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Ganz schön extrem: Von Bauverzögerungen und gesellschaftlichen Scheren

Kolumnistin Jule Rona Eccard blickt auf Verzögerungen bei Stuttgart 21 und gesellschaftliche Scheren.
imago/Silas Stein, Montage: Rieke Stapelfeldt)Dass wir in einer polarisierten Gesellschaft leben, in der allerlei Extreme immer weiter auseinanderklaffen, ist ja nichts Neues.
Und damit meine ich jetzt nicht, dass die bundesweit für ihre Bauverzögerung bekannte Elphi in Hamburg nach knapp sieben Jahren Bauzeit eröffnet wurde, während Ministerpräsident Oettinger und Stuttgarts OB Schuster den symbolischen Baubeginn für unser kleines Bahnprojekt im Südwesten schon gefeiert haben, als ich in der 8. Klasse war. (Die Kids, die erst geboren wurden, nachdem diese Herren beide nicht mehr im Amt waren, kommen vermutlich im nächsten Schuljahr in die achte und verbinden mit diesen beiden Posten längst andere Namen.) Trotz einiger Verzögerungen im Betriebsab- bzw. Lebenslauf meinerseits besitze ich mittlerweile Urkunden für einen Bachelor- und einen Masterabschluss und konnte zumindest mein Vorhaben umsetzen, mal in eine andere Gegend zu ziehen, bevor S21 fertig wird – was ja wiederum nicht geklappt hätte, wenn sich der Bahnhof an den Zeitplan gehalten hätte, also soll mir das Recht sein. Mal schauen, ob ich auch den Doktortitel vor der vollständigen Eröffnung schaffe.
Gesellschaftliche Scheren werden immer größer
Wo war ich? Extreme! Ein Paketzusteller arbeitet laut Verdi oft unter Mindestlohn , ein Prüfer am Europäischen Rechnungshof dagegen anscheinend für 27.000 Euro . Okay, Äpfel mit Birnen verglichen. Anderes Beispiel: Die einen jammern wegen der Grundsteuer, die anderen können trotz Vollzeitjob nur ein WG-Zimmer mieten und das Kaufen irgendeiner Immobilie während ihrer Lebenszeit eh vergessen. Das Muster lässt sich übrigens besonders in den USA gut beobachten. Handfestes Exempel aus der Verwaltung: Mancherorts hagelt es Überlastungsanzeigen oder es wird bis zum Burnout geackert, anderswo herrscht karikatureskes Beamtenfaulenzertum, darüber wird sich zum Beispiel auf Reddit munter ausgetauscht. Wünschenswert wäre ja, wie so oft und eigentlich immer, ein bisschen Balance. (Immer gerne her mit den Lösungsvorschlägen!)
Innere Mitte trotz Extremen
Ich freue mich jedenfalls schon darauf, meine innere Mitte und Gelassenheit nächsten Monat auf Heimatbesuch im Fern- und Regionalverkehrsangebot von DB, SWEG & Co. wieder zu erproben – auch wenn ich dafür und noch bei vielen weiteren Besuchen weiterhin den Stuttgarter Fernwanderweg in Kauf nehmen muss. So gerne wir (Süd-)Deutschen ja on- und offline darüber lästern, dass wir das Leben zu oft in zu vollen Zügen genießen: Man vermisst sowas erst, wenn man es nicht mehr hat – und zwar extrem.
Zur Person
Jule Rona Eccard gehört zu den Jahrgängen zwischen den Millennials und der Generation Z und ist auch sonst in mehreren Welten zu Hause: Sie arbeitet als Online-Redakteurin beim Staatsanzeiger und studiert außerdem Rhetorik und Literaturwissenschaft in Tübingen. Davor hat sie nach ihrem Abschluss in Kommunikationswissenschaft im Marketing gearbeitet – „irgendwas mit (Online-)Medien“ ist also ihr Spezialgebiet.