Themen des Artikels
Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen
Wie die Grundsteuerreform eine Genossenschaft belastet

Bei Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen ist die Grundsteuer meist weniger stark gestiegen als bei Eigenheimen mit Garten.
imago/Westend61)Stuttgart/Karlsruhe. Beim Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (VBW) sieht man die Auswirkungen der Grundsteuerreform bislang gelassen. „Wir haben den Eindruck, dass es nicht die Auswirkung hat wie bei Eigentümern von Einfamilienhäusern“, sagt VBW-Präsident Peter Bresinski. Allerdings gebe es bislang keine Erhebung unter den Mitgliedsunternehmen, zu denen vor allem kommunale Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften gehören, wie sich die Reform auswirkt.
Im Einzelfall sind die Auswirkungen allerdings drastisch, wie das Beispiel der Karlsruher Genossenschaft Gartenstadt eG zeigt. Weil fast die Hälfte der rund 2000 Wohneinheiten Einfamilienhäuser, meist kleine Reihenhäuschen mit schmalen Gärten, sind, steigt die Grundsteuerschuld stark an. Waren es im vergangenen Jahr noch 274 000 Euro, würden nun 642.000 Euro fällig, erklärt der Vorstandsvorsitzende Christoph Walter.
Steuerlast für Reihenhausmieter hat sich verzehnfacht
Für Genossenschaftsmitglieder, die in einem Reihenhaus mit 70 Quadratmetern Wohnfläche und 280 Quadratmetern Grundstück leben, steigt die Grundsteuerbelastung um mehr als das Zehnfache. Bisher seien dort 36 Euro fällig gewesen, nun steige der Betrag auf 426 Euro, erläutert Walter. Verantwortlich für die Entwicklung seien vor allem die Bodenrichtwerte. Die liegen in den Karlsruher Gartenstädten nach der Neubewertung zwischen 650 und 820 Euro pro Quadratmeter.
Hauseigentümer können die Steuer im Normalfall voll als Nebenkosten auf die Mieter, in Genossenschaften die Nutzer umlegen. Doch auch hier ist die 1907 gegründete Genossenschaft ein Spezialfall. Weil früher viele Häuschen von den Mietern wie ein Eigenheim genutzt wurde, sie sich selbst um die Wärmeversorgung kümmerten und ansonsten kaum Nebenkosten anfielen, wurden bis 2005 oft Teilinklusivmieten vereinbart. Dabei werden eigentlich umlagefähige Betriebskosten mit einer Pauschale, die in der Miete enthalten ist abgegolten.
Steuer in Baden-Württemberg besonders stark gestiegen
Die Genossenschaft kann in diesen Fällen die höhere Grundsteuer nicht umlegen. Und das betrifft nach wie vor fast ein Viertel aller Mietverträge der Gartenstadt eG. „Die Grundsteuerreform wird uns als Genossenschaft mit 200 000 Euro pro Jahr belasten“, erklärt der Vorstandschef. Vor der Reform habe man lediglich 36 000 Euro nicht umlegen können. Das Geld werde künftig für Instandhaltung und Modernisierung fehlen, sagt Walter.
Das neue Grundsteuermodell , das in Baden-Württemberg nur Grundfläche, Bodenrichtwert und den kommunalen Hebesatz zur Berechnung heranzieht, hat dazu geführt, dass die Steuer so stark gestiegen ist, wie in kaum einem anderen Bundesland. Nach einer Umfrage des Verlags der Steuersoftware Wiso, der bundesweit 46.000 reale Steuerfälle zugrunde liegen, kommt Baden-Württemberg auf eine Mehrbelastung von durchschnittlich 107 Prozent. Nur in Berlin sind es mit fast 117 Prozent noch mehr. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 84,5 Prozent.
Ein Gutachten soll Bodenrichtwerte im Einzelfall prüfen
Und die Ergebnisse der Umfrage widersprechen auch der Annahme, dass es bei Mehrfamilienhäusern nicht zu deutlichen Mehrbelastungen kommt. Für den Südwesten wurde ein durchschnittlicher Anstieg von 81 Prozent ermittelt. Bei Eigenheimen sind es allerdings 121 Prozent.
Die Karlsruher Gartenstadt-Genossenschaft will nun die Bodenrichtwerte überprüfen lassen, um die Steuerbelastung möglichst zu verringern. Einzelgutachten für einige Grundstücke habe man bereits in Auftrag gegeben, sagt Christoph Walter.