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Kolumne: "Eingekreist"

Die Kolossalstatue und das kleine Geld für ein Klavier

Wo gespart wird, fallen Projekte - ob das auch in Stuttgart so sein wird, ist noch nicht ganz klar. Ein Moment der Kunst könnte am Ende verschwinden.
Zwei Männer in einer U-Bahn-Station, einer spielt Klavier, bunte Wandgestaltung.

Open Piano. Ein Klavier in der Stadtbahnhaltestelle Charlottenplatzsorgt häufig für den guten Ton.

IMAGO/Arnulf Hettrich)

In den Berichten über das neue Große Ägyptische Museum in Kairo kam oft die elf Meter hohe Statue von Ramses II. vor, ein Meisterstück altägyptischer Kunst, das bis 2006 auf dem Bahnhofsplatz in Kairo stand. Was muss das für ein Eindruck gewesen sein: Man tritt aus dem wuseligen Bahnhof in das Tosen der Metropole und steht vor diesem uralten Granit-Riesen. Staunen über Kontraste.

Das gibt es auch in Stuttgart , allerdings schwäbisch bescheiden und künstlerisch vom Zufall abhängig. In der U-Bahn-Station Charlottenplatz steht ein Klavier, das jeder bespielen darf. Mal erklingt leichte Pop-Musik, mal ein bisschen Klassik oder eine holprige Etüde – je nachdem, wer gerade in die Tasten greift und wer dem Brausen und Quietschen der Züge trotzt. Staunen über Kontraste.

Trauermarsch schon mal zum Üben

Das Klavier war wohl schon für viele Menschen, die sich kein eigenes Instrument leisten können, musikalische Einstiegsdroge. Die Zeitung berichtet von Abdul Rahman al Ali, einem Geflüchteten, der mittlerweile kleine Konzerte in der U-Bahn-Station gibt. Allerdings sollte er sich bald mit Opus 35 von Chopin vertraut machen, jener Klaviersonate, die den berühmten Trauermarsch enthält, unter dessen Klängen Könige, Präsidenten und Potentaten zu Grabe getragen werden.

Wer gestorben ist? Die Frage müsste lauten, was stirbt? Ein kleiner Schönheitsfleck im grauen Betongesicht der Schwabenmetropole droht zu verschwinden. Im Spar-Etat von über fünf Milliarden Euro pro Jahr finden sich offenbar weder 8000 Euro Erhaltungskosten noch Geld für ein gebrauchtes Ersatzpiano, 4000 Euro alle paar Jahre. Ob die Förderung weitergeht, lässt die Stadt offen, und die Ideengeberin, Stadträtin Guntrun Müller-Enßlin, ist skeptisch, ob sich ein Geldgeber fürs Klavier findet. Bedenkt man, wie grandios das Open Piano ist, sollte man einem Sponsor ein Denkmal setzen. Es muss ja nicht gleich eine Ramses-Statue sein.

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