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Kommunale Namensvettern

Ein Name für zwei Orte und viele Geschichten

Verwechslungskomödien sind im Boulevard-Theater ein Goldstandard. Dass sich witzige Geschichten auch bei gleichnamigen Kommunen ergeben, hat eine Umfrage des Staatsanzeigers ergeben. Aus den vielen Rückmeldungen haben wir eine Auswahl getroffen.

welches Kirchheim soll es denn sein? Da gibt es in Baden-Württemberg mehrere davon.

Zoonar.com/zoonar/Markus Hötzel)

Stuttgart. Die bekannteste Verwechslungsgeschichte hat niemals stattgefunden. Das ist in Schillers Geburtshaus in Marbach (Kreis Ludwigsburg) zu erfahren, das heute ein Museum ist. Als Königin Elizabeth II 1965 bei ihrem Besuch im Südwesten das Schiller-Nationalarchiv über dem Neckar und eben jenes Häuschen in der alten Neckarstadt besichtigte, soll sie enttäuscht gefragt haben: „And where are the horses ?“.

Mit Pferden kann Marbach am Neckar nicht dienen. Huftiere gibt es aber in Gomadingen auf der Schwäbischen Alb. Dessen Ortsteil Marbach lässt Pferdefreunde – und dazu gehörte bekanntlich die britische Monarchin – mit der Zunge schnalzen. Das Haupt- und Landesgestüt ist für seine Züchtungen weltberühmt.

Royale Frage nach noblen Rössern

Die Geschichte um die royale Frage nach den noblen Rössern ist wohl eine Erfindung einer Berliner Boulevardpostille, und zugegeben eine gute. Doch auch die Wirklichkeit, die laut Gemeindetag in den Kommunen zu finden ist, schreibt in vielen Rathäusern Baden-Württembergs gute Verwechslungsgeschichten.

Über 60 selbstständige Kommunen teilen sich den Namen, wie eine Liste des Statistischen Landesamtes ausweist – je nachdem, ob man abweichende Schreibweisen einbezieht ( Doppel-S , Dehnungs-H ). Meist gibt es zwei gleichnamige Orte, andere gibt es bis zu vier Mal. Dazu kommen Dopplungen von Orts- oder Stadtteilen – die Verwechslungsproblematik ist also virulent.

Briefe sind der Klassiker unter den Verwechslungen

Briefe, so der Tenor der Umfrage, schicken Bürger häufig an das falsche Rathaus. Landratsämter kommen da sogar durcheinander. Die Irrtümer sind oft hartnäckig. Stefan Ohr, Bürgermeister von Kirchberg /Jagst, berichtet von einem Brief, den seine Verwaltung fünfmal an die Post zurückgeben musste, bevor er den Weg an das richtige Kirchberg fand.

Auch andere Lieferungen erweisen sich als fehleranfällig. Wer hat das bestellt, fragte man sich in Weissach im Tal (Rems-Murr-Kreis), als ein Lastwagen mit Tausenden von Wasseruhren vor dem Rathaus hielt. Es waren die Kollegen aus Weissach (Kreis Böblingen). Oder die vielen Kilometer, die Busse aus Partnergemeinden falsch gefahren sind, bloß weil das Navi am Partnerort vorbeiführt. In Altdorf wartete eine Delegation aus Nanteuil le Haudouin 30 Minuten auf ein Empfangskomitee, bis klar wurde, dass der Kreis Esslingen zwar schön, der Kreis Böblingen aber der richtige gewesen wäre.

Falsches Dürnau – und ein ärgerlicher Landratsamtsmitarbeiter

Besuche leiden oft unter Ortsverwechslungen, so in Dürnau : Anruf beim Hauptamtsleiter Jochen Bärtle , der als letzter im Rathaus sitzt. Ein Landratsamtsmitarbeiter steht vor dem Rathaus und kommt nicht rein. Der Hauptamtsleiter betätigt den Türöffner, öffnet eigenhändig die Rathaustür, der Kollege am Handy ist nirgends. Dieser glaubt, er werde verschaukelt und wird zusehends ärgerlich. Erst als er das Schloss-Klicken durchs Telefon hört, klickt es auch bei ihm. Bärtle spricht von einer Denkpause, einem genuschelten „Entschuldigung“ und dem Ende des Telefonats. Ob der Mitarbeiter der Biberacher Kreisbehörde noch ins Rathaus von Dürnau (Kreis Biberach) gelangte, darüber rätselt man in Dürnau (Kreis Göppingen) noch heute.

Adrenalinstöße bei Ortsverwechslungen

Stellenbewerber bekommen Adrenalinstöße, wenn sie feststellen, dass sie ins falsche Malsch (Rhein-Neckar-Kreis oder Kreis Karlsruhe) gefahren sind. Das lässt sich potenzieren, wenn man sich um das Bürgermeisteramt bewirbt und zur richten Veranstaltung in Altheim (Alb-Donau-Kreis) ins falsche Altheim (Kreis Biberach) kommt. Was für ein Wahlkampfauftakt einer Kandidatin!

Auftakte in einen neuen Lebensabschnitt sind Hochzeiten. Aus Altdorf (Kreis Böblingen) wird berichtet, dass eines Freitags zwei festlich gekleidete Herrschaften im Standesamt erschienen sind, obwohl keine Trauung terminiert war, an der sie als Gäste teilnehmen konnten. So wurden die beiden wohl unfreiwillig die Stars bei der eigentlichen Feier im Kreis Esslingen. Fast zur totalen Hochzeitspanne wäre es in Wangen (Kreis Göppingen) gekommen. Das Brautpaar hatte die Gemeindehalle gebucht. Zum Glück kam es kurz vor dem großen Tag zum Besichtigungstermin und damit heraus, dass Wangen im Allgäu gemeint war.

Eine Verwechslung kann juristisch ganz schön knifflig werden

Doch auch die staatliche Verwaltung verursacht Verwechslungsgeschichten, die juristisch richtig knifflig werden können. Im Esslinger Altdorf führte eine Firma treu die Gewerbesteuer ab, allerdings ans Böblinger Altdorf. Ein Fehler des Finanzamts führte zur falschen Verknüpfung. Die Schuldfrage war laut Bürgermeister Joachim Kälberer nicht zu klären, einen Titel seiner Gemeinde gegen die Kollegen im Kreis Böblingen ließ sich so jedenfalls nicht begründen, zumal die Rückabwicklung von jahrelangen Fehlbuchungen ein Bürokratiemonster geboren hätte. Da hilft es, wenn sich die beiden Bürgermeister die Hand geben und per Gentlemans Agreement Pi mal Daumen für einen Ausgleich sorgen. Immerhin ging es um mehrere 10 000 Euro.

Eigentlich eine Geschichte für die Bild-Zeitung. Die hatte übrigens in Schönau (Rhein-Neckar-Kreis) knallhart recherchiert. Die Absperrung des Schulhofs erregte dieses Jahr die Gemüter so sehr, dass es zum Bürgerentscheid über den Zaun im Herzen der Stadt kam. Hartnäckig, wie er war, ließ sich der Boulevard-Journalist erst nicht abwimmeln, auch nicht mit dem Argument, dass der Zaun in der gleichnamigen Gemeinde im Kreis Lörrach stehe. Wie gut, dass dem Qualitätsmedium Staatsanzeiger das noch nicht passiert ist.

Peter Schwab

Peter Schwab kümmert sich um verschiedene Journale der Zeitung und arbeitet außerdem im Crossmediateam und im Ressort Kreis und Kommune. Schon während seines Jura-Studiums hat er für verschiedene Zeitungen geschrieben, später volontiert und als Lokalredakteur gearbeitet. Nach seiner Zeit als Pressesprecher hat er erneut die Seiten gewechselt und ist 2022 zum Staatsanzeiger gegangen – und damit zum guten alten Journalismus zurückgekehrt.

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