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Heinrich Haasis: Der Architekt der Sparkassenwelt

Heinrich Haasis hat die baden-württem- bergische Sparkassenlandschaft tiefgreifend geprägt.
Ute Grabowsky/photothek.net)Stuttgart . Wer mit Heinrich Haasis spricht, trifft auf einen Mann, der aus einem riesigen Erinnerungsschatz schöpfen kann: Von der Kindheit und Ausbildung im Zollernalbkreis, seiner Zeit in den 1970er-Jahren als Bürgermeister in Bisingen und später in den 80ern als Landrat. Von 1976 bis 2001 war er als enger Vertrauter von Ministerpräsident Erwin Teufel aktiv für die CDU im Landtag.
Vor allem gilt Haasis als Architekt und Visionär der Sparkassenorganisation. Erst 2024 hat er seinen Vorstandsposten bei der Deutschen Sparkassenstiftung nach zwölf Jahren im Ehrenamt aufgegeben. Am 13. Mai wird im Sparkassenverband in Stuttgart sein 80. Geburtstag gefeiert.
Wahlkampf unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Hans Filbinger
Haasis wurde am 21. April 1945 geboren. „An dem Tag, als die Franzosen in unser Dorf einmarschierten“, erzählt er. „Meine Mutter hat das damals in ihre Bibel geschrieben.“ Der Junge wuchs in Streichen bei Balingen auf, einem Dorf mit 300 Einwohnern. „Der Pfarrer hat insistiert, dass ich aufs Gymnasium gehe“, sagt er. Im Anschluss besucht er die Verwaltungsschule. Er habe dieselbe sechsjährige Ausbildung gemacht wie Erwin Teufel, sein späterer Freund und Parteikollege.
Als Verwaltungswirt fängt Haasis bei der Stadt Nürtingen an. Mit 25 Jahren nimmt er Anlauf bei der Bürgermeisterwahl in Bisingen. Und gewinnt 1971. Fünf Jahre später tritt er für die CDU zur Landtagswahl an. „1976 war mein erster Wahlkampf unter Ministerpräsident Hans Filbinger.“ Die CDU fuhr mit knapp 57 Prozent ihr bestes Wahlergebnis ein. Haasis holt in seinem Wahlkreis in Balingen 62 Prozent der Stimmen.
Als junger Abgeordneter erlebt er auch Lothar Späth als Ministerpräsident, der 1978 nach Filbingers Rücktritt an die Macht kommt. „Ich war damals mit 30 der Jüngste und hatte Glück, dass Späth mich in seinen engen Kreis holte.“ Haasis konzentrierte sich auf innenpolitische Themen. Erste Bewährungsprobe: das schwere Erdbeben vom 3. September 1978 auf der Schwäbischen Alb. „Nur zehn Jahre zuvor hatte der Landtag entschieden, auch Erdbebenschäden in die Gebäudeversicherung aufzunehmen“, erinnert sich Haasis. Jetzt waren Hunderte von Gebäuden betroffen. „Die Schäden haben wir schnell abgewickelt. Damit habe ich mir wohl einen Namen gemacht.“
Als Erwin Teufel unter Späth Fraktionsvorsitzender wird, wird Haasis zu seinem Stellvertreter. Er erlebt die beiden Spitzenpolitiker hautnah: „Späth war der Schnelle, Flinke. Teufel der Grundsatztreue“, erzählt er. „Mit beiden konnte ich gut, aber sie waren grundverschieden, in der Art, wie sie an Politik rangingen. Weil ich immer zwischen beiden unterwegs war, hat man mich als den wandelnden Vermittlungsausschuss bezeichnet.“
1991 will Späth Haasis zum Innenminister machen. Doch der lehnt ab. Haasis liebäugelte mit den Sparkassen. Er wird ins Amt des Präsidenten des Württembergischen Sparkassen- und Giroverbands gewählt. Auch Späths Nachfolger, Erwin Teufel, drängt ihn, in die Regierung zu wechseln. Aber Haasis bleibt stur. „Wir sind damals ein bisschen aneinandergeraten“, erinnert er sich. Dennoch gestalteten die Freunde gut 20 Jahre die Politik in der Fraktion.
Als Haasis die Spitze des Württembergischen Sparkassen- und Giroverbands übernimmt, gibt es noch erhebliche Animositäten zwischen den badischen und württembergischen Sparkassen. Dennoch drängt er auf eine Konsolidierung der beiden Verbände. „Ich traf jedoch auf große Vorbehalte“, sagt er. Erst als die staatliche Gebäudeversicherung auf Druck der EU verkauft werden sollte, kam Bewegung ins Spiel. „Ich habe dafür geworben, dass wir sie kaufen.“ Gemeinsam erwarben Badener und Württemberger das Unternehmen und gründen eine Holding. 1998 entsteht daraus die SV Sparkassenversicherung in Stuttgart.
„Über die Gremien in der Versicherung trafen sich Badener und Württemberger immer wieder“, erzählt Haasis. Er habe jede Gelegenheit genutzt, um für eine Fusion zu trommeln. Im Januar 1999 gelingt ihm zusammen mit Erwin Teufel zuerst ein ganz anderer Coup: Die Fusion von Südwest LB, Landesgirokasse und Landeskreditbank zur Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). „Erwin Teufel und ich haben damals nächtelang gestritten“, erinnert sich Haasis. Vor allem um die Eigentümerstrukturen von Land und Sparkassen. Wenig später folgte der nächste Streich. Am 1. Januar 2000 wurden die LBS Baden und die LBS Württemberg zur LBS Landesbausparkasse Baden-Württemberg zusammengeführt. Die Krönung aber gelang 2001. Unter Haasis ’ Führung gingen die badischen und württembergischen Verbände zusammen: zum heutigen Sparkassenverband Baden-Württemberg (SVBW).
Schon während seiner Präsidentschaft in Baden-Württemberg wird Haasis in den Vorstand des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands gewählt. 2006 wird er Präsident der mächtigen Bankengruppe. Auch hier reformiert, fusioniert und modernisiert er und baut seine Macht aus. „In dieser Funktion haben Sie mit allen Verbänden in der ganzen Republik zu tun. Alle kennen Sie und Sie kennen alle“, sagt Haasis.
Kampf mit der EU und Konsolidierung der Landesbanken
Der Kampf mit der EU, der die öffentlich-rechtlichen Sparkassenstrukturen ein Dorn im Auge sind, wird für Haasis ebenso zum Schwerpunkt wie die Konsolidierung der Landesbanken. Zu Beginn seiner Amtszeit gab es noch elf, am Ende waren es noch sechs. Bis 2012 war Haasis an der Spitze der Sparkassen. Doch auch im Ruhestand blieb er der Sparkassenidee treu. Als Präsident des Weltinstituts der Sparkassen und als Vorstandschef der Deutschen Sparkassenstiftung. Zu seinen Ehren hat der aktuelle Sparkassenpräsident Matthias Neth am 13. Mai zu einem Empfang in Stuttgart geladen. Dort soll sein Lebenswerk im Kreise von Weggefährten, politischen Repräsentanten und der Sparkassenfamilie gewürdigt werden. „Heinrich Haasis hat nicht nur das institutionelle Gefüge der Sparkassen-Finanzgruppe entscheidend geprägt. Gerade in Baden-Württemberg wirken seine geglückten Weichenstellungen bis heute“, sagt Neth.
Zur Person
Heinrich Haasis war mehr als 43 Jahre in verschiedenen Funktionen in der Sparkassen-Finanzgruppe tätig. Der Verwaltungswirt aus Streichen bei Balingen war von 1981 bis 1991 Landrat des Zollernalbkreises und von 1976 bis 2001 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg. Von 1981 bis 2001 war er stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. 1991 übernahm Haasis das Präsidentenamt des Württembergischen Sparkassen- und Giroverbands.
Sein wichtigster Erfolg war die Zusammenführung der zerklüfteten Sparkassenorganisationen im Südwesten. Zusammen mit Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) gilt Haasis als Baumeister der Landesbank Baden-Württemberg. 2001 gelingt ihm die Fusion der beiden Verbände Württemberg und Baden zum Sparkassenverband Baden-Württemberg, dessen erster Präsident er wurde. Ab 2006 wird er Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands.
