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Wärmenetze

KEA-BW hat Mustersatzung für Anschlusszwang erstellt

In dicht bebauten Innen- oder Altstädten bietet sich eine künftige Wärmeversorgung über ein Wärmenetz an. Doch ein Energieversorger braucht dafür auch genügend Kunden. Eine Möglichkeit ist ein Anschluss- und Benutzungszwang im Bestand. Dabei gilt es einiges zu beachten.

Auch eine Biogasanlage mit Wärmespeicher kann der Nahwärmeversorgung dienen. Foto: IMAGO/Joerg Boethling

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Stuttgart/Karlsruhe. Kommunale Satzungen für einen Anschluss- und Benutzungszwang an die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung sind üblich. Seit dem vergangenen Jahr ist im Landesgesetz auch ein Anschluss- und Benutzungszwang für Wärmenetze im Bestand verankert. Eine Karte, die Kommunen ziehen können, aber nicht müssen.

In Neubaugebieten wird dies bereits seit Jahren gemacht. Im Bestand ist es für die meisten Kommunen noch Neuland. Dabei wird dies durch Paragraf 16 des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes des Bundes aus Klimaschutzgründen bereits seit 2008 ermöglicht, vorausgesetzt es bestand bereits eine landesrechtliche Regelung. Diese Regelung gibt es im Südwesten erst seit Februar 2023.

Mit dem Klimaschutzgesetz wurde zugleich die Gemeindeordnung geändert. Seitdem können Kommunen in bestimmten Fällen einen Anschluss- und Benutzungszwang für Fernwärme aussprechen, um die Wirtschaftlichkeit für ein kommunales Wärmenetz zu erzielen. In Frage kommt dies etwa in denkmal- oder ensemblegeschützten Altstädten.

Instrument wird von Kommunen unterschiedlich bewertet

In den Kommunen wird das neue Instrument unterschiedlich gesehen. Während einige darin ein gutes Mittel sehen, um einem Investor Planungssicherheit zu verschaffen – schließlich kostet die Verlegung eines Wärmenetzes mit rund 1000 Euro pro Meter auch viel Geld – fürchten andere Kommunen, damit eher eine Abwehrhaltung in der Bürgerschaft zu erzeugen, sagt die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetags Baden-Württemberg, Susanne Nusser. In jedem Fall müsse das Nahwärmevorhaben in der Kommune gut kommuniziert werden.

„Ein Anschluss- und Benutzungszwang ist kein Allheilmittel“, sagt Nusser. Denn anschließen lassen müssen die Gebäudebesitzer ihr Haus erst, wenn die bestehende Heizung kaputt geht oder aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr weiterbetrieben werden darf. Allerdings weiß der Wärmeversorger, dass sich langfristig die meisten anschließen werden. Es gilt jedoch auch bei einem Anschluss- und Benutzungszwang: wer eine gleichwertige Alternative und Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes des Bundes erfüllt muss sich nicht anschließen lassen.

Ravensburg hat keinen Anschluss- und Benutzungszwang

Und so hat man sich beispielsweise in Ravensburg bei der Nahwärmeversorgung in der Altstadt gegen einen Anschluss- und Benutzungszwang entschieden. Die mit der Versorgung beauftragten Technischen Werke Schussental setzten statt dessen auf ein attraktives Angebot. Zehn Gebäude werden dort bereits mit Fernwärme versorgt. Über 100 haben bereits einen Anschluss und werden in den kommenden Jahren, wenn die aktuelle Heizungsanlage ausgedient hat, umstellen. Insgesamt liegen an der Trasse über 1000 Gebäude.

„Der Anschluss- und Benutzungszwang gilt als das schärfste Schwert, das eine Kommune ziehen kann, um die Anschlussquote an ein Wärmenetz an oder über das wirtschaftlich erforderliche Mindestmaß zu bringen“, sagt der Geschäftsführer der Landesenergieagentur KEA-BW, Volker Kienzlen. Deshalb gilt es dabei auch vieles zu beachten. So muss eine entsprechende kommunale Satzung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfüllen. Denn gesetzliche Eingriffe in Grundrechte dürfen nur zum Gemeinwohl erfolgen, müssen angemessen und für die Betroffenen zumutbar sein.

Mustersatzung können Kommunen an eigene Bedürfnisse anpassen

Hinzu kommt, dass eine Kommune laut KEA-BW einen Anschluss- und Benutzungszwang nur für ein Wärmenetz verhängen kann, das als „öffentliche Einrichtung“ betrieben wird. Das soll verhindern, dass ein Betreiber insolvent wird und die Belieferung einstellt. Zugleich führt ein Anschluss- und Benutzungszwang auch im Umkehrschluss zu einem Benutzungsrecht. Im Prinzip könnten Eigentümer sogar einen Anschluss fordern, auch wenn dieser möglicherweise für den Betreiber unattraktiv ist.

Die KEA-BW hat von einer Anwaltskanzlei nun eine Mustersatzung erstellen lassen. Der 35-seitige Vorschlag erhält auch erläuternde Hinweise. Er kann von den Kommunen angepasst werden. Weitere Infos für Kommunen unter waermewende@kea-bw.de

Schwäbisch Hall arbeitet mit Anschluss- und Benutzungszwang

Bei Neubaugebieten gibt es in Schwäbisch Hall seit Jahrzehnten einen Anschluss- und Benutzungszwang. Auch für verschiedene Bestandsgebiete hat der Gemeinderat entsprechende Satzungen verabschiedet. Die Erfahrungen sind positiv. Die Akzeptanz der Bürger sei sehr hoch, heißt es von Seiten der Stadt. In begründeten Fällen kann eine Befreiung vom Nutzungszwang erteilt werden. Gemeinsam mit den Stadtwerken lädt die Stadt Bürger von betroffenen Stadtteilen zu Infoabenden ein, um Fragen und Bedenken zu klären, bevor eine Satzung in den Gemeinderat eingebracht wird. Oftmals erhält die Stadt auch Anfragen, ob Gebäude die außerhalb des Erschließungsgebietes liegen, an das Fernwärmenetz angeschlossen werden können. Inzwischen hat Schwäbisch Hall ein ausgedehntes Fernwärmenetz. Die ersten Teile wurden schon vor 40 Jahren errichtet. Derzeit wird auf Haller Stadtgebiet beinahe ein Drittel des Endenergiebedarfs von der Fernwärme abgedeckt, wie die Stadt mitteilt. 

Stefanie Schlüter

stellvertretende Redaktionsleitung und Redakteurin Politik und Verwaltung

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