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Aufforderung zum Grenzgang

In „Void“ präsentiert Wim Vandekeybus eine Welt, in der die Außenseiter im Mittelpunkt stehen. Foto: Danny Willems
Danny Willems)Heilbronn. „Es ist der multiperspektivische Zugang, der den zeitgenössischen Tanz zurzeit ausmacht“, sagt Canan Erek, Kuratorin des Festivals Tanz!Heilbronn. „Es geht um ein neues Bewegungsvokabular, neue Themen.“ Was Erek meint, wird klar, wenn man „Foreshadow“ der belgischen Compagnie Not Standing sieht: Im Eröffnungsstück des Festivals verbinden sich Tanz und moderner Zirkus zu einem Grenzgang dessen, was der menschliche Körper an Bewegungsmöglichkeiten hat – zumindest, wenn er einem ausgebildeten Tänzer gehört, der mit Seinesgleichen in Interaktion tritt. Im Zusammenspiel entsteht Neues, das die Vorstellungen von Balance und fast schon der Physik infrage stellt.
„Im zeitgenössischen Tanz geht es nicht nur um Technik, sondern es werden Körperarbeit, Zirkus, Gesang integriert“, meint Erek. „Es sind keine Grenzen gesetzt, die Mischung macht es aus.“ Um diese Vielfalt abzubilden, hat Erek Compagnien aus den Niederlanden, Luxemburg, Spanien, Belgien und dem Vereinigten Königreich eingeladen. „Es ging nicht darum, ein Motto festzulegen und dann die passenden Stücke zu wählen.“ Vielmehr werde im Programm ästhetische Fragen wie aktuelle Themen aufgegriffen.

So ist das Stück „Hush“ der niederländischen Compagnie De Dansers eine Melange aus Tanzperformance und Popkonzert. „Hush“ werde nicht durch individuelle Darbietungen erzählt, sondern durch die akribische Aufmerksamkeit und Hingabe, die zwischen den Spielern herrsche – und setzt so in seiner ganz eigenen Tanzsprache einen Kontrapunkt zu „Foreshadow“.
Gerade solche Impulse fruchtbar zu machen, dafür stehen die internationalen Festivals für zeitgenössischen Tanz im Land. Beim Frei Art Festival in Merzhausen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) stand Anfang Mai neben dem Bühnenprogramm Vernetzung und Interaktion im Mittelpunkt. Auf der internationalen Plattform für Tanz, Austausch und kreative Experimente treffen sich Tänzerinnen und Tänzer, um in Workshops mit renommierten Künstlern neue Techniken zu erlernen und den eigenen Ausdruck zu erweitern.
Festivals wollen mit Mitmach-Formaten in die Stadt ausstrahlen
In einem größeren Rahmen bietet das Colours International Dance Festival in Stuttgart vom 20. Juni bis 13. Juli „zeitgenössischen Tanz auf der Höhe der Zeit“, wie es in der Ankündigung des Theaterhauses Stuttgart heißt. Auch dieses Festival will die Vielfalt der Stile und internationale Trends präsentieren, verklammert mit dem roten Faden der „Sehnsucht nach Gemeinschaft“, wie Programmchef Meinrad Huber es zusammenfasst. Veranstalter ist das Theaterhaus.

Die Stadt Stuttgart und das Kunstministerium fördern das Festival – das nach einer dreijährigen Pause nun wieder in den Biennale-Rhythmus überführt wird. Colours kombiniert die in diesem Jahr 15 Bühnenprogramme mit „Colours in the City“, mit dem das Festival in die Stadt ausstrahlt: mit Mitmach-Formaten, dem Familientag in der Wilhelma und Kollaborationen mit anderen Veranstaltern, etwa den Arthaus-Kinos und dem Kessel-Festival Anfang Juli auf dem Cannstatter Wasen.
Auch das Festival Tanz!Heilbronn setzt darauf, Brücken in die Stadt zu schlagen. „Tanz ist sehr zugänglich“, sagt Erek. „Es geht darum, offen zu sein und Neues zu entdecken, um Erlebnis, weniger um Verstehen.“ Fest zum Programm gehört deshalb ein Community-Dance-Projekt, das 2025 unter dem Motto „Im Rhythmus der Vielfalt“ steht. Die Choreografin und Tänzerin Karolin Stächele und die Soundkünstlerin und Tänzerin Fiona Combosch erarbeiten mit allen, die Lust auf Tanzen haben, eine Choreografie, die als Festival-Abschluss in der Stadt präsentiert wird.
Ziel dieses intergenerationellen Projekts: den Austausch zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen anzuregen, die Vielfalt Heilbronns sichtbar zu machen. „Der Prozess ist wichtig“, so Erek. „Menschen kommen über Tanz zueinander.“