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Stuttgart 21 

Gesetz blockiert Wohnungen: Koalition will Entwidmungsrecht lockern

Das Allgemeine Eisenbahngesetz verhindert deutschlandweit Wohnungsbauprojekte auf alten Gleisarealen. Betroffen ist auch das Rosensteinquartier, das im Zuge von Stuttgart 21 entstehen soll. Die Berliner Politik will schnell handeln. 

Der Bund will ein Gesetz schnell ändern, so dass der Ausbau des bisherigen Stuttgarter Rangierbahnhofs zu einem Wohnviertel möglich wird. Foto: IMAGO/Arnulf Hettrich

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Berlin/Stuttgart. Die Berliner Koalition plant, die erst Ende 2023 verschärfte Regelung zur Entwidmung stillgelegter Bahnflächen wieder zu lockern. Die Neuregelung blockiert momentan bundesweit Bauvorhaben – etwa in Stuttgart, Ulm, Nürtingen und weiteren Städten.

Das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) war Ende 2023 verschärft worden. Eine Freistellung eines Grundstücks vom Bahnbetriebszweck durch das Eisenbahnbundesamt ist laut Paragraf 23 AEG nur noch in sehr begrenzten Ausnahmefällen erlaubt – etwa wenn ein überragendes öffentliches Interesse wie Landesverteidigung oder die Nutzung für erneuerbare Energien vorliegt.

Nopper: 5700 Wohnungen für über 10 000 Menschen nicht realisierbar

Eine Neuregelung des Paragrafen 23 AEG war schon Ende 2024 geplant. Nach dem Ampel-Aus konnten sich jedoch SPD, Grüne und FDP nicht mehr auf eine Reform der Reform einigen. Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD will die Regelung nun rasch überarbeiten. Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) begrüßt den Beschluss. „Nach der geltenden Rechtslage wäre das Wohnungsbauprojekt Stuttgart Rosenstein mit bis zu 5700 Wohnungen für über 10 000 Menschen nicht realisierbar“, so Nopper. Die Gesetzesänderung müsse gewährleisten, dass zukunftsweisende Wohnbauprojekte weiterhin möglich sind. Die Stadt Stuttgart hatte gegen Paragraf 23 AEG Kommunalverfassungsbeschwerde eingelegt.

Freistellung möglich, wenn kein Verkehrsbedarf

Die neue Regierungskoalition schlägt vor, das „überragende öffentliche Interesse“ für die Entwidmung im AEG beizubehalten. Dies sei jedoch an zwei Bedingungen geknüpft: Wenn weder ein Verkehrsbedarf noch eine langfristige Nutzungsperspektive besteht, entfällt das überragende öffentliche Interesse – und eine Entwidmung der Fläche wird möglich.

Der Gesetzentwurf enthält auch eine Übergangsregelung. Für Verfahren, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 29. Dezember 2023 beantragt wurden, soll weiterhin die frühere Rechtslage gelten.

Kontroverse Debatte im Bundestag

Die Grünen legten einen eigenen Vorschlag zur Änderung des AEG vor. Beide Gesetzesentwürfe wurden am Donnerstag im Bundestag in erster Lesung debattiert und dem Verkehrsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen.

In der Debatte betonte Anja Troff-Schaffarzyk (SPD) die strategische Bedeutung alter Bahnflächen für eine vernetzte Mobilität. Diese müssten besser geschützt werden und dürften nicht vorschnell überbaut werden. Der Koalitionsentwurf soll eine ausgewogene Lösung bieten: Er erlaubt die städtebauliche Nutzung nicht benötigter Bahnflächen ohne den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur zu gefährden.

Grüne legen neun Kernziele für die Schiene vor

Der Grüne-Abgeordnete Matthias Gastel erinnerte im Bundestag daran, dass stillgelegte Strecken über Jahrzehnte überbaut wurden. Die Bahn bleibe nun mit der geschrumpften Infrastruktur hinter ihren Möglichkeiten beim Klimaschutz und der Pünktlichkeit. Laut Gastel geht der Koalitionsentwurf nicht weit genug, weil er sich nur auf die Reaktivierung von stillgelegten Bahnflächen beschränke und zu viele Flächen leichtfertig freigebe.

Damit die Bahn genügend Entwicklungsspielraum erhält, sieht der Grüne-Gesetzentwurf neun Kernziele vor: Unter anderem seien Bahnflächen langfristig zu sichern – etwa um mehr Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern und stillgelegte Strecken reaktivieren zu können. Durch die gesetzliche Verankerung der bahnpolitischen Ziele erhalte das zuständige Eisenbahnbundesamt „eindeutige Abwägungskriterien für Entscheidungen über Anträge zur Freistellung von Flächen von Bahnbetriebszwecken“, heißt es im Entwurf.

AfD und Linke kritisieren Vorschlag der Koalition

Günter Baumgartner (CSU) bezeichnete das Stuttgarter Rosensteinviertel als Musterbeispiel der Nachverdichtung und guter Kommunalpolitik. Es könne nicht sein, dass dort eine Kaserne oder eine Photovoltaikanlage entstehen darf – Wohnraum jedoch nicht. Deshalb brauche es die Änderung des AEG. Im Gegensatz zum Vorschlag der Grünen, werde man nicht auf ausufernde Planung setzen.

Für die Linke lehnte Luigi Pantisano den Gesetzentwurf der Koalition ab. Die geplanten Wohnungen auf dem heutigen Stuttgarter Gleisvorfeld brauche es nicht, oberirdische Gleise für einen funktionierenden Zugverkehr aber schon. Bahnflächen dürften nicht für andere Zwecke genutzt werden.

Wolfgang Wiehle von der AfD forderte den Ausdruck „überragendes öffentliches Interesse“ gleich ganz aus dem AEG zu streichen, wie es der ursprüngliche Gesetzentwurf der Union vorgesehen hatte.

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