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Rastatter OB Monika Müller: „Ich mache mein Verhalten nicht von der AfD abhängig“

Rastatt punktet mit dem Residenzschloss in der Innenstadt. Monika Müller will die barocke Baukultur in den Blickpunkt rücken.
Rudolf)Staatsanzeiger: Mit dem Bürgerentscheid in Baden-Baden kommt das Zentralklinikum nach Rastatt. Haben Sie Verständnis dafür, dass die Frage nach dem Standort so umstritten ist?
Monika Müller: Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass man sein Klinikum vor Ort behalten möchte und dass Baden-Baden sich als in der Region herausragenden Standort versteht für das Thema Gesundheit und Bäderwesen. Dass der Ton in der Initiative manchmal zu weit übers Ziel hinausging, fand ich schade. Wobei das geplante Zentralklinikum ja fast nach Baden-Baden hinüberschaut. Ich hätte mir gewünscht, es wäre deutlich früher erledigt gewesen. Aber wir hatten ja zu dem Thema in Rastatt auch einen Bürgerentscheid, es gab also auch hier Widerstände.
Bei der Gewerbesteuer lief es für Rastatt jahrelang sehr gut. Anfang des Jahres ist sie eingebrochen.
In den letzten drei Jahren haben wir im Durchschnitt etwa 90 Millionen im Jahr an Gewerbesteuer eingenommen. Für dieses Jahr ist es nur noch ein Drittel. Das macht sich sehr deutlich bemerkbar, weil viele Vorhaben unmittelbar anstehen, die bereits viele Jahre lang geschoben oder geplant wurden. Wir bauen ein großes Kombibad, eine neue Feuerwache, und auch die Sanierung vieler Straßen ist fällig. Hinzu kommt der Ausbau im Bereich der Bildung und Betreuung. All das wird jetzt in größeren Teilen kreditfinanziert werden müssen.
Wie plötzlich kam der Einbruch?
Der Rückgang der Gewerbesteuer kam nicht unerwartet. Wir wissen ja, dass die deutsche Automobilindustrie und der Zulieferbereich in der Krise stecken. Die ist auch noch nicht überwunden.
Was kann die Stadt tun, um Zukunftstechnologien anzusiedeln?
Wir bemühen uns alle darum, uns möglichst breiter aufzustellen. Die Gewerbeflächen sind aber stark begrenzt, wir sind hier schon durch Logistik sehr stark belastet in der Region. Am liebsten wäre uns, wir hätten mehr Forschung, Pharma, Hightech – all die Bereiche, die in den vergangenen Jahren noch gewachsen sind. Im Bereich Gesundheit würde ich die Stadt gerne stärker aufstellen. Nicht nur, weil wir ein großes Klinikum bekommen, sondern auch, weil der Gesundheitsbereich ein großer Wachstumsfaktor sein wird.
Ist das Zentralklinikum mit solchen Investitionen verbunden?
Ja, wir gehen davon aus, dass das eine Zugkraft hat und auch, dass die Einwohnerzahl steigt.
Jetzt haben Sie einen Sparkurs angekündigt. Welche Projekte sind Ihnen besonders wichtig, wo kann gespart werden?
Projekte, die schon weitgehend auf dem Weg sind, werden auch verwirklicht. Und beim Angebot an Bildung und Betreuung will ich auch nicht sparen. Ich sehe bei der Infrastruktur durchaus Möglichkeiten: Der Straßenbau wurde jetzt viele Jahre vernachlässigt, aber da kann ich es immer vertreten, auch noch zu schieben. Und natürlich kann man auch bei Standards sparen.
Man könnte auch bei den Ortschaftsverwaltungen sparen, zumal die Gemeindereform schon lange her ist.
Die Diskussion wird ja immer mal wieder geführt. Meine Erfahrung ist, dass das nie gelingt, weil gerade in den Ortsteilen das politische Engagement besonders groß ist. Ich finde es gut und wichtig, wenn der Gemeinderat diese Diskussion führt. Unser Gemeinderat besteht allerdings überwiegend aus Mitgliedern aus den Ortsteilen.
Bei der Wahl der Rastatter Ortsvorsteher sprach die Verwaltung von Ortsvorstehenden. Gendern Sie?
Ich bemühe mich um verständliche Sprache und deshalb finde ich das Binnen-I oder Doppelpunkte schwierig. Ich bevorzuge neutrale und damit einfache Ausdrucksweisen, also Ortsvorstehende. Wir haben immerhin eine Frau unter den fünf Ortsvorstehenden. Ich weiß aber auch, dass geschlechtergerechte Sprache unglaublich polarisiert in der Gesellschaft. Ich kann jedoch nicht verstehen, dass der Versuch, allen Geschlechtern gerecht zu werden, für manche Menschen ein Angriff auf ihr Lebensmodell zu sein scheint. Als Frau und Sozialdemokratin wird man da besonders kritisch beäugt.
Haben Sie da auch eine Sprachregelung für Ihre Verwaltung?
Wir haben die Maßgabe, dass jeder die neutrale Endung verwenden sollte, wo es möglich ist.
Sie haben die AfD als zweitgrößte Fraktion im Gemeinderat. Sind Sie bei solchen Themen deshalb vorsichtiger?
Ich mache mein Verhalten nicht von der AfD abhängig, sondern von meiner Überzeugung und das gilt auch für das Gendern. Das provoziert mich nicht, wenn deren Vertreter sich darüber aufregen. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass ich das vor mir hertragen muss. Das fände ich auch schwierig, wenn politisches Handeln sich treiben ließe.
Sie wollten kürzlich das Stadtlogo ändern. Da gab es Widerstand im Gemeinderat und Sie lenkten ein.
Ich bin grundsätzlich kompromissbereit, anders geht es auch nicht in der Politik. Unser aktuelles Logo ist ein barockes R, das ich nicht besonders gelungen finde. Mir wäre es wichtig, das Logo barrierefreier und einfacher zu gestalten. Wir wollten deshalb das stilisierte Stadtwappen, eine Weinleiter, verwenden. Aber manche glaubten, dass ich das Wappen abschaffen möchte. Wenn der Gemeinderat das neue Logo nicht will, dann kommt es nicht.
An dem Beispiel zeigt sich, wie schwierig Veränderung sein kann. Wo soll die Stadt Rastatt einmal stehen?
Rastatt sollte man nicht nur als Ort zwischen Baden-Baden und Karlsruhe wahrnehmen, sondern als selbstbewusste Stadt, in der die Menschen gerne leben und die gerne besucht wird. Wir wollen die Themen barocke Baukultur und Schlösser stärken und sie gemeinsam mit City-Management und Wirtschaftsförderung noch mehr in den Vordergrund rücken. Rastatt kann damit nach außen punkten.
Sie fahren mit dem Rad zur Arbeit und verzichten auf einen Dienstwagen. Wie klappt das im Berufsalltag?
Wenn ich ein Auto bräuchte, würde ich auf einen Dienstwagen aus dem Pool der Stadt zurückgreifen. Das war bislang nicht der Fall, weil ich mit dem Fahrrad gut klarkomme. Weitere Strecken fahre ich entweder mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder organisiere mir eine Mitfahrgelegenheit bei Kollegen. Das klappt sehr gut.
Sie verzichten damit auch auf Prestige und ein Statussymbol.
Ganz bestimmt verzichte ich damit auf ein Statussymbol. Mir geht es ein Stück weit um das Signal, sich möglichst umweltbewusst zu verhalten. Und da gehört nun mal das Fahrrad mit dazu. Radfahren ist für mich aber auch Gesundheitsvorsorge, weil ich an der frischen Luft bin und mich bewege. Außerdem spielt die finanzielle Seite eine Rolle: Ein Fahrer und ein Dienstwagen kosten die Stadt bis zu 100 000 Euro im Jahr – dieses Geld kann ich einsparen.
Zur Person
Die 51-jährige Sozialdemokratin wuchs in der Nähe von Rastatt auf und ging dort zur Schule. Ihr Jura-Studium schloss Monika Müller mit dem ersten und zweiten Staatsexamen ab. Nach der Station als Referentin im Bundestag war sie Referentin für Soziales, Familie, Bildung und Recht bei der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik. Anschließend war als Sozialdezernentin der Stadt Pforzheim tätig. Von 2018 bis 2023 war Müller Dezernentin der Stadt Wolfsburg für Soziales, Gesundheit, Klinikum und Sport.
Im Oktober 2023 wurde die Mutter von drei Kindern bei der Stichwahl zur Oberbürgermeisterin von Rastatt gewählt.