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Kolumne: Florian Zejewski

Die Windmühlen des Verwaltungsalltags

Warum haben Beamte so einen notorisch schlechten Ruf? Spott über Mitarbeiter in Ämtern und Behörden ist leicht, dabei arbeiten viele dort hart und versuchen, möglichst alles möglich zu machen, meint unser Verwaltungspunk. 

Spott über Mitarbeiter in Ämtern und Behörden ist leicht, dabei arbeiten viele dort hart und versuchen, möglichst alles möglich zu machen, meint unser Verwaltungspunk.

Imago/Privat/Montage: Staatsanzeiger)

Wissen Sie, was verrückt ist? Ständig für Dinge verantwortlich gemacht zu werden, die wir so wenig steuern können wie den Montag. Warum sehen wir fast alles negativ? Warum nörgeln die Leute? Es gibt doch viele Gründe zur Zufriedenheit. Hände und Kopf sind noch dran, der Magen ist voll. Also alles gut, oder?

Beginnt man über Beamte zu schreiben, kommt man kaum um Klischees und Beamtenwitze herum. Stets aufs Neue findet sich Nahrung für Zynismus und Kritik – Beamtenmikado, wer sich bewegt, verliert.

Der Einsatz der Kettensäge hilft niemandem

Ist das immer noch so? Oder besser: War das jemals so? Ich bin Verwaltungspunk. Klar, das klingt so wie schnelle Genehmigung und ja, viele von uns in der Verwaltung kämpfen gegen Windmühlen, das macht manchen sogar Freude – und da hilft es nicht, dass Leute von Rechtsaußen fordern, alle Windmühlen ganz abzuschaffen. Es gibt die autoritäre Versuchung, dass man Dinge einfach anpackt, umsetzt und weder auf Mitarbeiter:innen, Bürger:innen noch die Rechtslage Rücksicht nimmt – ab und an gibt es eine Führungskraft, die das so sehen und alles beschleunigen will, ohne die Prozesse und die Rechtslage zu verstehen, ohne Wertschätzung für die Leistungen der Vergangenheit. Doch mit der Forderung nach der Kettensäge ist niemandem geholfen.

Spott über die Verwaltung ist leicht. Doch sitzen in den Ämtern Menschen: Menschen mit Rückenschmerzen vom Sitzen, Herzklopfen vom Antragsstau und Augenringen von der Haushaltsverhandlung. Menschen, die trotz allem den Pass noch schnell ausstellen, den Bauantrag prüfen und die Elternzeit korrekt berechnen – obwohl das Excel-Formular aussieht wie ein mathematischer Rohrbruch. Wenn ein Bürger ruft: „Hier ist alles ein Irrenhaus!“, dann sagen wir: „Danke, wir versuchen, es trotzdem wohnlich zu gestalten.“

Behördenmitarbeiter haben selbst mit den Widrigkeiten zu kämpfen

Was Verwaltung und Punk verbindet? Beides ist ein Akt des Widerstands. Punk schreit gegen das System. Verwaltung hält es irgendwie zusammen, mit Büroklammern und Haltung. Beides braucht Mut. Den Mut, auf Zuständigkeiten zu bestehen, wenn alle längst den Überblick verloren haben. Den Mut, „Nein“ zu sagen, obwohl „ja“ bequemer wäre. Und den Mut, weiterzumachen.

Ich grüße alle Kolleg*innen da draußen – die Formulare stempeln, Pläne prüfen und Beschlüsse sortieren. Ihr seid nicht die Zahnräder des Systems. Ihr seid die Stoßdämpfer. Und wenn wieder einer fragt: „Warum dauert das so lange?“, dann lächelt, zeigt auf den Aktenberg und sagt: „Weil wir’s richtig machen. Nicht schnell. Nicht laut. Aber mit Würde.“

Zur Person

Florian Zejewski residiert in Hamburg und nennt sich selbst „Verwaltungspunk“ und will unkonventionelle Ideen in den öffentlichen Dienst einbringen. Er hat in Mannheim, Tübingen und Bielefeld studiert und berät Kommunen, Behörden oder Hochschulen für bessere Prozesse.

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