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„Barbershops schießen wie Pilze aus dem Boden“

Wer darf mit Schere und Kamm an den Kunden ran? Fraglos alle Haarregionen am Kopf darf der Meister seines Fachs bearbeiten.
Simon Kremer)Herrenberg. Der Herrenberger Kreisrat Hasso Kraus (Volt/ÖDP) hat sich in den vergangenen Wochen eines Themas angenommen, das viele Kommunen beschäftigt. „Barbershops schießen wie Pilze aus dem Boden“, sagt der Kandidat bei der Bundestagswahl. Handwerkskammer und Gesundheitsamt müssten ihre Kontrollen intensivieren, „denn offensichtlich gibt es immer noch zu viele Barbershops, die aus Gefälligkeit, Unwissenheit oder wegen des zusätzlichen Umsatzpotenzials Friseurdienstleitungen ohne Berechtigung erbringen“.
Friseurbranche und Barbershops werden bestens kontrolliert
Das Thema sei nicht neu, heißt es auf Anfrage auch im Städtetag. Letztlich gehe es um die rechtspolitisch zu beantwortende Frage, ob der Katalog der meisterpflichtigen Handwerksberufe, die sogenannte Anlage A zur Handwerksordnung, reformiert werden müsse, sagt ein Sprecher, „da nur Friseure, nicht aber Barbiere der Meisterpflicht unterliegen“.
Der Bundesgesetzgeber habe die Meisterpflicht im Jahr 2004 deutlich entschärft, im Jahr 2020 wurde sie wieder verschärft. Und Friseure monierten „durchaus nachvollziehbar“, dass es keinen Unterschied mache, ob man mit der Schere am Kopf oder mit dem Messer am Hals arbeitet.
Dokumentiert ist, wie bei Ordnungsämtern regelmäßig anonyme Anzeigen und Beschwerden eingehen, unstrittig zudem, dass Verstöße gegen die Meisterpflicht bußgeldbewehrt sind. „Aber sie lassen sich naturgemäß kaum nachweisen“, sagt der Städtetagsprecher. Der Kommunale Ordnungsdienst könne ja nicht flächendeckend vor den Fenstern der Barbershops stehen und deren Arbeit überwachen.
Betriebe müssen schriftlich oder elektronisch einen Hygieneplan führen
Im Leitfaden des Ludwigsburger Gesundheitsamts wird auf die Verbreitung von Infektionen hingewiesen, die durch verschiedene Mikroorganismen wie Pilze, Bakterien und Viren übertragen werden können. „Um Ihre eigene Sicherheit, die Ihres Personals und die Ihrer Kundinnen und Kunden zu gewährleisten, ist es wichtig, dass Hygienemaßnahmen in Ihren Betrieben systematisch und routinemäßig durchgeführt werden“, lautet einer der Ratschläge.
Schriftlich oder elektronisch einen Hygieneplan zu führen, sei nach der Hygiene-Verordnung des Landes rechtliche Pflicht. Verlangt sind auch regelmäßige Schulungen und die Kontrolle der Beschäftigten, um eventuelle Hygienemängel zu korrigieren.
Die Handwerkskammer kann keine Kontrollen durchführen
Die Handwerkskammer Region Stuttgart erklärt, mangels Befugnissen selber keine Kontrollen durchführen zu können. Allerdings gehe sie unter dem Stichwort Schwarzarbeit gemeinsam mit den zuständigen Partnern wie den unteren Verwaltungsbehörden, Landratsämtern, Gewerbe- und Bußgeldstellen der großen Kreisstädte, mit Zoll, Polizei und Kreishandwerkerschaften „regelmäßig gegen illegale Machenschaften in der Region Stuttgart vor“.
Auch Hinweisen von außen werde nachgegangen. „Die Impulse kommen sowohl durch den Zoll selbst als auch durch Anfragen der Handwerkskammer“, sagt eine Sprecherin, „und wir pflegen dieses Netzwerk, auch indem wir im vergangenen Jahr zwei Schulungen für die unteren Verwaltungsbehörden durchgeführt haben und darüber hinaus sehr erfolgreich jeden Herbst eine Fachtagung Schwarzarbeitsbekämpfung durchführen.“
Nach Angaben der Kammer gehören die Friseurbranche und die Barbershops zu den am besten kontrollierten Gewerken. Dabei sei ein Barber wie ein Friseur zu behandeln, „denn die Begrifflichkeit des Barbers wird nicht streng handwerksrechtlich genutzt, sondern vielmehr oft als Synonym für sogenannte Herrenfriseure“.
Das wiederum bedeutet, dass die Handwerkskammer immer prüft, ob der Gründer eintragungspflichtig und damit qualifikationspflichtig wäre. In diesem Fall fordert sie zur Eintragung auf beziehungsweise verlangt den entsprechenden Qualifikationsnachweis für die Eintragung.
Häufig eingesetzt würden Instrumente wie Betriebs- und/oder Gewerbeuntersagung, gegebenenfalls die Löschung von Amts wegen. Nach der Satzung und Handwerksordnung seien die Handwerkskammern aber unzuständig für die Bereiche des Gesundheits- und des Verbraucherschutzes.
Rasieren steht als Broterwerb allen Menschen offen
Hasso Kraus hat den schmalen Grat zwischen Barbershop und Friseur herausgearbeitet. Es gebe die sogenannte Bügelgrenze, das heiße: „Barbiere ohne Meisterbrief dürfen nur unterhalb des Brillenbügels Haar und Haut behandeln, oberhalb obliegt das Frisieren ausschließlich einem Meisterbetrieb.“ Der Kreisrat kennt sich aus, er war früher selber einschlägig tätig. Verletzungen der Ohren und der Augen durch Messer und Schere, aber auch Schädigungen der Haut durch falsch eingesetzte Chemikalien oder mangelnde Hygiene könnten zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden führen.
Dies werde auch durch die befragten Friseurunternehmen bestätigt. „Es wird am Kopf des Kunden mit gefährlichem Handwerkszeug, mit Messern, Klingen und Scheren, mit Chemikalien, Farbe, Tönung und Dauerwellflüssigkeit, gearbeitet“, berichtet Kraus. Das aber bedarf einer ganz besonderen Aufmerksamkeit und setzt eine spezielle anspruchsvolle Ausbildung voraus, die nur ein Meister seines Fach auch nachweisen kann.
Wenig Bußgeld für Frisöre
Im Jahr 2023 gab es im Bezirk der Handwerkskammer insgesamt 114 Verfahren wegen Betriebsuntersagungen und 629 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten. Zudem wurden 47 Bußgeldverfahren im Bereich Schwarzarbeit und unerlaubter Handwerksausübung durchgeführt, die zu einer Bußgeldhöhe von mehr als 181 500 Euro führten, davon 1500 Euro im Friseurhandwerk.
Die mit großem Abstand höchste Bußgeldsumme wurden für Verstöße im Gewerk Bäcker mit 70 800 Euro festgesetzt. Auf den Plätzen zwei und drei folgten die Gewerke Maler und Lackierer mit 52 000 Euro und Zahntechnik mit 22 500 Euro, so die Handwerkskammer.