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Die unheimliche Bremsen-Software-Pechsträhne der Schönbuchbahn

Sie steht mal wieder auf dem Abstellgleis: Die neue Schönbuchbahn tut sich mit dem Herbst schwer. Der spanische Hersteller hat sich auf Fehlersuche begeben. Es geht um die Bremsen.
Michael Schwarz)Stuttgart/Böblingen. Fünf Jahre hat man auf sie gewartet, ein Vierteljahr lang haben sie funktioniert, , wenn auch begleitet von Kinderkrankheiten, und jetzt stehen sie schon wieder auf dem Abstellgleis: Die zwölf neuen E-Züge der 17 Kilometer langen Schönbuchbahn sorgen wieder für Verdruss. Grund ist diesmal der deutsche Herbst und eine unheilvolle gegenseitige Beeinflussung zweier elektronischer Fahrbeeinflussungssysteme.
Im Ergebnis kam es seit Mitte Oktober in den frühen Morgen- und den Abendstunden immer wieder zu Notbremsungen. Ein Problem, dem die Experten der beiden Software-Hersteller gerade auf den Grund gehen, während die Fahrgäste auf den Bus ausweichen müssen: Seit 20. Oktober verkehrt zwischen Dettenhausen (Kreis Tübingen) und Böblingen der Schienenersatzverkehr.
Ein weiteres Kapitel der schier unendlichen Geschichte
Der Geschichte der Schönbuchbahn und ihrer spanischen E-Züge wird so gerade ein weiteres Kapitel zugefügt, auf das die Verantwortlichen gerne verzichtet hätten. Als die ersten Züge im Juni 2020 in Böblingen eintrafen, war die Stimmung noch eine völlig andere. Eigens für die kurvenreiche Strecke über die Schönbuchlichtung war der Zug konstruiert worden. Außerdem war er ein Viertel billiger als die schwereren E-Züge der Konkurrenz, also von Bombardier, Siemens oder Stadler. Der Böblinger Landrat Roland Bernhard (parteilos) verkündete: „Wir schreiben ein Stück weit Geschichte.“ Die Fahrzeuge seien hochmodern, preisgünstig, antriebsstark und umweltfreundlich.
Doch dann begann das Trauerspiel. Der spanische Hersteller CAF und das Eisenbahnbundesamt, das für die Genehmigung der Züge zuständig ist, kamen nicht zusammen. Und immer ging es um die Bremsen, die mal zu scharf und mal zu locker eingestellt waren. Da die CAF-Züge deutlich leichter sind als die Konkurrenz, sollten sie zunächst wie Straßenbahnen behandelt werden, die schnell bremsen können müssen. Dann folgte eine Phase, in der sie doch wie Eisenbahnen behandelt wurden, denen ein längerer Bremsweg zugestanden wird. Und schlussendlich galt für sie dann doch das Regelwerk für Straßenbahnen.
Darüber verging die Zeit und Einweihungstermin um Einweihungstermin wurde gerissen. Um dann in diesem Jahr doch an den Start zu gehen. Am 18. März lag die Zulassung des Eisenbahnbundesamts vor . Am 26. Juli begann der Regelbetrieb. Doch seit einer Woche ist wieder mal Schluss – vorläufig, wie Walter Gerstner versichert. Er ist Geschäftsführer des Zweckverbands Schönbuchbahn, der zu 80 Prozent dem Landkreis Böblingen und zu 20 Prozent dem Landkreis Tübingen gehört.
Zwei IT-Programme harmonieren nicht miteinander
Diesmal sind es zwei IT-Programme, die nicht miteinander harmonieren, wie Gerstner erläutert. Jedenfalls nicht an diesen Herbsttagen, wo die Schienen bisweilen so feucht werden, dass die Züge zu rutschen beginnen. Und zwar noch kritischer als in der Genehmigungsphase, als die Schienen zu Testzwecken eingeseift wurden.
Gegen das Rutschen arbeitet ein Antiblockiersystem, das vom Hersteller CAF programmiert wurde. Die dabei gemessenen stark wechselnden Geschwindigkeiten interpretiert eine andere Software eines anderen Herstellers als Gefahr. Immer wieder leitete die „Punktförmige Zugbeeinflussung“ von Alstom deshalb Notbremsungen ein. Dies geschah so oft, dass der Zweckverband entschied, die Fahrzeuge vorläufig aus dem Verkehr zu ziehen. Derzeit suchen laut Gerstner IT-Experten der beiden Software-Hersteller nach einer Lösung.
Gerstner ist jedoch optimistisch, dass es diesmal nicht wieder so lange dauert, bis die Züge wieder fahren. Ein Schönwetterfahrzeug sei die Schönbuchbahn nicht, auch wenn die baskischen Hersteller den trüben deutschen Herbst vielleicht nicht im Blick hatten.
Keine Alternative sei es dagegen, die in die Jahre gekommenen Dieselzüge wieder auf die Schiene zu bringen. Zum einen seien diese schon teilweise verkauft. Und zum anderen fehle es sowohl an Platz als auch an Personal, um sie unterzubringen und zu warten.