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Hebesätze

Viele Kommunen erhöhen die Grundsteuer

Das Statistische Landesamt hat die ersten Hebesätze nach der Grundsteuerreform veröffentlicht. Eine Auswertung der Daten zeigt: Viele Kommunen haben die Grundsteuer B erhöht. Als problematisch erweist sich dabei das Südwest-Bodenwertmodell. Eine interaktive Karte zeigt alle Abweichungen vom aufkommensneutralen Hebesatz.

Viele Gemeinden müssen die Grundsteuer anheben, um die finanzielle Leistungsfähigkeit zu erhalten.

dpa/Jens Büttner)

Stuttgart. Die neue Grundsteuer ist für viele Städte und Gemeinden ein Drahtseilakt. Sie bestimmen, wie hoch die Hebesätze für die Grundsteuer B ist, die für die meisten Grundstückseigner relevant ist. Dies ist in diesem Jahr besonders heikel, weil nun die reformierte Grundsteuer gilt. Hebt eine Kommune die Steuer an, kann sie damit einzelne Eigentümer stark belasten, senkt sie die Steuer, verzichtet sie womöglich auf wichtige Einnahmen. Das „Bodenwertmodell“, das es nur in Baden-Württemberg gibt, berücksichtigt die Größe und den Wert der Flächen und lässt Gebäude außen vor. Erste Erfahrungen zeigen: Für viele Wohngrundstücke – etwa ein Einfamilienhaus mit großem Garten – wird es teurer, für Gewerbegrundstücke tendenziell günstiger, weil diese oft niedriger bewertet werden als zentrale Wohnflächen.

Hinzu kommt: Bund und Länder hatten den Eigentümer zugesagt, dass die Reform insgesamt keine Mehrbelastung bringen soll. Zur Überprüfung hat das Finanzministerium 2024 ein Transparenzregister veröffentlicht. Es weist für jede Kommune einen Korridor mit zwei Werten aus. Liegt der neue Hebesatz innerhalb dieses Rahmens, gilt die Steuer als aufkommensneutral. Das Vorgehen löste heftige Kritik der Kommunalverbände aus.

Grund für die Erhöhungen sind finanzielle Schieflagen

Der Staatsanzeiger hat die Daten aus dem Transparenzregister mit den Hebesätzen verglichen, die das Statistische Landesamt (siehe Kasten) vergangene Woche veröffentlicht hat. Demnach sind von 1101 Kommunen 716 im empfohlenen Korridor geblieben, erheben die Abgabe also aufkommensneutral. Ein gutes Drittel weicht jedoch davon ab, davon 45 nach unten und 339 nach oben. 120 davon nur minimal zwischen einem und neun Prozentpunkten. 211 erhöhten im zweistelligen Bereich. Sieben kleinere Gemeinden weichen über 100 Prozentpunkte ab.

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Grund für die Erhöhungen sind meist finanzielle Schieflagen. Obergröningen (Ostalbkreis) liegt mit einem Hebesatz von 495 Prozent 154 Prozentpunkte über der Obergrenze des Finanzministeriums. Die Gemeinde mit rund 430 Einwohnern konnte keine Aufkommensneutralität herstellen, da sonst die finanzielle Leistungsfähigkeit gefährdet ist, teilt die Verwaltungsgemeinschaft Leintal-Frickenhofer Höhe mit. Die Kreisumlage habe sich erhöht, was die Gemeindekasse um rund 30 000 Euro belaste. Mit der Erhöhung der Grundsteuer B nimmt die Kommune zwar 19 200 Euro mehr ein, kann den Fehlbetrag aber nicht ganz ausgleichen.

In Wilhelmsfeld mit 3200 Einwohnern liegt der Hebesatz 128 Prozentpunkte über der errechneten Aufkommensneutralität. „Im Vorfeld wurde flurstückscharf geprüft, dass der neue Hebesatz für eine Mehrheit der Grundbesitzer zu keiner Mehrbelastung führt“, teilt Bürgermeister Tobias Dangel (parteilos) mit. Die Gemeinde im Rhein-Neckar-Kreis kämpfe mit der steigenden Kreisumlage und zunehmenden Aufgaben. Um einen positiven Cash Flow ausweisen zu können, hatte sich der Gemeinderat zur Hebesatzanpassung durchgerungen.

Weit entfernt von einem ausgeglichenen Haushalt ist Adelberg im Landkreis Göppingen. Die 2000-Einwohner-Gemeinde liegt beim Hebesatz für die Grundsteuer B mit 123 Prozentpunkten beziehungsweise 20 Prozent über dem vom Finanzministerium veröffentlichten Maximalwert. Zunächst rechnete Kämmerin Gabriele Bauder mit einem aufkommensneutralen Hebesatz. Im Dezember 2024 musste die Kommune notgedrungen diesen auf 600 Prozent erhöhen, nachdem die Zuweisungen aus dem Finanzausgleich weggebrochen waren. Andernfalls hätte die Kommunalaufsicht den Haushaltsplan „nicht einmal mehr zur Kenntnis genommen“, erklärt Bauder. Der Sprung nach oben verschafft der Gemeinde einen Vorteil von 120 000 Euro jährlich. Ausgeglichen ist das Minus von einer Million Euro damit allerdings nicht.

Die Erhöhung habe für viel Frust unter den Grundstückseignern gesorgt, berichtet Bauder, auch weil bestimmte Wohngrundstücke durch das neue Bodenwertmodell stärker belastet wurden als Gewerbeflächen. Dieser Effekt zeichnet sich in Adelberg besonders deutlich ab, weil es ein größeres Gewerbegebiet gibt. In der Folge steigt der Grundsteuermessbetrag für die Eigentümer unbebauter Wohnbauflächen stark an.

Oberkochen kann sich Verzicht auf 580 000 Euro leisten

Sehr unterschiedlich ist auch der Umgang mit den Hebesätzen in den Städten: Von den neun Stadtkreisen blieben fünf im Korridor des Finanzministeriums: Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg und Baden-Baden. Mannheim, Heidelberg und Ulm liegen darüber. Nur Pforzheim liegt mit 93 Prozentpunkten deutlich unterhalb des Minimalwerts. Von den 94 Großen Kreisstädten bleiben 67 aufkommensneutral, 22 nehmen künftig mehr ein, am stärksten weicht hier Balingen (Zollernalbkreis) nach oben ab. Fünf Große Kreisstädte drosseln die Einnahmen aus der Grundsteuer B, am stärksten die Stadt Ettlingen.

Oberkochen (Ostalbkreis) ist die Kommune, die am weitesten von der Untergrenze des Transparenzkorridors abweicht, um 198 Prozentpunkte. Die Stadt mit rund 8000 Einwohnern verzichtet damit auf rund 580 000 Euro, so Bürgermeister Peter Traub (parteilos). Für den Großteil der Steuerpflichtigen wurde eine Aufkommensneutralität erreicht, bei einigen kam es zu Senkungen, „dennoch kam es in nicht wenigen Einzelfällen sogar zu Steuererhöhungen“, erklärt der Bürgermeister.

Den Grund hierfür sieht Traub in der atypischen Grundstücksstruktur. In Oberkochen gibt es Unternehmen mit großen Grundstücken und Betriebsgebäuden. Nach der Reform hätte die Stadt die geringeren Steuerzahlungen dieser Firmen durch einen höheren Hebesatz kompensieren müssen, um eine allgemeine Aufkommensneutralität zu erreichen.

Damit wären jedoch die privaten Eigentümer zusätzlich belastet worden – aus Sicht des Gemeinderats unverhältnismäßig. Wegen der guten Finanzsituation beließ man die Grundsteuerhebesätze A und B und entlastete so viele Steuerzahler teils erheblich.

Städte erhöhen Grund- und Gewerbesteuer rückwirkend

Ende 2024 debattierten viele Gemeinderäte über die Höhe der neuen Hebesätze. Einige beschlossen erst im Frühjahr ihre Werte. Manche Hebesätze könnten daher nicht im Datensatz des Statistischen Landesamts mit Stichtag 31. März aktuell gemeldet worden sein. Stichproben bei einzelnen „Ausreißern“ zeigen dies. Bei manchen stellte sich nach Abfrage heraus, dass ihr Hebesatz tatsächlich aufkommensneutral ist, bei den meisten bestätigte sich die Abweichung jedoch.

Nicht enthalten sind die aktuelle Debatten um rückwirkende Hebesatzänderungen in Folge der kommunalen Finanzkrise. Städte und Gemeinden können diese noch bis zum 30. Juni für das gesamte Jahr festlegen. Davon macht nun Tübingen Gebrauch: OB Boris Palmer will die Grund- und Gewerbesteuer rückwirkend zum 1. Januar erhöhen.

Die Stadt Baden-Baden hat eine Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer am Montag beschlossen. 

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