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Videoüberwachung

Tobias Keber: „Gemeinden sind keine datenschutzfreien Zonen“

Landesdatenschützer Tobias Keber sieht einen Trend zu mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Doch die Einschränkung von Grundrechten muss gut begründet sein.

Nicht jeder fühlt sich durch Kameras auf öffentlichen Plätzen und privaten Grundstücken sicherer. Die Zahl der Eingaben und Beschwerden dagegen ist um 70 Prozent gestiegen.

dpa/Martin Schutt/LfDi)

Stuttgart. In Tübingen wollte Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) den Busbahnhof per Kamera überwachen lassen. Doch sowohl der Landesdatenschutzbeauftragte Tobias Keber als auch das Regierungspräsidium Stuttgart rieten davon ab: Die rechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Die Unistadt Tübingen ist kein Einzelfall. Landesweit nimmt der Wunsch nach mehr Videoüberwachung im privaten und öffentlichen Raum spürbar zu. Keber und sein Team bearbeiteten im vergangenen Jahr 281 Beschwerden und Eingaben, in diesem Jahr waren es bereits 487 – ein Anstieg um rund 70 Prozent. Die Bandbreite ist groß: Sie reicht von Nachbarschaftsstreitigkeiten bis zu Streit über Kameras auf Marktplätzen. „Wir kontrollieren nur, wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt, Beschwerden eingehen oder bekannt wird, dass eine Stadt Videoüberwachung plant“, sagt der Datenschützer.

Warnung vor dem Verlust von Grundrechten

Keber warnt vor einem schleichenden Verlust von Grundrechten. „Es wird das Grundrecht tangiert, sich unbeobachtet im öffentlichen Raum zu bewegen. Dieses Recht ist durch die Verfassung und die europäische Grundrechte-Charta geschützt.“

Videoüberwachung ist im öffentlichen Raum deshalb nur unter strengen Auflagen erlaubt. Laut Polizeigesetz muss ein Kriminalitätsschwerpunkt vorliegen – also ein Ort, an dem überdurchschnittlich häufig Straftaten begangen werden – und es muss eine Prognose geben, dass sich dies fortsetzt. In Heilbronn etwa wird deshalb nur zu bestimmten Zeiten überwacht, wenn erfahrungsgemäß vermehrt Straftaten auftreten.

Weitere Vorgaben macht das Landesdatenschutzgesetz, dessen Neufassung derzeit im Landtag beraten wird. Besonders beim Objektschutz gibt es Diskussionsbedarf – etwa bei der Überwachung von Müllcontainern zur Verhinderung illegaler Entsorgung. Zwar erlaubt Paragraf 18 die Überwachung bestimmter öffentlicher Einrichtungen, doch die Regelung ist eng gefasst. „Aktuell ist die Videoüberwachung von Müllcontainern meist unzulässig“, betont der oberste Datenschützer des Landes.

Über den Nutzen der Technik äußert sich Keber skeptisch

Auch bei Schulen sind differenzierte Lösungen nötig. Während des Schulbetriebs ist Videoüberwachung nahezu ausgeschlossen. Anders ist es nachts, wenn Schulhöfe von Unbefugten genutzt werden – hier kann eine Überwachung unter Umständen zulässig sein. Besonders sensibel sind auch öffentliche Toiletten, wo Videoüberwachung grundsätzlich nicht zulässig ist, und Schwimmbäder, in denen fast immer eine sehr strenge Einzelfallprüfung erforderlich ist.

Diese Prüfverfahren sind für Städte und Gemeinden oft komplex. Keber zeigt Verständnis: Kommunen stünden unter großem Druck und müssten viele Aufgaben bewältigen. „Aber auch Gemeinden sind keine datenschutzfreien Zonen“, sagt er. Sein Team unterstützt sie mit Beratung und Checklisten. Wo nötig, unterbinde es rechtswidriges Handeln.

Über den Nutzen der Technik äußert sich Keber skeptisch: Bei Müllablagerung würde der Müll oft einige Meter weiter abgeladen. Bei Graffiti helfe die Kamera nicht, wenn die Täter vermummt sind. Auch bei der Überwachung von Plätzen werde nur eine Gefahr abgewehrt, wenn tatsächlich jemand zuschaut.

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