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Frühe Hilfen: Campingbus wirbt für soziale Angebote

Im Landkreis Reutlingen war ein Tourbus für Frühe Hilfen unterwegs. Das niedrigschwellige Angebot soll die Beratungsangebote für Schwangere und junge Familien bekannter machen. Die Idee kehrt ein althergebrachtes Prinzip um: Der Mensch kommt nicht zur Beratung, das Angebot kommt zum Menschen.
Bus auf Parkplatz

Mit seiner bunten Aufmachung war der Infobus für die Frühen Hilfen im Kreis Reutlingen ein echter Hingucker.

LANDRATSAMT REUTLINGEN)

REUTLINGEN. Wer ein staatliches Beratungsangebot nutzen möchte, muss in der Regel an den Ort kommen, wo die Beratung stattfindet. Selten kommt die Beratung zu den Menschen. Im Landkreis Reutlingen war vor Kurzem an drei Tagen ein Tourbus für Frühe Hilfen unterwegs. Damit sollten vor allem die Menschen im ländlichen Raum des Landkreises Reutlingen erreicht werden. „Das ist gelungen“, sagt die Kindheitspädagogin Jessica Streicher von den Frühen Hilfen im Landratsamt Reutlingen, „die Organisation im Vorfeld war aber auch mit viel Aufwand verbunden.“ Den Bus, ein Campingvan, hatte das Nationale Zentrum Frühe Hilfen mit Sitz in Köln kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Jessica Streicher und ihre Kolleginnen besuchten drei Tage Engstingen, Münsingen und Bad Urach. Ausgesucht hatten sie sich wenig einladende, dafür aber publikumsstarke Parkplätze von Supermärkten in den drei Orten, die zwischen 5200 und 14 700 Einwohnern haben und im Zentrum, im Osten und Nordosten des Landkreises liegen. 19 von 28 Orten im Landkreis haben unter 10 000 Einwohnern.

Niedrigschwelliges Angebot für Schwangere und Familien

Um die Erstberatung wahrzunehmen, ist weder Anmeldung noch Antrag nötig. „Die Frühe Hilfen sind eine freiwillige Sache und die Frauen oder Familien entscheiden selbst, ob sie das Angebot wahrnehmen und wie lange sie es nutzen möchten“, so Streicher. Die Zielgruppen müssen aber von den Möglichkeiten erfahren. Und daran hapert es manchmal, wenn die Zielgruppen nicht zufällig auf die Angebote stoßen.

Genau das leistet der Tourbus, der für bestimmte Termine gebucht werden kann. Er hat ein Vordach, eine Theke und kleine Spielmöglichkeiten für Kinder. Und außerdem jede Menge Informationsmaterial über Frühe Hilfen. „Das haben wir durch unsere eigenen Flyer vom Landkreis ergänzt“, berichtet die Mitarbeiterin im Landratsamts. Ebenfalls mit dabei: zwei Fachkräfte des Nationalen Zentrums und ein Fahrer, der den Camper steuert. Außerdem war der Landkreis mit zwei weiteren Fachkräften vor Ort und dem Vertreter eines Partners aus dem Netzwerk Frühe Hilfe im Landkreis. Dieses Netzwerk zu pflegen, ist neben den Beratungsgesprächen mit Schwangeren und Familien eine der weiteren wichtigen Aufgaben von Jessica Streicher.

Frühe Hilfen setzen möglichst frühzeitig an

Unterstützung durch Beratung und andere Angebote für Schwangere und Familien mit Kindern bis drei Jahre ist seit 2012 in Paragraf 1 des Bundeskinderschutzgesetzes vorgegeben. Ziel ist, das „Wohl von Kindern (…) zu schützen und ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung zu fördern“. Der Staat will mit Information, Beratung und Hilfe dabei unterstützen. Kern sei ein möglichst frühzeitiges, koordiniertes und multiprofessionelles Angebot.

Der Tourbus, so sagt die Kindheitspädagogin, müsse nicht auf Parkplätzen von Supermärkten stehen. Allerdings brauche es mindestens 30 Quadratmeter Platz. Es biete sich an, ein Fest im Ort zu nutzen, ein Kinder- und Familienzentrum oder ein Gesundheitszentrum. „Man sollte dort aufschlagen, wo Familien sind“, meint Streicher.

Das Umfeld von Supermärkten sei von der Frequenz her ein guter Standort, das Prozedere im Vorfeld gestalte sich allerdings aufwendig. In der Regel könnten die Filialleiter nicht die Entscheidung darüber treffen, ob die Frühen Hilfen auf dem konzerneigenen Parkplatz ihre Zelte aufschlagen können. „Wir haben im November mit den Planungen begonnen“, sagt sie. Die Termine fanden dann Mitte Juni statt.

Trotz des Aufwands habe sich die Aktion gelohnt – vor allem durch aktives Ansprechen von Menschen. „Wir konnten den Begriff der Frühen Hilfen viel bekannter machen und transportieren, was damit gemeint ist.“ Die Resonanz sei überaus positiv gewesen. „Toll, dass es sowas gibt“, sei eine häufige Reaktion gewesen. Klar, dass man in diesem Format keine intensiven Beratungsgespräche führen könne. Die finden idealerweise im Anschluss statt. Es habe schon erste Rückmeldungen von Personen gegeben, mit denen man am Bus habe sprechen können.

Nach dem Erstgespräch folgen passende Hilfsangebote

Mit ihnen kann nun – ganz klassisch – ein erstes Gespräch am Telefon oder auch vor Ort geführt werden. Das hat zum Ziel, die Problemlage genauer zu erörtern. „Wir können noch in dieser Erstberatung weitere Hilfen oder Beratungsstellen empfehlen, die unterstützen.“ Auch dann, wenn längerfristige Hilfen notwendig werden, etwa bei Familienhebammen oder Gesundheits- und Kindheitspflegerinnen, vermitteln die Frühen Hilfen Fachkräfte.

Quelle/Autor: Marcus Dischinger

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