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Auch Freiburg erhebt jetzt die Verpackungssteuer

In Freiburg, hier das Wahrzeichen der Stadt, das Münster, soll es ab kommendem Jahr eine neue Steuer geben.
dpa/johapress/Joachim Hahne)Freiburg. In der Halle des Freiburger Hauptbahnhofs steht auf der Theke des Bäckers ein kleiner Aufsteller mit der Aufschrift „Verpackungssteuer? Macht Deinen Kaffee teurer!“ Der Protest, den Interessenverbände wie die Dehoga oder die IHK organisiert hatten, bleibt vergeblich. Seit Dienstag ist klar: Freiburg bekommt eine Verpackungssteuer. Der Gemeinderat hat sich mit der Mehrheit aus Grünen und eher links stehenden Bürgergruppen für die Steuer ausgesprochen. Sie soll ab Neujahr 2026 gelten und orientiert sich am Vorbild der Tübinger Regelung.
Die Mehrheiten hatten sich bereits in den Ausschüssen und den Haushaltsberatungen abgezeichnet, wo es um die Umsetzung einer Mehrwegstrategie für die Stadt ging. Diese war außer für die zwei AfD-Räte für alle Mandatsträger annehmbar.
Weitgehend einig ist sich der Gemeinderat in seinem Ziel, Müll in der Stadt zu vermeiden, immerhin kommen täglich 5,1 Tonnen zusammen. Dazu stellt die Stadt nun eine Mehrwegoffensive auf die Beine. Zu ihr gehört eine Infrastruktur, die stadtweit einheitlich die Rücknahme von Pfandgeschirr und -besteck sicherstellt, etwa durch Automaten. Mehrweg soll auch bei Festen und Messen durchgesetzt werden und mit einer Öffentlichkeitskampagne deutlich verbreiteter werden als heute.
Spiegelt die Ratsmehrheit auch die Mehrheit der Bürger wider?
Ob für Mehrweg eine Steuer hilfreich ist, blieb umstritten. Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos) wollte das Hauptgremium vom Steuerverzicht überzeugen. So gebe es ausgerechnet für Döner keine Mehrwegbehältnisse, welche den Steueraufschlag vermieden: Nur ein Beispiel für das Argument, die Steuer macht’s teuer. Die relativ knappe Mehrheit im 49-köpfigen Rat von 26 Befürwortern spreche nicht für eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Gerade diese will der OB aber für die Müllvermeidung herstellen, weshalb zumindest bis zur Etablierung der Mehrwegstrategie der Rat mit der Steuer abwarten sollte.
Warten – das war nicht das Wort, das Grünen-Sprecherin Sophie Schwer hören wollte. Sie erinnerte an die über 30 Jahre alte Freiburger Diskussion über die Verpackungssteuer. Damals plädierten Interessenverbände für das Warten auf die Umsetzung von Mehrwegkonzepten, während damalige Vertreter der heutigen Steuergegner sich für die Steuer ausgesprochen hatten. Da grinste der eine oder andere Rat von der SPD und der FDP, CDU-Sprecherin Caroline Jenkner mutmaßte, dass die Steuer seit 30 Jahren wohl deshalb nicht umgesetzt werde, „weil ihr Wirkweg nicht so gut funktioniere“.
Anträge sollen Schwachstellen ausbessern
Da hatten die Befürworter klar eine andere Meinung. Einzelne Schwachstellen des Konzepts wollten sie durch verschiedene Anträge verbessern. Papierbeigaben, also Servietten, seien von der Steuer auszunehmen, für Menschen mit wenig Geld oder Schüler möge die Verwaltung ein Pfandbonsystem einführen, um so das soziale Konfliktpotenzial abzumildern. „Ich glaube, dass es wenig Aufregung um die Steuer in der Bevölkerung geben wird“, meinte Lina Wiemer-Cialowicz von „Eine Stadt für alle“. Wenigstens eine Ausnahme von der Besteuerung für Verpackungen, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, verlangten die Gegner der Steuer.
Diese Anträge zeigten für den Finanzbürgermeister Stefan Breiter (CDU) die Probleme auf, die mit der Einführung der Steuer verknüpft sind. Die Steuer verteuert Lebensmittel. An wen sich der Pfandbon-Antrag genau richte, bleibe unklar, was der Verwaltung die Arbeit erschwere. Deren Kosten solle die Steuer zwar begleichen, wo aber Wertstoffe ausgenommen sind, auch wenn sie recyclingfähig seien, werden die Einnahmen vermindert. Bürokratieaufbau, Rechtsunsicherheit beim Abgehen vom Tübinger Modell und die Belastung der Gastronomie nannte er als weitere Argumente – trotzdem: Die Mehrheit für die Steuer stand. Auch der Pfandbonantrag und die Ausnahme für Servietten kamen durch.
Charmeoffensive und ein Geburtstagsgeschenk
So musste der OB eine Niederlage einstecken, die auch die Charmeoffensive zu Sitzungsbeginn nicht abwenden konnte. Horn gratulierte seinem Kämmerer, der den 50. Geburtstag im Ratssaal verbrachte, mit einem Geschenk: einen Karton mit einer Glaskaraffe, die er mit dem Stichwort „Mehrwegbehältnis“ Patrick Schaber übergab.
Umstrittene Steuer
Einen Obolus von 50 Cent je Einweggeschirr und Verpackung auf Lebensmittel, die zum unmittelbaren Verzehr ausgegeben werden, verlangt Freiburg nun ab dem 1. Januar 2026 von seinen Gastronomen. Bestecke schlagen mit 20 Cent zu Buche. Die Stadt kalkuliert mit Einnahmen von 2,2 Millionen Euro, die das Müllvermeidungskonzept und den Verwaltungsaufwand finanzieren sollen. Vorbild ist die Tübinger Satzung, diese sei seit Ende Januar rechtssicher. Die Satzung wurde bis zum Bundesverfassungsgericht erfolglos beklagt. Konstanz erhebt eine entsprechende Steuer seit Jahresbeginn.