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Gmünd und Sindelfingen suchen Oberbürgermeister

Die zwei Großen Kreisstädte Sindelfingen (links) und Schwäbisch Gmün
IMAGO / Zoonar (links); IMAGO / Westend61)Schwäbisch Gmünd/Sindelfingen. Muss Richard Arnold überhaupt Wahlkampf machen? Das fragten ihn Menschen in seinem Umfeld – und ob: Immerhin hat der CDU-Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd zwei Herausforderer. Von den Grünen möchte ihn Dario Thiem beerben, von „Der Partei“ Almaith Lyons. Das Trio beackert die Stadt, Thiem besucht Vereine und Unternehmen, Lyons steht mit dem Wahlkampfstand auf dem Wochenmarkt, und Arnold macht eine Wirtshaus-Tour durch die Stadtteile, teils mit Unternehmern oder dem Friedrichshafener Amtskollegen Simon Blümcke. „Die Menschen wollen viel mehr über Ideen diskutieren als in den vergangenen Wahlkämpfen“, so Arnold.
Einwohnerwachstum und Transformation
Für seine geplante dritte Amtszeit stellt der OB die Themen „Wirtschaft und Arbeitsplätze“, „Attraktive Stadt“ und „Einwohnerwachstum“ in den Mittelpunkt. Die Sorge um ihre Arbeitsplätze angesichts der Transformation der Automobilbranche treibe die Menschen um. Zur Sicherung der Rahmenbedingungen muss die Stadt attraktiv sein. Dazu gehöre Sicherheit und mehr Sauberkeit – auch eine Bürgeraufgabe.
Weil die Stadt im Ostalbkreis vergleichsweise wenig Einkommensteuer einnimmt, will der OB die Einwohnerzahl steigern. Schnelle Baugenehmigungen sollen Investoren vom Standort überzeugen. Bei einem anderen Treiber der Einwohnerzahl, der Migration, verlangt Arnold eine Verschnaufpause. Zwar hatte er mit seinem Gmünder Weg der Arbeitsintegration Schlagzeilen gemacht, seinen Debattenanstoß begründet er mit der Dauerkrise, weshalb Bürger auf Distanz zur Kommune gingen.

Das kritisiert Herausforderer Dario Thiem. Der Grünen-Kreisvorsitzende und hauptberufliche Geschäftsführer der Kreispartei in Stuttgart findet Integration unabdingbar, hält aber nichts von Forderungen nach einer Auszeit bei der Migration: „Das ist aber unrealistisch“, zumal auf Gmünd durch die anstehende Schließung der Ellwanger Erstaufnahmeeinrichtung ohnehin ein höherer Unterbringungsdruck zukomme. Thiems politischer Dreiklang lautet Nachhaltigkeit, sozialgerechte Stadt und Wirtschaftsförderung. Zunehmende Hitze erschwere das Leben in der Stadt im Tal, mehr Grün und weniger Versiegelung könne helfen. Mit mehr Sozialwohnungen und einer besseren Ausstattung der Schulen will Thiem gegen soziale Benachteiligung vorgehen. Dialog mit der Wirtschaft, weniger Bürokratie bis hin zu einer One-Stopp-Stelle für Gründer stehen auf seinem Zettel.
Thiem wie Arnold wollen die Gastronomie unterstützen und kämpfen um junge Wähler. Der Amtsinhaber möchte seine Verwaltung als Unterstützerin der Jugendkultur, Thiem will Gmünd mehr zur Studentenstadt machen, weil der Hochschulstandort im Stadtbild kaum ablesbar sei.
OB-Wahl mit besseren Chancen zur persönlichen Vorstellung
Der OB-Wahlkampf ist nicht die erste Wahlauseinandersetzung, die Thiem in seiner Wahlheimat führt. Bei der Kommunalwahl 2024 verpasste der 33-Jährige den Einzug in den Gemeinderat. Die OB-Wahl biete bessere Chancen, weil es da nicht um Dutzende Kandidaten gehe, sondern um drei. Thiem glaubt, dem Alltag der Gmünder näher zu sein als Arnold nach 16 Amtsjahren. Dieser will trotz seiner 66 Lebensjahre aus Freude und Verantwortung in schwierigen Zeiten weitermachen, solange die Gesundheit mitspielt. Solche Erwägungen dürften der zweiten Herausforderin fremd sein. „Ich bin frisch“, verspricht Almaith Lyons von „Die Partei“. Sie bringe als 21-jährige Holzmechanikerin in Ausbildung eine völlig andere Sichtweise mit. Lyons will die Bürger etwa durch mehr Bürgerentscheide einbeziehen. Leerstehende Geschäfte sollten zu Wohnraum werden, und ihr Geld solle die Stadt zielgerichteter ausgeben.
Auch Lyons hatte den Einzug in den Gemeinderat verfehlt. Nun kandidiert sie erneut für die Satirepartei, obgleich sie ihre Bewerbung sehr ernst nimmt. Dafür hat sie die sonst oft bissigen Plakatslogans der Partei versachlicht. Aber sie zeigt sich im „Partei“-Outfit, rote Krawatte, graues Sakko. Diesen Widerspruch nimmt sie in Kauf, bei einer anderen Partei habe sie nicht so viel Freiheit.
Thema im Wahlkampf ist der Wirtschaftsstandort Sindelfingen
In Sindelfingen hört dagegen der Amtsinhaber auf – nach 24 Jahren räumt Bernd Vöhringer (CDU) den Chefsessel. Gleich neun Bewerber wollen ihn beerben, drei davon gelten als besonders aussichtsreich: Markus Kleemann (CDU) ist seit 2015 Bürgermeister in Oberstenfeld im Kreis Ludwigsburg mit rund 7600 Einwohnern. Er will eine moderne Verwaltung mit dem Ziel, mehr Projekte umzusetzen. Außerdem will er Schulen und Kitas zu den modernsten Gebäuden ausbauen. „Ich wurde von Sindelfinger Bürgern und Bürgermeisterkollegen auf eine Kandidatur angesprochen“, sagt der 40-Jährige über seine Bewerbung.

Außerdem steht der 25-jährige Sindelfinger Stadtrat und Jurist Max Reinhardt (FDP) auf dem Stimmzettel. Er ist seit 2023 bei einer Wirtschaftskanzlei in Stuttgart tätig. Der Abbau des Sanierungsstaus sowie die Unterstützung des Ehrenamts sind seine großen Prioritäten.
Ebenfalls kandidiert Lukas Rosengrün (SPD), seit 2020 Bürgermeister der rund 9200 Einwohner zählenden Gemeinde Ehningen im Kreis Böblingen. Eine digitale Verwaltung sowie starke Teilorte hat der 40-jährige Familienvater in sein Wahlprogramm geschrieben. Die drei Bewerber werden von ihrer jeweiligen Partei im Gemeinderat unterstützt. Die Grünen, nach der CDU zweitstärkste Kraft, haben keine Wahlempfehlung ausgesprochen. Zudem haben sich beworben: der Coach und Mediator Norbert Weiss, der technische Angestellte Cengiz Karakas, die Familienhelferin Fridi Miller, der Betriebswirt Aleksander Skudnik, der Jurist Klaus Frank sowie der Rentner Andreas Ankele. Sie alle sind parteilos – mit Ausnahme von Karakas (CDU).
Wichtiges Thema im Wahlkampf ist die Wirtschaft der Daimlerstadt. Kleemann will Einzelhandel, Handwerk und mittelständische Unternehmen fördern sowie Start-ups ansiedeln. Rosengrün möchte eine Plattform für den regelmäßigen Austausch zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung einrichten und ein Gründerzentrum aufbauen. Reinhardt schwebt die Ansiedlung von Unternehmen in Zukunftsbranchen vor. Zudem möchte er die Kooperation mit Mercedes-Benz als größtem Arbeitgeber intensivieren.
Daimler und Weleda
Die Große Kreisstadt Sindelfingen im Kreis Böblingen hat rund 65 000 Einwohner. Neben der Kernstadt gehören auch die Teilorte Maichingen und Darmsheim zur Kommune. Die Stadt ist geprägt durch die Automobilindustrie, besonders durch das Mercedes-Benz Werk Sindelfingen mit rund 25 000 Beschäftigten. In Schwäbisch Gmünd stellt Bosch die Zukunft Tausender Jobs infrage. Dafür bleibt die Schönheit: Kosmetik produziert Weleda. Gut 64 ooo Einwohner zählt die Stadt an der Rems, die in der Kernstadt mit ihrem historischen Stadtbild sowie in elf Stadtteilen leben.
Peter Schwab und Philipp Rudolf