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Interview: Dietmar Allgaier

„Das Regionalparlament ist sehr wichtig“

Dietmar Allgaier ist seit 2020 Landrat in Ludwigsburg und folgte dem „Sonnenkönig“ Rainer Haas, der 24 Jahre amtiert. Der Kreischef spricht über das Verhältnis zur Stadt Ludwigsburg, Flüchtlinge und die Kommunalwahl.

Dietmar Allgaier ist seit 2020 Landrat in Ludwigsburg und musste nach wenigen Wochen im Amt die 
Corona-Krise managen.

Achim Zweygarth)
Staatsanzeiger: Herr Allgaier, Sie sind jetzt vier Jahre im Amt, es begann 2020 gleich mit der Corona-Pandemie, kein einfacher Start?

Dietmar Allgaier: Tatsächlich war die erste Zeit ausschließlich von Krisenmanagement geprägt. Mit den Kliniken, unserem Kreisimpfzentrum, eigenen Teststellen, der Kreispolizeibehörde und dem Katastrophenschutz war ich erst einmal beschäftigt. Ein Ankommen im Amt war nicht möglich, das war sofort der Sprung ins kalte Wasser.

Und Sie sind in große Fußstapfen getreten, von Rainer Haas nach 24 Jahren …

Wir hatten eine gute Übergabe, sind bis heute gut verbunden und tauschen uns aus, soweit es die Zeit zulässt. Gleichzeitig habe ich aber meinen eigenen Weg skizziert und politische Akzente gesetzt.

Unter den Amtsvorgängern Rainer Haas im Landratsamt und Werner Spec im Ludwigsburger Rathaus gab es viel Zwist, etwa bei der Frage der Stadtbahn …

Das Verhältnis zum aktuellen Oberbürgermeister Matthias Knecht ist sehr gut, wir arbeiten auf vielen Ebenen zusammen. Prominentes Beispiel ist die Gründung des Zweckverbandes für die Stadtbahn Lucie. Gerade hier war die politische Diskussion früher verhakt. Ich habe mich mit Oberbürgermeister Matthias Knecht auf einen gemeinsamen Weg verständigt und war auch bei einer Klausurtagung des Ludwigsburger Gemeinderats dabei. Das war der Durchbruch, der den Weg für dieses Projekt freigemacht hat.

Wann fährt die erste Niederflur-Stadtbahn durch Ludwigsburg?

Das Projekt läuft, derzeit werden die ingenieurtechnischen Untersuchungen vergeben und die Förderanträge vorbereitet, es gab mehrere Bürgerinformationsveranstaltungen und Trassenbegehungen. Die Reaktivierung der alten Stammstrecke zwischen Ludwigsburg und Markgröningen soll 2028/29 realisiert werden, zu Beginn der 30er-Jahre die neuen Bauabschnitte. Von Remseck kommend am Landratsamt vorbei zum Bahnhof Ludwigsburg, dann weiter bis nach Schwieberdingen.

Im Kreis Ludwigsburg soll eine Landes-Erstaufnahme für Flüchtlinge eingerichtet werden, die betroffenen Kommunen protestieren. Was sagen Sie?

Ehrlich gesagt: Ich möchte nicht in der Haut des Landes stecken, entsprechende Standorte zu suchen. Weil ein solches Vorhaben vor Ort sicher nirgendwo Freude auslöst. Dafür habe ich großes Verständnis. Aber beim jetzt diskutierten Standort Schanzacker zwischen Ludwigsburg, Tamm und Asperg bin ich sehr skeptisch. Wir sind einer der am dichtesten besiedelten Landkreise, regionale Grünzüge und Landschaftsschutzgebiete, die hier tangiert wären, spielen daher hier eine noch größere Rolle.

Wie ist denn die Lage im Kreis? Spürt man den Rückgang der Flüchtlingszahlen?

Wir mussten im Landkreis anfangs Sporthallen belegen, das ist jetzt nicht mehr der Fall. Es werden uns derzeit rund 20 Personen pro Woche zugewiesen, davon etwa fünf Geflüchtete aus der Ukraine. Wir haben seit Beginn des Ukraine-Krieges rund 10 000 gemeldete ukrainische Geflüchtete. Man spürt aktuell die Entspannung, aber ich habe die Sorge, dass das nur eine Wellenbewegung ist, die auch schnell wieder in die andere Richtung gehen kann. Wir wollen aber nicht nur jammern, wir kommen derzeit mit der Situation zurecht.

Der RKH-Klinikverbund umfasst die Kreise Ludwigsburg, Enzkreis und Karlsruhe und ist der größte im Land. Wie sehen Sie sich für die Reform aufgestellt?

Die festgefahrenen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sehe ich mit großer Sorge. Auch die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), bei einem Scheitern alles mit Verordnungen regeln zu wollen. Unsere Kliniken befinden sich nach wie vor in einer Krise, wir schießen 20 Millionen Euro pro Jahr aus dem Kreishaushalt zu.

Welche Forderungen haben Sie bei den Kliniken an Land und Bund?

Dass die Krankenhausfinanzierung auskömmlich gestaltet wird und die vorgenommenen Kürzungen zurückgenommen werden. Gerade für Verbünde ist es wichtig, dass bestehende Strukturen nicht zerschlagen werden. Ich habe Verständnis, dass der Bund den Rahmen setzt. Aber die Krankenhausplanung muss bei den Ländern bleiben.

Die Wertstoff-Sortierung nach „Rund und flach“ wurde 2021 abgeschafft. Wie läuft es mit der Gelben Tonne als Ersatz?

Mittlerweile hat sich die Mülltrennung gut eingespielt und wir sind nach wie vor sehr einwohnerfreundlich, da sämtlicher Müll zu Hause abgeholt wird – auch das Altglas über die blaue Glasbox oder die Glastonne. Bei der Systematik des Dualen Systems, bei dem der Verpackungsmüll über private Unternehmen entsorgt wird, ist man einigen wenigen marktbeherrschenden Unternehmen ausgeliefert. Die Entsorgung ist daher nicht kundenfreundlich, sondern rein auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Deshalb gehört das duale System abgeschafft und in die öffentliche Hand zurückgegeben.

Welche Projekte beschäftigen Sie außerdem als Meilensteine?

Wir haben eine Bürgergenossenschaft Wohnen mit den Kommunen gegründet, um dem Wohnungsmangel entgegenzuwirken. Zudem haben wir als erster Landkreis einen Hitzeaktionsplan herausgegeben – von einer Cool-Map mit kühlen Orten bis zu einer Alarmkette bei Hitze. Und sogar die Eisdielen sind verzeichnet (lacht). Wir sind Pilot-Landkreis für den Klima-Mobilitätsplan des Landes und haben ein Bevölkerungs- und Katastrophenschutzzentrum geplant.

Sie kandidieren als einziger Landrat fürs Regionalparlament der Region Stuttgart. Für wie wichtig halten Sie diese politische Ebene?

Ich halte sie für sehr wichtig, schließlich fallen hier wesentliche Entscheidungen gerade zum Nahverkehr und für die Regionalplanung. Deshalb ist es notwendig, dass auch die Ebene der Landkreise dort eine Stimme hat.

Landrat Dietmar Allgaier

Nach einer Ausbildung zum Wirtschaftsassistenten studierte er an der Hochschule Ludwigsburg Diplom-Finanzwirt. Von 1992 bis 1996 war er im Finanzamt Ludwigsburg, bis 2008 in der Steuerfahndung Stuttgart. Von 2008 bis 2020 war er Geschäftsführer der Städtischen Wohnbau Kornwestheim GmbH.

Allgaier ist Mitglied der CDU. 2008 wurde er Bürgermeister und Beigeordneter in Kornwestheim, 2012 Erster Bürgermeister. 2019 wählte Allgaier der Kreistag im dritten Wahlgang gegen Sozialdezernent Heiner Pfrommer mit 77 von 103 Stimmen als Nachfolger von Rainer Haas.

Das Gespräch fand im Ludwigsburger Landratsamt statt, Dietmar Allgaier (links) mit seiner Persönlichen Referentin Eva Wiedemann und Chefredakteur Rafael Binkowski.

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