleich fällt die Beauftragung externer Spezialisten für Auftragsvergaben weg. Vorteile gibt es auch auf der Kostenseite. So lassen sich Qualifizierungskosten für das Personal einsparen und ebenso Prozesskosten für Vergaben durch Bündelung der Nachfrage. Durch die Ausschreibung größerer Mengen lassen sich zudem günstigere Preise erzielen.

Markus Vogel, Ingeneur und Vergabeberater, Kappelrodeck

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