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Explodierende Grundsteuer: Wenn ein Obstbaumhang als Bauland zählt

Eigentümerin Zankl auf ihrem Grundstück in Esslingen.
Philipp Rudolf)Esslingen/Stuttgart. Gabriele Zankl trifft die Grundsteuerreform hart. Sie muss nun 1800 statt bisher 225 Euro zahlen. Grund für diesen Anstieg ist der Hang mit den Obstbäumen, den sie von ihrem Balkon sieht und der zu ihrem Grundstück gehört. Denn die Fläche wird so bewertet, als sei sie kostbares Bauland, dabei darf hier im Außenbereich gar nicht gebaut werden.
Das Wohnhaus hat ihr Großvater 1948 erneuert. Der Gutachterausschuss der Stadt Esslingen habe für das gesamte 1088-Quadratmeter-Grundstück einen Bodenrichtwert von 690 Euro pro Quadratmeter veranschlagt. Die Experten hätten Zankl bestätigt, dass die Gartenlandflächen nur mit 25 Prozent berechnet werden sollte, allerdings würde das Finanzamt dies ablehnen.
Zankl pocht aber darauf, dass ihr nur ein Bruchteil des Bodenrichtwerts angerechnet und damit die Grundsteuer niedriger wird. Sie müsse nun per Gutachten nachweisen, welchen tatsächlichen Wert der Hang hat. Immerhin habe ihr die Stadt ein vereinfachtes, kostengünstigeres Gutachten angeboten, doch dafür fehle momentan das Personal. Dass sie bisher zu wenig gezahlt hat, sieht die Rentnerin ein. Doch angesichts der enormen Steigerung komme sie an ihre finanziellen Grenzen. „So viel Rente habe ich gar nicht. Ich fühle mich sehr ungerecht behandelt“, sagt die 70-jährige Witwe.
Grundsteuer: Zahl der Gutachterausschüsse von 500 auf 135 gesunken
So wie Zankl geht es landesweit einigen Eigentümern, deren Grundstücke nur teilweise bebaut werden können, und die wegen ihrer Größe durch die neue Grundsteuer wesentlich teurer werden. Experten sagten schon früh, dass das Grundsteuermodell die Eigenart bestimmter Grundstücke nicht ausreichend berücksichtige .
Die FDP hat beim Finanzministerium nachgefragt: Kommt das Land den Betroffenen entgegen und unterstützt sie bei den Gutachten? Es bleibe bei der bisherigen Regelung, so die Antwort: Weiche der Wert 30 Prozent vom tatsächlichen ab, könnten die Betroffenen ein qualifiziertes Gutachten in Auftrag geben, um den Bodenrichtwert korrigieren zu lassen, heißt es in der Stellungnahme des Finanzministeriums. Diese Regelung sei im Sinne der Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs. Auch könnten die Kosten für die Gutachten nicht als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend gemacht werden. Sei die Abweichung geringer als besagte 30 Prozent, sei dies von „der Typisierungsbefugnis“ des Gesetzgebers gedeckt. Die Festlegung der Werte obliege den Gutachterausschüssen, heißt es in der Stellungnahme.
Der FDP-Landesabgeordnete Erik Schweickert fordert eine Lösung von Landesseite: „Die Landesregierung muss endlich bei ihrer Grundsteuerreform nachbessern.“ Die CDU habe selbst schon gefordert, dass die Kosten von Gutachten, die den Grundsteuerbetrag korrigieren, von staatlicher Seite übernommen werden sollten. „Jetzt sollte man auch den grünen Koalitionspartner davon überzeugen, statt nur große Töne zu spucken“, so Schweickert.
Er kritisiert, dass die Gutachterausschüsse höchst unterschiedlich entscheiden können. „Das hat nichts mit Steuergerechtigkeit zu tun, sondern eher etwas mit Glücksspiel.“
„Eines der großen Probleme der Grundsteuerreform“
Das Land wählte mit dem Bodenwertmodell bekanntlich einen Sonderweg, bei dem es auf die Grundstücksgröße und dessen Wert ankommt. Im Zuge der Reform mussten die örtlichen Gutachterausschüsse Millionen Grundstücke neu bewerten. Dafür würden die einzelnen Flächen in Bodenwertzonen eingeteilt. Die Richtwerte wurden durch die Kaufpreise ermittelt. Um die Arbeit zu vereinfachen, haben sich viele Gremien zusammengetan, so verringerte sich die Zahl der Ausschüsse von 500 auf 135 (Stand Juni 2024), wie das Ministerium schreibt.
Der Bund der Steuerzahler sieht in den Grundstücken, für die unterschiedliche Werte gelten sollten, „eines der großen Probleme der Grundsteuerreform, das leider bisher nicht gelöst ist“. Die Flächen sind auch Gegenstand der Klagen gegen das Bodenwertmodell: So war bei einer Musterklägerin der Bodenrichtwert nur bis zu einer Grundstückstiefe von 40 Meter voll anzusetzen, darüber hinaus hält der Gutachterausschuss für den Gartenanteil nur noch ein Drittel des Wertes für angemessen, so der Bund der Steuerzahler. Diese Hinweise seien von den Finanzämtern allerdings, nach den Vorgaben des Gesetzes, nicht beachtet worden. Die Kläger monieren, dass das Verfahren zur Ermittlung der Bodenrichtwerte weder transparent noch rechtssicher sei. Das Finanzgericht hatte die Klagen im Sommer 2024 abgewiesen. Nun muss der Bundesfinanzhof entscheiden.
Ausschüsse gingen bei Grundsteuer mit den Grundstücken unterschiedlich um
Die Gutachterausschüsse seien mit den Mischgrundstücken unterschiedlich umgegangen, teilt der Bund der Steuerzahler mit. Einige seien in ihren Hinweisen zu den Bodenrichtwerten auf Faktoren wie Übertiefe und Übergröße eingegangen. Andere hätten gesonderte Zonen ausgewiesen oder mehrere Bodenrichtwerte mit Teilflächen für die Grundstücke ausgewiesen. So hat der Gutachterausschuss in Calw Tausende Flächen neu berechnet.