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Kommunalwahl

Wie werden Migranten mehr eingebunden?

Migranten sind in Baden-Württemberg in einem viel geringeren Maß in kommunalen Gremien vertreten als ihr prozentualer Anteil in der Bevölkerung es vermuten ließe. Der Landesverband der Migrantenvertretungen (Laka) will das mit einem kommunalen Wahlrecht für Menschen aus Drittstaaten ändern.

Migrantenvertreter fordern, dass die gesamte Stadtbevölkerung bei der Kommunalwahl wählen darf.

dpa/WESTEND61/Jose Carlos Ichiro)

Stuttgart. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen zuweilen größere Lücken. Das gilt auch für die Frage, ob in den kommunalpolitischen Gremien alle gesellschaftlichen Gruppen in ausreichendem Maße vertreten sind. Ein Blick in die Statistiken liefert ein ebenso ernüchterndes wie klares Ergebnis. Denn die Antwort auf diese Frage lautet regelmäßig: nein. Das gilt insbesondere auch für Menschen mit einem Migrationshintergrund.

In Gemeinderäten und Kreistagen beträgt der Anteil im Durchschnitt rund fünf Prozent, obwohl knapp 31 Prozent der Bevölkerung in Baden-Württemberg nach Erhebungen des Statistischen Landesamts einen Migrationshintergrund haben. Der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen will, dass sich die gesellschaftliche Realität besser abbildet.

„Stille Ausschlussmechanismen“ schränken Handlungsfähigkeit ein

Die Vollversammlung des Landesverbands in Mannheim hat deshalb vor wenigen Tagen eine Forderung verabschiedet, die an den Landesgesetzgeber gerichtet ist. Die Migrantenvertretungen wollen erreichen, dass auch Menschen aus Drittstaaten bei kommunalen Wahlen den Gang zur Urne antreten können. Ausgehend von der These, dass Migranten verstärkt Migranten in die Gremien wählen würden, soll sich so auch deren Anteil an Mandatsträgern in Gemeinderäten und Kreistagen erhöhen.

Gleichzeitig nimmt die Geschäftsführerin des Laka, Argyri Paraschki-Schauer, die Migrantenvertretungen selbst in die Pflicht: „Politik wird nicht für, sondern von Menschen gemacht“. Die Beiräte müssten erkennen, dass sie selbst verantwortlich sind, die politische Mitbestimmung voranzubringen, ergänzt sie. „Demokratie lebt von Stimmen und von Beteiligung. Menschen müssen begreifen, dass sie ihre Interessen selbst vertreten können“.

Auf der anderen Seite seien Politik und Verwaltungen dazu aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten, betont Maria Schiller von der Erasmus University in Rotterdam in einem Vortrag auf dem ersten Landesfachtag der kommunalen Migrantenvertretungen Ende November. Es sei bedeutsam, dass Migrationsbeiräte respektiert und ernst genommen würden. Sie vertritt die These, dass es sogenannte „stille Ausschlussmechanismen“ gibt, „die vielerorts eine weitreichende Handlungsfähigkeit verhindern“.

Migrationsbeiräte nicht nur symbolisch begreifen

Oftmals fehle es beispielsweise an der Unabhängigkeit von Gremien, was das Durchsetzen eigener Interessen behindere und einem Vertrauensverhältnis abträglich sein könne. Gleichzeitig gebe es große Unterschiede zwischen den Kommunen, stellt Schiller fest, etwa was den Umfang politischer Rechte, die Verantwortlichkeit in der Kommunalpolitik und die Möglichkeiten der Eigeninitiative von Migrantenvertretungen angehe.

Sie appelliert an die Handelnden in den Kommunen, Migrationsbeiräte nicht nur symbolisch zu begreifen. Sie seien auch Instrumente des Staates. Die Vorsitzende des Mannheimer Migrationsbeirats, Zahra Alibabanezhad Salem, verweist beispielsweise auf das Rede-, Anhörungs- und Antragsrecht ihres Gremiums zu Angelegenheiten aus dem Bereich Integration im Gemeinderat.

Die Delegierten der Vollversammlung haben außerdem an die Kommunen appelliert, die europäische Städteerklärung „Unsere Städte – unsere Stimme“ zu unterzeichnen. Darin wird unter anderem gefordert, dass die gesamte Stadtbevölkerung kommunales Wahlrecht erhalten solle.

Dies stärke den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Zugehörigkeit und die Demokratie. „Partizipation auf Augenhöhe ist die demokratische Antwort auf Rechtsnationalismus und Ausgrenzung“, heißt es in der Erklärung weiter.

Fast jeder zweite Bewohner mit Migrationshintergrund

In Stuttgart hat fast jeder zweite Bewohner einen Migrationshintergrund – also noch einmal deutlich mehr als der Landesdurchschnitt. Im Gemeinderat liegt der Anteil jedoch bei nur 15 Prozent. Mehmet Ildes, sieben Jahre lang Mitglied im Jugendrat und auch dessen Sprecher, hat im Frühjahr den Verein „Local Diversity“ gegründet. Sein Ziel: Bei der nächsten Kommunalwahl im Juni sollen mehr Menschen mit Migrationshintergrund in den Gemeinderat der Landeshauptstadt gewählt werden.

Für ihn finden Themen, die Migranten interessieren könnten, zu wenig im Gemeinderat statt. Und auch in den Schulen sieht er Defizite: Aus seiner Sicht wird dort zu wenig über Kommunalpolitik gesprochen.

Marcus Dischinger

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