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50 Jahre Regionalplanung

Kretschmann fordert klimagerechte Planung

Seit 50 Jahren sorgen zwölf Regionalverbände dafür, dass die Landesplanung für die Kommunen umgesetzt werden kann. Ein Thema, das oft im Verborgenen verhandelt wird, obwohl die Auswirkungen allgegenwärtig sind. Bei der Jubiläumsfeier in Stuttgart kamen nun von höchster landespolitischer Stelle Glückwünsche – und Forderungen.

Oft agieren sie im Verborgenen, anders ging es bei der Jubiläumsfeier 50 Jahre Raumordnung, Landes- und Regionalplanung zu. Thomas Bopp (Region Stuttgart, von links) begrüßte Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Ministerin Nicole Razavi.

Achim Zweygarth)

Stuttgart. Auf die Klimaneutralität des Landes 2040 schwor Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Regionalverbände bei der Jubiläumsfeier in Stuttgart ein. Regionalpläne müssten 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraft- und 0,2 Prozent für Photovoltaikanlagen ausweisen , und das gerichtsfest. „Nehmen Sie die Verantwortung ernst, weisen sie Flächen für PV und Wind aus“, schrieb der Grüne den 350 Gästen aus Verwaltung und Kommunalpolitik ins Stammbuch. Für den Ministerpräsidenten sichert die regenerative Energie auch den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.

Er lobte die Regionen im Sinne der Subsidiarität als die richtige Ebene für die Raumplanung. Aktuell werden alle Regionalpläne überarbeitet, sie sollen bis zum September 2025 im Zusammenhang mit der Planungsoffensive des Landes vorliegen. Es gehe darum, technologischen Entwicklungen ausreichend Raum zu geben , um Ansiedlungsstrategien proaktiv vorantreiben, so Kretschmann.

Das Flächenziel darf die Wirtschaft nicht abwürgen

Diesen Hinweis dürfte Landesbauministerin Nicole Razavi gerne gehört haben. Das Leitziel der Netto-Null beim Flächenverbrauch im Koalitionsvertrag von Grün-Schwarz bedeute nicht, dass das Land sich zum Freilichtmuseum wandle, erklärte sie. „Wir fallen im Vergleich zu anderen ganz allmählich zurück“ , so die Diagnose der CDU-Ministerin. Der neue Landesentwicklungsplan löst den seit 2002 gültigen Vorgängerplan ab und soll den verlässlichen Rahmen für die Transformationsprozesse im Lande bieten.

Dabei geht es auch um die baden-württembergischen Besonderheiten, etwa Weltmarktführer im ländlichen Raum, die eine passende Infrastruktur benötigen. In kurzer Distanz zu den Arbeitsplätzen soll es möglichst ausreichend Wohnraum geben , der ÖPNV müsse ausgebaut werden, wenngleich auf dem Land das Auto unverzichtbar bleiben werde. Razavi nannte etliche neue Aspekte, die ihre Planungsabteilung für den neuen Landesentwicklungsplan in Ausgleich bringen müsse, etwa die drohende Trinkwasserknappheit oder die Klimaresilienz von Städten. 

Damit dies gelingt, werde es verschiedene Bürgerbeteiligungsformate geben . Bei Bürgerdialogen debattieren 400 zufällig ausgewählte Bürger über den Plan, außerdem gibt es ein Online-Beteiligungsportal. Bürgermeister, Landräte und die betroffene Verwaltung treffen sich außerdem bei Regionaldialogen zur Diskussion der Planvorgaben.

Das war ganz im Sinne von Thomas Bopp (CDU), dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Regionalverbände in Baden-Württemberg. Der Vorsitzende der Region Stuttgart sagte der Ministerin zum Abschied, „ Wir Regionen wären auch gerne bei der Formulierung der Ziele des neuen Landesentwicklungsplans dabei.“ Immerhin bilde die Region das Scharnier zwischen der Landes- und der kommunalen Planung.

Wie dem Ministerpräsidenten bereitet Axel Priebs die Diskreditierung des Kompromisses Sorgen. Der Präsident der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft lobte bei seinem Überblicksvortrag Baden-Württemberg: „Hier arbeiten die Landes- und Regionalplanung im Vergleich zu anderen Bundesländern Hand in Hand.“ Seine Prognose für Mittelzentren mit direkter Bahnanbindung fiel positiv aus. Nachholbedarf sieht er beim Instrumentenkasten der Kommunen für den Netto-Null-Flächenverbrauch.

Priebs forderte mehr ÖPNV, auch auf neuen Schienen im ländlichen Raum, dort könnten sich viele Menschen ein Auto nicht leisten. Merklingen habe mit seinem Anschluss an die neue Schnellbahntrasse die Chance erkannt. Dichte in Wohngebieten solle kein Reizwort mehr sein, dank dichterer Bauweise könnten mehr Wohnungen preiswerter angeboten werden. 

Neue Technologien lösen bald die Menschheitsprobleme

Andere Dimensionen beackerte Vortragsredner Sven Gábor Jánszky. Erwartungen, die sein Beitrag unter dem Titel „So leben wir im Jahr 2073“ weckte, kassierte er gleich wieder. Zukunftsforschung auf 50 Jahre wäre „Wahrsagerei“. Vorhersagen ließe sich, dass die wesentlichen Fragestellungen der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten technisch gelöst würden, etwa durch Kernfusion, die nach Investorenaussagen bis 2040 verfügbar sei. Daher müsse die regenerative Energie für die Regionalplanung als Übergangstechnologie gelten. Medizinische Unsterblichkeitstechnologien seien die Zukunftsthemen, so eine auf Geldflussanalysen und Interviews mit Entscheidern der Tech-Branche basierenden Erkenntnis. Diese werden von einer KI flankiert, die das Bewusstsein Verstorbener für die Nachwelt abbilde.

Die Regionalverbände lösten vor 50 Jahren interkommunale Einzelvereinbarungen ab. Damals wurden per Gesetz zwölf Regionen gegründet, zwei dehnen sich heute per Staatsvertrag auch auf die Nachbarbundesstaaten aus. Die Regionen unterscheiden sich deutlich. Heilbronn-Franken hat mit 4765 Quadratkilometern die größte, der Mittlere Oberrhein mit 2137 Quadratkilometern die kleinste Ausdehnung. Die meisten Menschen leben in der Region Stuttgart (2,8 Millionen), die wenigsten in Ostwürttemberg-Heuberg (460 000).

Peter Schwab

Peter Schwab kümmert sich um verschiedene Journale der Zeitung und arbeitet außerdem im Crossmediateam und im Ressort Kreis und Kommune. Schon während seines Jura-Studiums hat er für verschiedene Zeitungen geschrieben, später volontiert und als Lokalredakteur gearbeitet. Nach seiner Zeit als Pressesprecher hat er erneut die Seiten gewechselt und ist 2022 zum Staatsanzeiger gegangen – und damit zum guten alten Journalismus zurückgekehrt.

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