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Porträt: Paula Lutum-Lenger

Bilanz eines Berufslebens im Haus der Geschichte: Direktorin Paula Lutum-Lenger geht in den Ruhestand

35 Jahre an einem Arbeitsplatz: Wer das von sich sagen kann, zeichnet sich durch großes Beharrungsvermögen aus – oder hat einen Job gefunden, der so erfüllend ist, dass er durchs gesamte Berufsleben trägt. Bei Paula Lutum-Lenger, der scheidenden Direktorin des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, gilt Letzteres.

Paula Lutum-Lenger leitete sechs Jahre das Haus der Geschichte. Foto: Haus der Geschichte BW

Stuttgart. Seit dem 1. April heißt es: Ruhestand. Dass der nicht ganz so ruhig sein wird, lässt sich vermuten. „Die Kunst des Raumes wird weiter mein Thema bleiben, aber in anderer Weise, in anderer Struktur“, sagt Paula Lutum-Lenger. In den vergangenen sechs Jahren hat sie als Direktorin für das Haus der Geschichte Baden-Württemberg die Fäden in der Hand gehabt, das Haus mitgeprägt hat sie seit 35 Jahren. Heute sagt sie: „Das Haus der Geschichte ist ein historisch-politisches Museum, in dem aktuelle Themen präsentiert werden, ein Lernort der Demokratie, das sich für Demokratie engagiert.“

Die Bilanz eines Berufslebens fällt bei ihr mit der Entwicklung des Museums zusammen. 1989 ist sie als Sammlungs- und Ausstellungsleiterin eingestiegen. „Natürlich bin ich da nicht mit einem 35-Jahres-Plan hingekommen“, sagt Lutum-Lenger, „Die Offenheit der Situation hat mich gereizt, nichts war festgeschrieben, es gab enorme Gestaltungsmöglichkeiten, ich konnte das Konzept für ein solches Haus mitentwickeln, eine Sammlung für das Land aufbauen.“

Das Team um den ersten Direktor Thomas Schnabel hat von Anfang an eine Marke gesetzt: Objekte sollten es sein, die selbst eine Geschichte haben und Geschichte erzählen – unter der Perspektive: Wie wird die „große“ Geschichte von den Menschen im Land erfahren? Dann geht es in einer Ausstellung nicht mehr nur um Herrschaftsinsignien, Urkunden oder sonstige Zeugnisse der Macht, sondern um ganz andere Objekte: den Stahlhelm Ernst Jüngers aus dem Ersten Weltkrieg mit dem Durchschussloch, den er Zeit seines Lebens aufbewahrt hat, oder um den Bauzaun von Stuttgart 21, der 2010 ins Haus der Geschichte überführt wurde.

Aktuelle Debatten aufnehmen und Informationsräume schaffen

„Wir stellen auch Geschichte aus, die noch qualmt“, so Lutum-Lenger, das Museum wolle „gerade die aktuellen Debatten aufnehmen und Informationsräume schaffen“. Es gehe darum, den richtigen Moment zu erwischen – warum ist das heute interessant? Die bisher erfolgreichste, bestbesuchte Ausstellung zur Geschichte der RAF im Südwesten gewinnt nach der Festnahme der Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette im Februar neue Aktualität und führt zu Nachfragen im Museum. „Morgen gibt es schon wieder andere Problemstellungen, es gibt kein Ende“, so Lutum-Lenger. „Alles ist im Fluss, es gibt immer neue Fragen und Perspektiven, das Haus ist multiperspektivischer geworden, das hat sich nochmals ausdifferenziert.“

In der neu eröffneten und vom Haus der Geschichte konzipierten Ausstellung im Museum Laupheim wird aktuell die jüdische Geschichte als eine Stadtgeschichte im Zusammenwirken der Menschen gezeigt, wie Menschen im Laufe von 300 Jahren gemeinsam Gesellschaft gestalten. Jüdische Beziehungsgeschichten werden auch mit der Großen Landesausstellung 2026 „Mittendrin“ zum jüdischen Leben im deutschen Südwesten vertieft, die von Lutum-Lenger noch auf den Weg gebracht wurde, aber von ihrer Nachfolgerin und Kuratorin der Laupheim-Schau Cornelia Hecht-Zeiler umgesetzt werden wird. „Hinter allen Projekten steht ein Team“, so Lutum-Lenger.

In erster Linie ist es Teamarbeit, die Leitung kann Akzente setzen

Nicht nur im Haus der Geschichte selbst mit seiner Dauerausstellung und den Sonderausstellungen, sondern auch an den anderen Orten, für die Ausstellungskonzepte entwickelt wurden, etwa der Stauffenberg-Erinnerungsstätte, dem Eiermann-Magnani-Haus oder dem Erinnerungsort Hotel Silber. „Zuerst ist es Teamarbeit, aber man kann Akzente setzen, Impulse geben.“

Als Direktorin ging es ihr darum, den Markenkern weiter gemeinsam zu definieren, eine Vision zu entwickeln: das Haus noch mehr in die Gesellschaft zu öffnen, inklusiver, digitaler zu werden, Menschen ins Museum zu holen, um ihre Perspektive ins Museum zu bringen.

Ihre persönliche Bilanz? „Ein Haus kann nur erfolgreich arbeiten, wenn es ein gutes, konstruktives Miteinander gibt, eine Person allein kann das nicht“, sagt Lutum-Lenger. In den letzten 35 Jahren sei „eine gute Arbeit gemacht worden, die man fortgesetzt wissen möchte“. Wo das Haus in zehn Jahren stehen wird? „Wo das Museum hin will, das ist die richtige Frage für meine Nachfolgerin.“

Seit 2002 ist Stuttgart Standort des Hauses der Geschichte

Ab 1987 entwickelte ein Arbeitsstab der Landesregierung das Konzept für ein Landesmuseum. 1992 präsentierte dieses seine erste Ausstellung. Einen zentralen Standort erhielt das Haus der Geschichte 2002 in Stuttgart mit einer Dauerausstellung auf 2100 Quadratmetern sowie mittlerweile über 50 Sonderschauen.

Der Markenkern: Geschichte über Geschichten zu vermitteln – anhand von authentischen historischen Objekten, die selbst eine Geschichte erzählen.

Beate Mehlin

Korrektorat und freie Mitarbeiterin beim Staatsanzeiger

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