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Frank Nopper: „Auch ein Oberbürgermeister ist nur ein Mensch“

Oberbürgermeister Frank Nopper im Gespräch mit dem Staatsanzeiger: "Es bleibt nichts anderes übrig, als Überzeugungsarbeit zu leisten."
Achim Zweygarth)Staatsanzeiger: Herr Nopper, Sie waren 19 Jahre Oberbürgermeister von Backnang, was ist der größte Unterschied?
Frank Nopper: In Stuttgart ist alles größer und politischer. Im Gemeinderat sind viele Stadträte in Vollzeit tätig, während in Backnang mit knapp 40.000 Einwohnern alle ehrenamtlich arbeiten. Ein großer Unterschied, der mich schmerzt, ist auch: In einer Stadt wie Backnang mit über 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann man auf fast jede große kommunalpolitische Entwicklung Einfluss nehmen. In Stuttgart dagegen muss man sich damit abfinden, dass dies nicht möglich ist. Auch bei den Haushaltsberatungen gibt es große Unterschiede. In Stuttgart hat man über viele Jahre gute Zeiten erlebt – der letzte Sparhaushalt liegt 15 Jahre zurück. In Backnang musste man immer sparen.
Stuttgart muss sparen, Gebühren werden erhöht. Was haben Sie geplant?
Wir müssen fast überall sparen. Darüber hinaus müssen wir auch die Einnahmesituation verbessern. Wir wollen und können keine abrupte Vollbremsung vornehmen , sondern lediglich eine kontrollierte, allerdings für alle spürbare Bremsung. Wir werden nicht daran vorbeikommen, die bereits im Jahr 2019 beschlossene Bettensteuer jetzt tatsächlich einzuführen und umzusetzen, Gebühren aller Art, Mieten und Pachten zum Teil nach vielen Jahren anzupassen.
Sind sonst Steuererhöhungen geplant?
Ob wir nach den dramatischen Gewerbesteuer-Einbrüchen an weiteren Steuererhöhungen vorbeikommen, kann ich heute noch nicht sagen. Mir ist bewusst: Nach der Grundsteuerreform wäre ein weiteres Drehen an der Steuerschraube nur schwer vermittelbar. Und bei der Gewerbesteuer wäre das aus meiner Sicht das falsche Signal, unsere Unternehmen stehen wirtschaftlich ohnehin unter Druck.
Sie sind jetzt die Hälfte der acht Jahre im Amt. Was sind die Erfolge?
Die Stadt ist an verschiedenen Stellen attraktiver geworden – beispielsweise durch einen neu gestalteten Marktplatz und ein neues Haus des Tourismus, durch einen neuen Bahnhofsvorplatz in Bad Cannstatt, durch eine neue Freitreppe vor dem Stadtpalais. Mit dem Baubeginn für das Neckarufer in Untertürkheim haben wir zudem einen ersten Schritt gemacht, um die Stadt näher an den Neckar zu bringen.
Die Digitalisierung der Stadtverwaltung dauert, wie kommen Sie voran?
Wir haben einen Siebenmeilenschritt gemacht in Sachen Digitalisierung: mit der Gründung des Amts für Digitalisierung, Organisation und IT, mit der massiven Verstärkung der Digitalisierung an Schulen sowie nicht zuletzt innerhalb der gesamten Verwaltung. Überdies haben wir für mehr Sicherheit in der Stuttgarter Innenstadt gesorgt – unter anderem mit der Einrichtung einer Waffenverbotszone im Cityring sowie mit Videoüberwachung im Umfeld des Schlossplatzes gegen anfängliche Widerstände im Gemeinderat.
Stuttgart hat mit München die höchsten Wohnkosten bundesweit …
Die Stadt kann nur insoweit gegensteuern, dass wir zusätzlichen Wohnraum schaffen. Dies haben wir mit einer kräftigen Kapitalspritze für die städtische SWSG getan. Diese kann damit mehr als 2000 zusätzliche Wohnungen mit fairen und bezahlbaren Mieten errichten – ein Rekordwert im Vergleich mit anderen städtischen Wohnungsbaugesellschaften.
Fühlen Sie sich finanziell von Bund und Land im Stich gelassen?
Ja. Wir haben den Eindruck, dass gerade auch der Grundsatz der Konnexität nicht beachtet wird. Bund und Länder beschließen Gesetze, und die Kosten bleiben an den Kommunen hängen. Wir haben etwa beim Bundesteilhabegesetz im vergangenen Jahr 178 Millionen Euro ausbezahlt, und haben nur zehn Millionen Euro vom Land erhalten.
Ein Gutachten des Würzburger Professors Kyrill-Alexander Schwarz gibt einer Klage kaum Erfolgsaussichten …
Ich denke, das Thema ist vom Tisch, das Gutachten hat klargemacht, dass wir im Falle einer Zustimmung der Länder zu Gesetzen via Bundesrat wenig Angriffsmöglichkeiten haben.
Was ist Ihnen nicht gelungen?
Zwei Dinge: Es gibt Nachholbedarf in den bürgernahen Verwaltungsbereichen. Vor allem beim Bürgerservice, weil wir dort personell stark unterbesetzt sind. Wir sind besser geworden, aber noch nicht gut genug. Wir werden noch mehr für die Gewinnung von Mitarbeitern tun müssen und wir müssen über Digitalisierung und KI effizienter werden.
Und das Zweite?
Es ist meine Absicht, die Mehrheit unseres Gemeinderates dafür zu gewinnen, dass Stuttgart auch in Zukunft mit dem Automobil erreichbar sein muss. Dies ist erforderlich, wenn wir eine vitale und florierende Innenstadt wollen – gastronomisch und als Einzelhandelsstandort. Stuttgart ist viel mehr als andere Großstädte auf das Umland angewiesen. In unserer Stadtpolitik besteht ein Grundsatzkonflikt über die Frage, wie man mit dem Automobil umgeht.
Wie lösen Sie das Problem? Gegen die Ratsmehrheit können Sie ja schlecht regieren. Finden Sie Kompromisse?
Es bleibt nichts anderes übrig, als Überzeugungsarbeit zu leisten. In vielen Fällen finden wir pragmatische Lösungen, aber leider nicht immer.
Mit Stuttgart 21 können Sie ein neues Stadtquartier im Rosensteinviertel errichten. Wann kann man einziehen?
Das Bürgerbegehren gegen die Bebauung des A2-Quartiers ist gescheitert, weil die Initiatoren nicht genügend Unterschriften vorlegen konnten. Im Bereich um die Wagenhallen wird der Erschließungsprozess vorbereitet. Dort werden wir 630 Wohneinheiten erstellen können. Mit den ersten Hochbaumaßnahmen wird es wohl 2029 losgehen. In den Quartieren A2 und A3 dürfte dies erst ab Mitte der 30er-Jahre der Fall sein, da wir erst Gleisanlagen abbauen müssen.
Ihr Verhältnis zu manchen Medien ist angespannt. Sehen Sie eigene Fehler?
Ein Oberbürgermeister ist natürlich auch nur ein Mensch und nicht fehlerfrei. Nach meinem Empfinden habe ich zu den meisten Medien ein konstruktives und offenes Verhältnis entwickelt.
Die politische Familie Nopper
Frank Nopper stammt aus einer Stuttgarter Familie. 1816 gründete sein Vorfahr Johann Friedrich Nopper eine Eisenhandlung, die 1900 mit der Firma Zahn & Compagnie zu Zahn-Nopper verschmolz. Ein Urgroßvater Frank Noppers war Stadtschultheiß in Cannstatt. Frank Noppers Vater Manfred war 1966 bei der Oberbürgermeisterwahl Herausforderer von Arnulf Klett und saß für die FDP/DVP und die CDU im Gemeinderat. Noppers Bruder Klaus ist Stadtrat in Stuttgart.