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Elterntaxis

Schulstraßen gegen Elterntaxis: Land gibt Handreichung an Kommunen

Gut Ding will Weile haben: Vor mehr als einem Jahr hat sich Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in Wien über Strategien gegen Elterntaxis informiert. Jetzt liegen erste Vorschläge zur Einrichtung von Schulstraßen auf dem Tisch.

Auch aus Sorge bringen viele Eltern ihre Kinder mit dem „Elterntaxi“ zur Schule. Die hohe Zahl der Pkw führe aber wiederum zu einem erheblichen Anstieg des Verkehrs im Umfeld der Schulen.

dpa/ANP/Marcel van Hoorn)

Stuttgart. Die Vorschläge sollen Hol- und Bringverkehre eindämmen und gefährliche Situationen vermeiden. Die Entscheidung liegt bei den örtlichen Behörden. In Paris sind vor mehr als 200 Schulen Straßen oder Plätze für den Verkehr gesperrt. In Berlin oder Nürnberg oder in Nordrhein-Westfalen gibt es Pilotprojekte.

Wien hat sogar ein eigenes Modell entwickelt. Danach wird in einem Stufenplan die Bedeutung des Standorts für den Durchzugsverkehr, für etwaige Verkehrsverlagerungen und die Erreichbarkeit der jeweiligen Umgebung geprüft. Einziges Ausschlusskriterium sind Straßenbahnen, die direkt an Schulen vorbeiführen. Schulstraßen sind bereits in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen. Verschiedene Varianten können in der österreichischen Hauptstadt genutzt werden, etwa die Sperrung ganzer Straßenzüge, wenn mehrere Schulen in diesem Bereich liegen. Mit Scherengittern ist es möglich, den Verkehr temporär auszusperren. Die Wiener Grünen verlangen, bis 2030 insgesamt 230 beruhigte und begrünte Schulvorplätze einzurichten.

Minister Hermann versprach, die guten Erfahrungen aufzugreifen und für Baden-Württemberg Pläne zu entwickeln, um dem sich verstärkenden Trend zur „Drive-in-Schule“ entgegenzuarbeiten: „Wir werden in diesem Sommer eine Handreichung an die Kommunen senden, damit der Schutzraum für Kinder rund um die Schulen vergrößert werden kann“, teilt er nun auf Anfrage mit.

Kommunen sollen über Schulstraßen nachdenken

Die Begründung liegt auch nach Meinung des Rad-Experten der Grünen-Landtagsfraktion Hermino Katzenstein auf der Hand. „Laut dem Erlass zum Sicheren Schulweg für das Schuljahr 2024/2025 verunglücken an jedem Schultag bei uns mehr als zwei Kinder als aktive Verkehrsteilnehmende auf dem Schulweg“, sagt der Sinsheimer Abgeordnete, „und fast jede Woche gibt es Schwerverletzte.“ Auch aus Sorge brächten viele Eltern ihre Kinder lieber mit dem sogenannten Elterntaxi zur Schule. Deren hohe Zahl führe aber wiederum zu einem erheblichen Anstieg des Verkehrs im Schulumfeld und „erzeugt häufig ein gefährliches Chaos, das sowohl die Sicherheit der Kinder als auch die Verkehrssituation insgesamt belastet“. Der Verkehrsminister will erreichen, dass Kommunen sowie Schulen und schulnahe Initiativen, die über die Einrichtung einer Schulstraße oder eine Verbesserung des Schulumfeldes nachdenken, konkret unterstützt werden.

Schon jetzt sei es möglich, so Hermann, auf Grundlage von Bestandsfotos und -plänen kostenlos Visualisierungen erstellen zu lassen und mit ihnen die möglichen Gestaltungen zu veranschaulichen. „Die Straßenverkehrsbehörden sollen künftig bei der Schaffung von Schulstraßen und Schulzonen an geeigneten Standorten eine unterstützende Rolle einnehmen“, verlangt der Grüne weiter. Und er erinnert an das in der Koalition mit der CDU formulierte  Ziel, die Zahl der Schulwegunfälle bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent gegenüber 2020 zu reduzieren. Die Zahl der Schwerverletzten sei seit 2020 von 48 auf 40 gesunken. Gleichzeitig solle sich der Anteil der „selbstaktiv zurückgelegten Schulwege“ von 46 Prozent im Jahr 2017 auf 60 Prozent im Jahr 2030 erhöhen und die Fahrten der Elterntaxis im selben Zeitraum halbieren.

Landesprogramm koordiniert Schulradeln

Schon seit drei Jahren bietet zudem das von Verkehrs-, Innen- und Kultusministerium gemeinsam entwickelte Programm „Movers“ Schulen und Kommunen Beratungen zum sicheren Schulweg ohne Auto an. Absicht sei, heißt es in Informationen zum Thema, „Bewegung und Spaß auf dem Schulweg zu vereinen“.

Das vom Landesprogramm koordinierte Schulradeln habe in seinen ersten beiden Jahren bereits über 130 000 Schüler veranlasst, aufs Rad umzusteigen. Dabei hätten sie gemeinsam eine Gesamtstrecke von rund 19 Millionen Kilometern zurückgelegt und etwa dreitausend Tonnen CO2 vermieden. Die Aktion „Schulwegprofis – Wer geht, gewinnt“ führt Kinder an die selbstständige und sichere Mobilität heran, was sich daran zeigt, dass seit der Pilotierung 2023 mehr als 25 000 Grundschüler und -schülerinnen innerhalb des jeweils dreiwöchigen Aktionszeitraums rund 274 000 „selbstaktive Schulwege“ zurückgelegt haben.

FDP fragt nach subtiler Werbung

Landesweit aufmerksam für „Movers“ machen die Verantwortlichen auch mit Pixi-Büchern. In einem davon heißen die Protagonisten „Fritzi und Cem“. Für die FDP-Landtagsfraktion stellte sich die Frage, ob es sich dabei um eine „subtile Werbung“ für den Grünen-Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl 2026 Cem Özdemir handele. Winfried Hermann (Grüne) reagierte kühl: „Cem ist ein im türkischsprachigen Raum häufig vorkommender männlicher Vorname persischer Herkunft, der auch als Familienname auftritt.“ Auf der deutschen Wikipedia-Seite seien allein 30 bekannte Personen dieses Vornamens aufgeführt.

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