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Die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg seit 1952

Wer waren die Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg? Sehen Sie alle Ministerpräsidenten seit 1952 im Überblick.

Der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel (rechts) bei der Verleihung des Ehrentitels neben Winfried Kretschmann im Jahr 2015. Foto: Staatsministerium

Staatsministerium Baden-Württemberg)

STUTTGART. Der Ministerpräsident ist die starke Person der Landespolitik. Er bestimmt die Richtlinien der Politik und vertritt das Land Baden-Württemberg in seiner „kleinen“ Außenpolitik. Das starke Gewicht des Regierungschefs ist nicht zuletzt auf die Landtagswahlen zurückzuführen, die zunehmend den Charakter von Persönlichkeitswahlen gewonnen haben.

Zwar muss der Ministerpräsident wie alle anderen Bewerber in einem Wahlkreis antreten, aber er steht doch landesweit im Fokus der Medien und der öffentlichen Wahrnehmung. Hinter ihm senkt sich ein bisweilen langer medialer Schatten, in dem andere Politiker versuchen müssen, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Die Menschen stellen an einen Ministerpräsidenten den Anspruch, „Landesvater“ zu sein, der weise, gerecht und jenseits der Grenzen von „Freund und Feind“ die Interessen des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger vertritt.

Dieses Image des „Landesvaters ist ein nicht zu vernachlässigender Bonus und kann oftmals wahlentscheidend sein – und einige der Ministerpräsidenten in der Geschichte des Südweststaates konnten es aufweisen.

Sie sehen nun alle Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg seit 1952 im Überblick.

Winfried Kretschmann, seit 2011 (Grüne)

Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Seit 1980 ist Winfried Kretschmann – mit kurzen Unterbrechungen – Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg. Nur wenige dürften die Landespolitik so gut kennen wie er. Alle Ministerpräsidenten seit Lothar Späth hat er „ausgesessen“. Im März 2011 war dann die Sensation perfekt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wurde ein Grüner Regierungschef eines Bundeslandes.

Kretschmann selbst gilt auch bei Politikexperten als „Lichtgestalt“ mit Beliebtheitswerten, wie sie lange kein Ministerpräsident mehr im Land hatte – erneut also ein bodenständiger, volksnaher „Landesvater“ und ein „Typ“, der vielen als authentisch und „unverbogen“ gilt.

Wichtige Themen seiner bisherigen Regierungszeit waren der Abbau der Staatsverschuldung, Reformen in der Schul- und Hochschulpolitik, Energiewende und Klimapolitik, der Nationalpark im Schwarzwald, die Zukunft der Mobilität, die Polizeireform, Integration und natürlich das urgrüne Thema Bürgerbeteiligung, also die von Winfried Kretschmann verkündete „Politik des Gehörtwerdens“. Zuletzt wurde die politische Agenda in Baden-Württemberg von der Corona-Pandemie dominiert.

Stefan Mappus, 2010 bis 2011 (CDU)

Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Nur 15 Monate durfte der Pforzheimer Stefan Mappus in der Villa Reitzenstein residieren – so kurz wie kein anderer Ministerpräsident zuvor. In dieser kurzen Zeit hat er jedoch ein „Erbe“ hinterlassen, das seine Partei und die Landespolitik noch lange beschäftigen sollte, unter anderem mit parlamentarischen Untersuchungsausschüssen.

Mit pointierten Positionen gegen Homosexuelle, mit seiner Befürwortung der Atompolitik und nicht zuletzt mit dem Verzicht auf den Kauf von Steuerbetrugsdaten profilierte sich Mappus als Konservativer. Nachdem er den früheren politischen Berater des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch engagiert hatte, wusste man, dass sich Mappus auch als „Haudrauf“ zu profilieren gedachte.

In der Auseinandersetzung um „Stuttgart 21“ kam es im September 2010 zum „Schwarzen Donnerstag“, als zahlreiche Demonstranten im Stuttgarter Schlossgarten teilweise schwer verletzt wurden. Auch der Milliardendeal in Form des Rückkaufs von EnBW-Anteilen vom französischen Staatskonzern EdF zeigte Folgen. Mappus hatte geunkt, die „schwäbische Hausfrau“ werde begeistert sein, aber der Staatsgerichtshof urteilte sogar mit dem Verdikt des Verfassungsbruchs. Ein Image als „Landesvater“ konnte sich Mappus nie aufbauen. Bei der Landtagswahl 2011 wurde die CDU zwar stärkste Partei, aber Ministerpräsident wurde ein anderer. 

Günther Oettinger, 2005 bis 2010 (CDU)

Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Seit Lothar Späth war als ungeschriebene Regel der Landespolitik der Vorsitzende der Regierungsfraktion immer dem Ministerpräsidenten im Amt gefolgt. Auch Oettinger hatte als „Kronprinz“ unüberhörbar an der Tür der Villa Reitzenstein geklopft. 14 Jahre lang hatte er die CDU-Fraktion im Landtag geführt und strebte nun mit viel Ehrgeiz das Amt des Regierungschefs an.

Erstmals hatte die CDU eine Mitgliederbefragung durchgeführt, bei der er sich gegen die Kultusministerin Annette Schavan durchsetzen konnte. Im Vergleich zu seinem Vorgänger Teufel galt der gebürtige Stuttgarter als städtisch und modern. Die Schwerpunkte seiner Regierungsarbeit waren Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Bildung (unter anderem die Einführung von Studiengebühren) und Familie („Kinderland Baden-Württemberg“). Beim Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganztagsschule brachte er erste Reformen auf den Weg. Nicht zuletzt die Energiepolitik und die „Schuldenbremse“ waren ihm ein Anliegen.

Im April 2007 fiel der lange Schatten Filbingers auf Oettinger. In seiner Trauerrede hatte er den verstorbenen Amtsvorgänger als Gegner des NS-Regimes bezeichnet und dafür heftige Kritik geerntet. Auch das Vorhaben, mittelalterliche Kunstschätze aus den Beständen der Badischen Landesbibliothek zu verkaufen, stieß auf internationale Kritik. Im Februar 2010 wurde Oettinger EU-Kommissar.

Erwin Teufel, 1991 bis 2005 (CDU)

Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Der in Rottweil geborene Verwaltungsfachmann konnte die CDU-Alleinregierung nicht verteidigen, weil 1992 die rechtsextremen „Republikaner“ in den Landtag einzogen. Zwar sondierte er erstmals „Schwarz- Grün“, ging dann aber doch die eigentlich ungeliebte Große Koalition mit der SPD ein. Von 1996 bis 2005 führte er eine Koalition mit der FDP/DVP. Im Zentrum seiner Amtszeit standen Einsparungen in großem Stil, um die Neuverschuldung des Landes zu reduzieren und um Baden-Württemberg für die neuen globalen Herausforderungen zu positionieren.

Dazu gehörten auch große Infrastrukturmaßnahmen wie der Ausbau des Flughafens und der Messe in Stuttgart. Auch die Fusion der zuvor regionalen Energieversorger zur EnBW und die Verschmelzung der beiden „alten“ Rundfunksender zum neuen Südwestrundfunk (SWR) konnte er vollenden. Auch mit Strukturmaßnahmen in der Wirtschaftspolitik konnte Teufel Akzente setzen. Ein echter Coup war seine 2005 in Kraft getretene und von ihm persönlich stark geprägte Verwaltungsreform.

Der überzeugte Europäer vertrat auch die deutschen Länder im EU-Verfassungskonvent. Stetigkeit, Beharrungsvermögen und Detailkenntnisse, aber auch der direkte Draht zu den Menschen zeichneten seine Regierungsarbeit aus. Er ist der bislang am längsten amtierende Ministerpräsident in der Geschichte des Landes.

Lothar Späth, 1978 bis 1991 (CDU)

Foto: dpa/ZB/Karlheinz Schindler

Ruhelos und kreativ, wie er wahrgenommen wurde, erhielt der geborene Sigmaringer als Visionär, Modernisierer und Medienmensch rasch den Spitznamen „Cleverle“. Manche seiner „luftigen“ Ideen verpufften, aber die Bilanz der Vielzahl seiner Projekte ist durchaus positiv. Er galt als Motor des Kulturbetriebs, als Vorantreiber der Globalisierung, nicht zuletzt als Mentor der Forschungs- und Technologiepolitik.

Im Jahr 1985 wurden unter seiner Ägide das Landesmediengesetz und damit die Liberalisierung der Medienlandschaft umgesetzt. Auch die Fusion von Süddeutschem Rundfunk und Südwestrundfunk hatte er angestoßen. In der Europapolitik setzte er auch nach „außen“ Akzente. Allerdings musste er auch Niederlagen einstecken: Als Ministerpräsident musste Späth das Atomkraftwerk Wyhl endgültig ad acta legen. Auch den Bau der Daimler-Teststrecke in Boxberg verhinderten Bürgerinitiativen und das Bundesverfassungsgericht.

In seiner Amtszeit kamen im Jahr 1980 erstmals in einem deutschen Flächenland die Grünen in das Parlament. Späth sah in ihnen oftmals die „eigentliche“ Opposition und setzte sich intensiv mit den neuen Im- pulsen auseinander. 1991 musste der quirlige Landeschef aber überraschend zurücktreten, als Vorwürfe laut wurden, er habe private und Amtsinteressen verquickt, die sogenannte Traumschiff-Affäre.

Hans Karl Filbinger, 1966 bis 1978 (CDU)

Foto: dpa/DB/Karl Staedele

Der in Mannheim geborene Jurist war der erste Badener im Amt des Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg. Unter seiner Führung erlangte die Landes-CDU 1972 erstmals die absolute Mehrheit. Auch er konnte sich als echter „Landesvater“ mit hohen Zustimmungswerten profilieren, wenngleich nach den wirtschaftlich dynamischen Jahren der Ära Kiesinger eher Jahre der Konsolidierung anstanden. Bei der Volksabstimmung im Juni 1970 stimmten die Badener nachträglich mit großer Mehrheit der Bildung des Südweststaates zu. Baden-Württemberg war somit als „Bindestrichland“ endgültig vereint und Filbinger konnte sich dem inneren Ausbau des Landes widmen.

In seiner ersten Amtszeit konnte er als Chef einer Großen Koalition die Gebiets- und Verwaltungsreform umsetzen. Auch die lange umstrittene Konfessionsschulfrage wurde gelöst. In seiner zweiten Amtszeit folgten teilweise harsche Auseinandersetzungen über die Hochschulverfassung, den Umgang mit dem Terrorismus der RAF und die Energiepolitik. Filbingers Aussage, noch vor 1980 würden die Lichter im Land ausgehen, wenn das AKW Wyhl nicht gebaut werde, ist in die Geschichtsbücher eingegangen.

1978 musste der an sich erfolgreiche, streitbare und auch umstrittene Ministerpräsident wegen seiner Tätigkeit als Marinerichter am Ende des Zweiten Weltkriegs zurücktreten.

Kurt Georg Kiesinger, 1958 bis 1966 (CDU)

Foto: dpa/Alfred Hennig

Schon als Bundestagsabgeordneter hatte der gebürtige Ebinger Kurt Georg Kiesinger wichtige Initiativen zur Gründung des Landes Baden- Württemberg angestoßen. Der exzellente Redner und Außenpolitikexperte – Spitzname „Häuptling Silberzunge“ – ist der bislang einzige Ministerpräsident des Landes, der aus der Bundespolitik nach Stuttgart kam. Konziliant, umgänglich und weltgewandt, genoss er auch in der Landespolitik hohe Wertschätzung und große Beliebtheit. Die Diskussion über seine NS-Vergangenheit entfachte erst, als er 1966 Kanzler der ersten Großen Koalition in Bonn wurde.

Als „Landesvater“ liegen seine Verdienste vor allem in der Integration des noch jungen Landes. Nicht zuletzt die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen sowie wirtschafts- und finanzpolitische Fragen standen im Zentrum seiner Regierungsarbeit. Auch in der Bildungspolitik konnte er starke Akzente setzen. Der Ausbau der südwestdeutschen Universitätslandschaft, wie die Gründung der Universität Konstanz, war für ihn „Chefsache“. Anders als sein Vorgänger legte Kiesinger großen Wert auf Repräsentation und elegante Darstellung. Sein Regierungsstil entsprach den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen der „Wirtschaftswunderrepublik“ . 1966 folgte er Ludwig Erhard im Amt des Bundeskanzlers.

Gebhard Müller, 1953 bis 1958 (CDU)

Foto: dpa/Norbert Försterling

Sparsam, fromm und bodenständig, pflichtbewusst, gründlich und integer – so lässt sich der katholische Oberschwabe und Jurist Gebhard Müller charakterisieren. Er war einer der Vorkämpfer des Südweststaats und hätte eigentlich schon 1952 als Kandidat der stärksten Partei, der CDU, Ministerpräsident werden sollen. Im Amt verstand er sich selbst als „erster Beamter des Landes“. Mit diesem Amts- und Arbeitsethos prägte er die staatsrechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Grundlagen des Südweststaates.

Ein Herzensanliegen war ihm die Integration der unterschiedlichen Landesteile, die er als „gerechter Makler“ immer wieder auszutarieren wusste. Zu Beginn seiner Amtszeit wurde im November 1953 die Verfassung des Landes verabschiedet. Mit den sogenannten Aufbaugesetzen konnte das Land konsolidiert werden. Dabei löste Müller auch wichtige Fragen der Kultuspolitik, wie etwa die Lehrerbildung.

Ganz in seinem Amtsverständnis konnte seine „Allparteienkoalition“ aus CDU, SPD, FDP/DVP und BHE durch Kompromisslösungen zentrale Weichen stellen, um vom Grundsatz her ein „Staatsgefühl“ im neuen Land Baden-Württemberg zu schaffen. Als Müller „sein“ Land auf gutem Wege sah, folgte er 1958 dem bereits mehrfach erfolgten Ruf in das Amt des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts.

Reinhold Maier, 1952 bis 1953 (FDP/DVP)

Foto: dpa

Der Politikfuchs aus dem Remstal ist einer der Gründungsväter des erst 1952 gegründeten Baden-Württembergs. Liberal und konservativ zugleich, protestantisch grundiert und mit großer politischer Erfahrung noch aus der Weimarer Zeit, genoss er großes Vertrauen und Beliebtheit in der Bevölkerung. In einem Politschachzug hatte er die CDU als stärkste Partei unter seinem Gegenspieler Gebhard Müller 1952 auf die Oppositionsbank verwiesen und war eine Koalition mit der SPD und der Vertriebenenpartei BHE eingegangen.

Konfessionelle Gegensätze waren dabei auch im Spiel, denn die CDU wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem als katholische Partei wahrgenommen. Maier führte seine FDP im „Stammland des Liberalismus“ fast an die 20-Prozent-Marke heran und sorgte dafür, dass die Liberalen auch für Konservative eine Wahloption waren. Es war auch sein Verdienst, dass die Mitglieder in der Verfassunggebenden Landesversammlung trotz recht unterschiedlicher Positionen rasch zu sachlicher Arbeit zusammenfanden und bis Ende 1953 die Verfassung des neuen Landes erarbeiteten.

Im November 1953 machte Maier die Bundestagswahl zum Plebiszit über seine Landespolitik – und verlor. Nach dem Wahlsieg der CDU räumte er seinen Amtssitz. 

Quelle/Autor: Rainhold Weber

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