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Angebot für Suchtkranke 

Stuttgart: Drogenkonsumraum soll Leben retten

Sie bieten saubere Spritzen und geschultes Personal – Drogenkonsumräume helfen suchtkranken Menschen beim Überleben. In Stuttgart eröffnete am Mittwoch die dritte Einrichtung dieser Art in Baden-Württemberg.

Einrichtungsleiterin Elena Feller und ihre Mitarbeiter beraten und betreuen im Stuttgarter Drogenkonsumraum Kombo suchtkranke Menschen.

Caritas Stuttgart / Hugh Hinderlider)

Stuttgart. „Auf der Straße zu konsumieren, ist verdammt stressig“, sagt Giaco I. Und es ist gefährlich. Im Falle einer Überdosis dauert es oft zu lange, bis Hilfe kommt. Der 34-Jährige ist gelernter Zimmermann und seit 15 Jahren schwer drogenabhängig. Er hat schon viele Freunde an die Sucht verloren. Im Kombo, Stuttgarts erstem Drogenkonsumraum, kann er künftig mit sauberer Spritze und unter Aufsicht die Drogen nehmen.

Die Zahl der Drogentoten ist stark angestiegen

Der Konsumraum mit Beratung und Orientierung (Kombo) soll Leben retten: Denn viele Drogenabhängige sind wohnungslos und konsumieren unter schlechten hygienischen Umständen auf der Straße, auf Plätzen oder in Hauseingängen, so die Caritas. Die Zahl der Drogentoten im Land ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2023 stark angestiegen: von 141 auf 195.

Ursache ist laut Experten der gefährliche Mischkonsum. Ohne die bundesweit 32 Drogenkonsumräume wäre die Opferzahl noch höher. Laut Caritas konnten 2023 über 650 Tote verhindert werden. In Stuttgart starben im vergangenen Jahr 20 Menschen an Rauschgift.

Kombo befindet sich im zweiten Stock eines Kontaktcafés des katholischen Wohlfahrtverbands. Hier gibt es drei Plätze für intravenösen Konsum und eine Inhalations-Box für den weniger riskanten Konsum. Die Suchtkranken erhalten Einmalspritzen, Kanülen, Tupfer, Ascorbinsäure und Injektionszubehör. Alles hygienisch einwandfrei, betont Einrichtungsleiterin Elena Feller. Kommt es zur Überdosierung, sind die geschulten Mitarbeiter sofort zur Stelle. Zudem beraten sie die Konsumenten für eine Substitution und vermitteln Arbeitsgelegenheiten.

Das erste „Fixerstübli“ eröffnete im schweizerischen Bern

Träger von Kombo ist die Caritas Stuttgart gemeinsam mit der Drogenberatungsstelle Release. Beide haben bereits vielfältige Angebote in der Suchthilfe und betreiben gemeinsam eine Tagesklinik – nur ein Konsumraum fehlte bislang. Das bewährte Zusammenspiel der beiden Träger soll sich auch im Namen wiederfinden.

Roland Baur vom Verein JES (Junkies, Ehemalige, Substituierte) erinnert am Tag der Eröffnung daran, dass sein Verein den Konsumraum bereits seit 20 Jahren fordert. „Ich möchte mir nicht ausrechnen, wie viele Leben man bisher hätte retten können“, sagt er. Dennoch überwiege für ihn jetzt die Freude.

Das erste „Fixerstübli“ gab es bereits vor rund 40 Jahren im schweizerischen Bern. In Deutschland gab es die ersten Räume in Hamburg und Frankfurt 1994.

Der erste Drogenkonsumraum in Baden-Württemberg eröffnete im Dezember 2019 in Karlsruhe, nachdem das Land eine entsprechende Verordnung erlassen hatte. Seit vergangenem Jahr gibt es auch einen in Freiburg. Diskutiert wird derzeit in Mannheim über eine solche Einrichtung. In Stuttgart war eine Vorbereitungsphase nötig: Grünes Licht für die Einrichtung gab der Gemeinderat der Landeshauptstadt bereits 2021.

Der Konsumraum ist kein rechtsfreier Raum

Dass nun Stuttgart als dritte Stadt nachzieht, bezeichnet Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann als „Meilenstein“. Die Städte Karlsruhe und Freiburg hätten gute Erfahrungen mit den Einrichtungen gemacht: Todesfälle gab es bislang keine, betont sie. Zwar erreiche die ambulante Drogenhilfe in Stuttgart 4500 Menschen jährlich mit ihrem Angebot. Kombo schließe nun eine Versorgungslücke für Menschen mit problematischem Drogenkonsum, erläutert Sußmann.

Der nun eröffnete Standort in der Lazarettstraße ist eine Interimslösung. Die Landeshauptstadt gab dafür 935 000 Euro. Bis 2028 soll der endgültige Standort in der Ossietzkystraße bezogen werden. Für die Sanierung der städtischen Immobilie stellt die Stadt 3,2 Millionen zur Verfügung. Jährlich fallen Personal- und Sachkosten in Höhe von 500 000 Euro an, so die Caritas.

Baur vom Verein JES, einst selbst abhängig, hofft, dass die Polizei den Konsumenten nicht an „jeder Ecke“ vor dem Konsumraum kontrolliert. Sonst würde dieser nicht akzeptiert. Denn klar ist: Die Konsumenten dürfen nur Drogen zum Eigenbedarf mitbringen, Alkohol, Nikotin und Cannabis sind verboten. Die Polizei unterstütze den Ansatz der Stadt Stuttgart vollumfänglich, betont Alexander Stadler, Leiter der Kriminalpolizei Stuttgart. Allerdings sei der Konsumraum und dessen Umfeld kein rechtsfreier Raum, Drogenhandel werde nicht toleriert.

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Weitere Informationen zu Kombo finden Sie hier .

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