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Normenkrollrat macht Vorschläge für weniger Bürokratie in Kitas

Bürokratische Auflagen erschweren den Arbeitsalltag in den Kitas. Der Normentrollrat hat nun aufgezeigt, was sich hier ändern muss.
FamVeldman via imago-images.de)Stuttgart. Wie hoch darf eine Türklinke in der Kita sein? Darf eine Erzieherin eine Zecke entfernen – auch ohne elterliche Zustimmung? An solchen Detailfragen zeigt sich, wie sehr Bürokratie den Alltag in Kindertageseinrichtungen bestimmt. Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg fordert nun grundlegende Erleichterungen.
Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg (NKR) hat die bürokratischen Hürden in Kitas gemeinsam mit Praktikerinnen und Praktikern unter die Lupe genommen. In zwei Workshops mit Erzieherinnen, Trägern und weiteren Verantwortlichen wurden Belastungen identifiziert und über 20 Lösungsansätze entwickelt.
Die stellvertretende NKR-Vorsitzende Margret Mergen stellte die Ergebnisse zusammen mit Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der IHK Region Stuttgart, am Donnerstag vor. Im Fokus des Checks standen zwei Bereiche: die aufwendigen Verfahren zur Erteilung einer Betriebserlaubnis und die Hemmnisse im laufenden Betrieb. Vor allem starre Vorgaben zu Gruppenstrukturen erschwerten den Kita-Alltag. Der NKR fordert deshalb eine zügige Novellierung der Kindertagesstättenverordnung, um die Vielzahl kleinteiliger Angebotsformen zu reduzieren.
Nicht nur der Gesetzgeber verkompliziert den Kita-Alltag
Handlungsbedarf sieht der Normenkontrollrat auch beim Mindestpersonalschlüssel. Baden-Württemberg verfüge hier im Ländervergleich zwar über einen sehr guten Wert, dennoch sei eine Reform notwendig. Für den Bau neuer Einrichtungen wünscht sich die Praxis klar definierte Mindeststandards pro Kind, etwa für die Anzahl von Toiletten oder Aufenthaltsflächen. Werden diese erfüllt, sollte die Genehmigung für das Gebäude als Ganzes erteilt werden können. NKR-Mitglied Herre betonte die wirtschaftliche Bedeutung leistungsfähiger Kitas, insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel. Übermäßige Bürokratie bremse den Ausbau weiterer Plätze und erschwere es vielen Eltern – in der Praxis häufig Müttern –, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Doch nicht allein der Gesetzgeber trage zur Bürokratisierung bei. Herre appellierte auch an Eltern, alltägliche Lebensrisiken stärker zu akzeptieren, etwa wenn sich Kinder verletzen.
Mergen verwies zudem auf die Verantwortung der Träger: In vielen Einrichtungen würden Entwicklungsfortschritte weit über das geforderte Maß hinaus dokumentiert. „Bürokratie entsteht nicht nur in Ministerien, sondern auch in der Praxis“, sagte die frühere Oberbürgermeisterin von Baden-Baden. Notwendig seien vor Ort angepasste Konzepte. Als Beispiel nannte sie Offenburg, wo Ehrenamtliche den Kita-Alltag unterstützen. Solche Best-Practice-Modelle könnten auf einer landesweiten Plattform gesammelt und zugänglich gemacht werden.
Vorschläge gehören jetzt auf die politische Agenda
Als Schritt in Richtung Flexibilisierung wertet Mergen auch den vom Städtetag initiierten Erprobungsparagrafen. Er erlaubt es Trägern, von bestehenden Regelungen abzuweichen, etwa bei der Gruppengröße. Nach Angaben des NKR wurden bislang rund 500 Anträge gestellt, davon etwa 420 bewilligt.
Kritik an diesem Instrument kommt aus der SPD-Landtagsfraktion. Der Abgeordnete Andreas Kenner warnt vor Qualitätseinbußen in der frühkindlichen Bildung. Die Folgen würden vor allem die verbliebenen pädagogischen Fachkräfte tragen, die zunehmend ungelernte Zusatzkräfte einarbeiten müssten. Sinnvoll seien dagegen der Abbau unnötiger Dokumentationspflichten und eine schrittweise Genehmigung neuer Einrichtungen.
Der Städtetag begrüßt den „umfassenden Praxis-Check“ des NKR. „Diese Vorschläge gehören jetzt auf die politische Agenda“, sagte Ralf Broß, geschäftsführendes Vorstandsmitglied.
Alle Vorschläge des NKR finden Sie hier.
Der Normenkontrollrat
Der Normenkontrollrat (NKR) Baden-Württemberg berät die Landesregierung seit 2018 zu besserer Rechtsetzung, Bürokratievermeidung und Bürokratieabbau. Der NKR befasst sich mit neuen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und macht Vorschläge zur Vollzugstauglichkeit sowie zu Rechts- und Verwaltungsvereinfachungen. Dem unabhängigen Gremium gehören Dieter Salomon, Margret Mergen, Susanne Herre, Alexander Kozel, Adrian Probst und Dorothea Störr-Ritter an.