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Kommunen schlagen Alarm, das Land will helfen

Rathauschefs in der Region Stuttgart appellieren an das Land.
Stadt Leinfelden-Echterdingen/Bergmann)Stuttgart. Städtetagspräsident Frank Mentrup (SPD) hat sich bei Innenminister Thomas Strobl (CDU) für seine Wortwahl „Totalausfall“ entschuldigt: „Diese Formulierung war emotional überzogen und war auch inhaltlich falsch“, zitiert der Kommunalverband den Karlsruher Oberbürgermeister. Mentrup hatte damit auf die ablehnende Haltung des Landes nach einem Hilferuf der Stadt Baden-Baden reagiert. Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) hatte die „Krawallrhetorik“ kritisiert.
Strobl nahm die Entschuldigung an. Der Innenminister, der Finanzminister, der Chef der Staatskanzlei und die Kommunalverbände treffen sich am Freitag, um über Wege aus der Finanzkrise zu beraten.
Debatte: Kommunen vor dem Kollaps – Hilfe statt Haltungsnoten!
Die Kommunen sehen akuten Handlungsbedarf: Selbst in der reichen Region Stuttgart könnten die meisten aktuell keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. In einem gemeinsamen Appell fordern die Rathauschefs Bund und Land auf, die strukturelle Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden endlich zu beenden.
Im Landtag war die prekäre Haushaltslage am Mittwoch ebenfalls Thema. Die Debatte „Kommunen vor dem Kollaps – Hilfe statt Haltungsnoten!“ hatte die SPD beantragt. „Wir brauchen jetzt Unterstützung für unsere Kommunen insbesondere auch vom Land, und das schnell“, forderte Fraktionschef Andreas Stoch.
Die Kommunen hätten im Vorjahr erstmals über drei Milliarden Euro an Defiziten aufgehäuft. „Hören Sie den Kommunen zu, und beschweren Sie sich nicht über Lärm“, so Stoch mit Blick auf den Streit zwischen Mentrup und Strobl.
Die Fraktionen sprechen sich dafür aus, die Kommunalfinanzen neu zu regeln. In der Debatte forderte die Grünen-Abgeordnete Swantje Sperling, dass „in einem sehr deutlich umrissenen Rahmen“ rentable Schulden möglich sein müssen. Das Land müsse die Handlungsfähigkeit von Kommunen in einer absoluten finanziellen Schieflage absichern. Als Fehler bezeichnete Sperling, dass Bundesgesetze keine direkte Konnexität auslösen. Das Sondervermögen des Bundes müsse einen Investitionsschub auslösen.
Innenminister Strobl hob hervor, dass sich alle 16 Innenminister der Länder auf seinen Vorschlag hin dafür ausgesprochen hätten, den kommunalen Anteil am Umsatzsteueraufkommen zu erhöhen. Auch Grüne, SPD, FDP und AfD sehen darin ein geeignetes Mittel zur Stärkung der Haushalte. Die Entscheidung darüber liegt beim Bund.
Grundlegende Neuordnung der kommunalen Finanzen
Im angekündigten Gespräch mit den Kommunen möchte Strobl ausloten, wie man deren Liquidität kurzfristig erhöhen könne. Zudem verwies er auf die bisherige Unterstützung des Landes, außerdem will er beim Standardabbau nicht nachlassen.
Markus Rösler (Grüne) will die Regeln für Stadtwerke prüfen, die keine Kredite aufnehmen können, wenn die Kommune verschuldet ist. Zudem müssten die Gelder des Bundes bei den Stadtwerken ankommen. CDU-Finanzpolitiker Albrecht Schütte brachte eine „Sockelgarantie bei der Gewerbesteuer“ ins Spiel. Zudem solle der Förderanteil bei Programmen für Infrastrukturmaßnahmen – etwa im Schulbau – auf 90 Prozent erhöht werden, damit finanzschwache Kommunen Sanierungen stemmen können. Gleichzeitig sollte man hinterfragen, ob man Pflichtleistungen günstiger erbringen kann.
Vor einem Kahlschlag bei freiwilligen Leistungen warnte Julia Goll (FDP). Diese machten Kommunen „zu besonders lebens- und liebenswerten Orten“. Eine Neuordnung der Finanzen begrüßte sie. Neben der Umsatzsteuer solle auch der kommunale Anteil an der Lohn- und Einkommensteuer überprüft werden – dieser sei seit 1980 nicht mehr angepasst worden. Auch Emil Sänze (AfD) will diesen Anteil heben.
Kommunalfinanzen sind das drängendste Problem
Aus Sicht einer großen Mehrheit der Bürgermeister in Baden-Württemberg sollte sich die neue Bundesregierung als Erstes mit einer Stärkung der kommunalen Finanzen beschäftigen. In einer Umfrage des Gemeindetags gaben dies vier von fünf Befragten (81,5 Prozent) an. Für die Erhebung befragte der Gemeindetag die Rathauschefs seiner 1065 Mitgliedsstädte und Mitgliedsgemeinden. Geantwortet haben zwischen dem 6. Mai und dem 9. Mai 685 Kommunen.