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Kolumne: Florian Zejewski

Gedanken beim Kartoffelschälen

Schwer beeindruckt hat unseren Kolumnisten Florian Zejewski ein Kunstprojekt, das jemanden beim stundenlangen Kartoffelschälen zeigte. Daraus entsteht ein bunter Reigen von Gedanken über Geduld und Langeweile, Frustrationstoleranz und Gemeinschaftsgefühle.
Hände schälen Kartoffel mit Schäler, Porträt eines Mannes im Kreis eingeblendet.

Florian Zejewski residiert in Hamburg und nennt sich selbst „Verwaltungspunk“ und will unkonventionelle Ideen in den öffentlichen Dienst einbringen. Er hat in Mannheim, Tübingen und Bielefeld studiert und berät Kommunen, Behörden oder Hochschulen für bessere Prozesse.

Dali Images via Canva.com, Porträtfoto: Privat)

Vor vielen Jahren sah ich eine Comedy-Dokumentation über das Kartoffelschälen , die über sechs Stunden ging. Dort passierte nichts. Jemand schälte Kartoffeln: nicht mehr, nicht weniger. Ein Kunstprojekt, um Langeweile und Zeit zu verdeutlichen. Daran denke ich oft und gern zurück.

Kartoffelschälen? Ein banaler Akt, möchte man meinen. Doch mit jeder Kartoffel, die geschält im Eimer landet, kommt mir ein Gedanke: Was ist eigentlich mein Einfluss – bei der Kartoffel und in der Verwaltung? Kann ich kontrollieren, ob die Kartoffeln perfekt gelingen? Oder muss ich mich, frei nach dem Gelassenheitsgebet, darauf konzentrieren, die Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann – und dort Verantwortung zu übernehmen, wo ich tatsächlich etwas bewirken kann?

Ich koche am liebsten Kartoffelsuppe, manchmal vergesse ich sie auf dem Herd oder versalze sie, und wenn es schnell gehen muss, mache ich auch mal eine Dose auf. Denn auch eine Kartoffelsuppe braucht etwas Zeit und Fürsorge und wenn es misslingt  – Frustrationstoleranz. Der „ Herbst der Reformen “ ist bald vorbei. Danach kommt der „Winter der Reformen“. Gefühlt passiert gar nichts mehr. Die Euphorie ist verpufft. Also brauchen wir Resilienz, was nicht heißt, still zu erstarren, sondern Spannkraft zu entwickeln. Aushalten lernen und Kartoffeln schälen, bis die Zeit gekommen ist.

Wer Kartoffelsuppe kocht, weiß: Man muss erst Geduld haben, die Kartoffeln würfeln, die Zwiebeln glasig braten, alles zusammen köcheln lassen. Dann entfaltet sich aus purer Langeweile und Tristesse in Topform ein warmes Gefühl im Bauch und das Gefühl von Gemeinschaft im Miteinander, und man schätzt den einfachen und herzhaften Geschmack. Doch auch die Langeweile im Prozess hat einen irren Reiz. In der Langeweile kommen die verrücktesten und genialsten Ideen zustande.

Wie etwa folgendes Gedicht:

Kartoffeln auf dem Fensterbrett, der Wind weht kalt, die Zeit geht nett. Ein Löffel Suppe, warm und klar, macht Winterwarten wunderbar.

Nun gut, das war der Verwaltungspunk, überlassen wir es lieber den lyrischen Meistern, wie Rilke: „Und jetzt lass uns zu der leisen Küche gehn, dort, wo die Dinge warten, still und gut.“

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