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Unterbringung von Flüchtlingen

Hotel ohne Nutzen kostet Landkreis 800 000 Euro

Ein langfristiger Mietvertrag für ein Hotel, das zum Flüchtlingsheim werden sollte, hat dem Bodenseekreis einen Eintrag im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler eingebracht. Vor dem Problem, neue Unterkünfte zu finden, stehen Kommunen nun wieder. Die Fallstricke sind scheinbar dieselben.

Das ehemalige Hotel Adler in Sipplingen wurde 2015 für die Flüchtlingsunterbringung angemietet, aber nie genutzt.

Cuko)

Friedrichshafen. Auf diesen Eintrag hätte das Landratsamt im Bodenseekreis gern verzichtet. „800 000 Euro Steuergeld ohne jeglichen Nutzen ausgegeben“ steht im neuen Schwarzbuch des Bunds der Steuerzahler (BdSt) über diesen Fall. Es ist einer von bundesweit 100 kritisierten Fällen von Steuergeldverschwendung, den der BdSt als „teuren Fehler“ beschreibt. Es geht um ein ehemaliges Hotel in Sipplingen , das 2015 für die Flüchtlingsunterbringung angemietet, aber nie genutzt wurde.

Die Situation war damals ähnlich wie heute. Die Zahl der vom Land zugewiesenen Asylbewerber stieg und stieg, im Bodenseekreis bis auf 400 Personen pro Monat in der Spitze. 27 Gemeinschaftsunterkünfte hatte der Kreis Anfang 2016 bereits im Betrieb, nutzte daneben sieben Notunterkünfte auch in Sporthallen. „In dieser Krisensituation – ganz ähnlich wie aktuell – mussten Entscheidungen getroffen werden“, erklärt die Kreisverwaltung aus heutiger Sicht, warum man im November 2015 einen langfristigen Mietvertrag über neun Jahre mit den privaten Eigentümern des ehemaligen Hotels Adler in Sipplingen abschloss, ohne Ausstiegsklausel. Monatliche Kaltmiete: 6400 Euro.

Bodenseekreis geht mit Kritik des Steuerzahlerbunds nicht konform

Die Immobilienbesitzer hätten seinerzeit den Landkreisen die Verträge diktieren können, rechtfertigte der damalige Landrat Lothar Wölfle (CDU) den Vertragsschluss zu diesen Konditionen. Eine Rücktrittsklausel gab es den Angaben zufolge nur für den Fall, dass für die Umnutzung keine Baugenehmigung erteilt wird. „Das Risiko, dass die Unterkunft nicht mehr gebraucht wird, konnte nicht auf den Vermieter übertragen werden“, erklärt die Kreisverwaltung. Andernfalls wäre der Vertrag nicht zustande gekommen. Der Landkreis hätte weitere Plätze in Notunterkünften so wie in Turnhallen benötigt.

Trotzdem zog nicht ein Geflüchteter in das historische Gebäude im Ortskern von Sipplingen, das schon lange leer stand. Das hatte laut einer langen Stellungnahme der Kreisverwaltung nach dem Eintrag im unrühmlichen Schwarzbuch mehrere Gründe.

Denn mit der Kritik des Steuerzahlerbundes geht der Bodenseekreis nicht konform. „Die Behauptung, das Landratsamt hätte den schlechten baulichen Zustand nicht gekannt und das sei der Grund für die Nicht-Nutzung gewesen, ist nicht korrekt“, heißt es darin. Im Gegenteil: Im Landratsamt sei man sich nach mehreren Begehungen vor Vertragsunterzeichnung völlig im Klaren darüber gewesen, dass man viel Geld investieren muss.

Eine erste Kostenschätzung ging von circa 350 000 Euro aus. Im Sanierungsgutachten von Mitte 2016 stehen allerdings stolze 532 600 Euro.

Doch diese immense Summe sei nicht Grund für die Entscheidung gewesen, das alte Hotel vorerst nicht als Flüchtlingsunterkunft herzurichten, erklärt die Kreisverwaltung heute. Im Frühjahr 2016 ging die Zuweisung Geflüchteter schlagartig zurück. Den Versuch, den „Adler“ an andere Investoren zu vermieten, schlug fehl. Letztlich sei man einer Anweisung des Landes gefolgt, Unterkunftskapazitäten wieder abzubauen, weil sie in dem Umfang nicht mehr gebraucht würden. Das war aber erst Mitte 2017.

Der Südkurier hat die Offenlegung der Zahlen erzwungen

Ob diese Argumentation trägt, steht auf einem anderen Blatt. So erklärte das Regierungspräsidium Tübingen im August, dass im Amtsbereich mehrere Verträge geschlossen wurden, aus denen Kommunen nicht vorzeitig herauskamen. Da habe man jedoch stets erfolgreich über eine andere Nutzung verhandelt. Außerdem kam es in der ersten Flüchtlingskrise auch in anderen Landkreisen vor, dass angemietete Immobilien dann doch nicht für die Unterbringung von Geflüchteten dienten.

Doch dass ein Landkreis für ein Gebäude Miete zahlen muss, das überhaupt nicht genutzt wird, sei im Bereich des Regierungspräsidiums Tübingen „ein Einzelfall“.

Dazu kommt, dass Landrat Lothar Wölfle Presseanfragen zu den Kosten der Causa Adler gut zwei Jahre lang abwehrte und beharrlich schwieg. Er argumentierte, dass man sonst in der Vertragsgestaltung mit Privaten eingeschränkt sei. Erst nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen in diesem Jahr musste der Bodenseekreis das Dilemma beziffern. Geklagt hatte der „Südkurier“, der die Offenlegung der Zahlen erzwang.

Um welche Summen es ging, lieferte der inzwischen neue Landrat im Bodenseekreis, Luca Prayon. Demnach entstanden bis Mai 2021 Gesamtkosten von 487 931 Euro, teilte das Landratsamt dem Bund der Steuerzahler mit. Dann wurde der Mietvertrag mit den Eigentümern aufgehoben, allerdings mit einer Abstandszahlung von 288 000 Euro. Das ist genau der Betrag, der bis zum regulären Ende des Mietvertrags ohnehin für die Kaltmiete angefallen wäre. Gespart hat sich der Bodenseekreis also lediglich die wegfallenden Fix- und Nebenkosten von knapp 60 000 Euro.

Katy Cuko

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