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Kulturjahr in Schwäbisch Hall: Acht Jubiläen prägen das Programm

Der Marktplatz ist von mittelalterlicher, barocker und Rokoko-Architektur geprägt und das Herzstück der Stadt am Kocher.
Eva Maria Schlosser)Schwäbisch Hall. Der Anblick der Freitreppe vor der evangelischen Kirche St. Michael erweckt Ehrfurcht. Steil führt sie über 50 Stufen zu dem romanisch-gotischen Bau im Herzen von Schwäbisch Hall . Touristen nehmen hier gerne ihre Selfies auf. Im Sommer aber wird sie zur Bühne für Theater und Musicals – und das bereits seit 100 Jahren. Der Marktplatz davor wird zum Zuschauerraum, malerisch gesäumt von historischen Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen. Nicht umsonst zählt er zu den schönsten in Süddeutschland. Die Haller, wie sie sich selber nennen, sind stolz drauf. Wie auf ihre Kultur. Die soll nun ein ganzes Jahr lang gefeiert werden. Höhepunkt ist ein Kultur-Jubiläumsfest vom 23. bis 25. Mai.
„Hall Ohhh Kulturjahr“ – so lautet der Titel, unter dem sämtliche Festivitäten zusammengefasst sind. Das „Ohhh soll das Erstaunen angesichts der Vielfalt unserer Jubilare und der Kulturveranstaltungen in diesem Jahr ausdrücken“, sagt die städtische Kulturbeauftragte Ute-Christine Berger. Die Stadt verspricht denn auch ein „Feuerwerk an Highlights“. Im Mittelpunkt stehen dabei die Freilichtspiele und ihre Geschichte.
Im Jahr 2000 kam das Globe als neue Spielstätte dazu
Das Mysterienspiel „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal machte 1925 den Anfang auf der Großen Treppe, im Lauf der Zeit kamen klassische Komödien, später zeitgenössische Stücke, Musicals und Kindertheater dazu. Die Freilichtspiele erweiterten ihre Spielsaison und nutzen auch andere Spielstätten.
Im Jahr 2000 anlässlich des 75-jährigen Bestehens wurde in einer Bürgeraktion auf der Kocherinsel Unterwöhrd ein dreistöckiger hölzerner Rundbau errichtet. Der orientierte sich baulich am Londoner Globe Theatre, das sich vor allem durch Shakespeare-Aufführungen einen Namen macht. Der Bau verhalf den Haller Theaterschaffenden zu einem weiteren außergewöhnlichen Spielort mit Anziehungskraft. 19 Jahre später wurde der eher schlichte Holzbau aufgrund baulicher Mängel ersetzt – das Neue Globe erhielt eine Fassade aus Muschelkalk, eine ausfahrbare Bühne und ein Foyer mit Café.
Das Neue Globe mit seiner Außenbühne ist Zentrum des KulturJubiläumsfests. Zahlreiche Konzerte, Lesungen, Führungen, viel Theater und Ausstellungen mit, für und über die Jubilare, stehen auf dem Programm. Gerhards Marionettentheater etwa, das ebenfalls sein 100-jähriges Bestehen feiert, lädt zu einem Tag der offenen Tür ein. Für Interessierte gibt es eine Führung durch die Ratsbibliothek, die sich im Untergeschoss des Rathauses befindet und in den 450 Jahren ihres Bestehens sowohl den Großen Stadtbrand 1728 wie auch den Brand des Rathauses 1945 überstanden hat.
Der Club Alpha 60, vor 50 Jahren als „Geselligkeitsverein“ eröffnet und mittlerweile ein über die Stadtgrenzen bekanntes soziokulturelles Zentrum mit Bar, Bühne und Programmkino, lädt zur Kinderdisco, und der Radiosender STHörfunk, selber nun 30 Jahre alt, interviewt live die Jubilare. Darunter sind auch der vor 75 Jahren wiedergegründete Große Siedershof, dessen Mitglieder das Brauchtum der Haller Salzsieder pflegen, das Goethe Institut, das seit 60 Jahren in der Stadt am Kocher verortet ist, und die finnische Partnerstadt Lappeenranta, zu der seit 40 Jahren eine Verbindung besteht.
Eines fehlt allerdings im Reigen: Das Internationale Jugendtheaterfestival, das von den Freilichtspielen vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde und Vielfalt mit Teilnehmenden aus aller Welt zelebriert, hatte bereits Ende April seinen Auftritt.
Schwäbisch Hall versteht sich als Kulturstadt, nicht nur im Kulturjahr. „Kultur bedeutet für unsere Stadt kreative Köpfe und Weltoffenheit“, sagt Daniel Bullinger, Oberbürgermeister der Stadt (FDP). „In Summe schafft sie Lebensqualität und Identität für unsere Bürgerinnen und Bürger, wovon auch Gäste und Unternehmen profitieren.“ Und Berger betont: „Der Rückhalt für die Kultur war schon immer sehr groß, sie gehört zur Stadt. Sie ist ein kostbarer Schatz, den man hüten muss.“
Der Zuschuss für die Freilichtspiele wurde auf 750 000 Euro erhöht
In der Stadt ist man sich dieser Stärke bewusst. So hat der Gemeinderat trotz klammer Haushaltslage die Zuschüsse für die Freilichtspiele im vergangenen Jahr um 120 000 Euro auf insgesamt 750 000 Euro erhöht. Für das Jubiläum wurden zusätzlich 80 000 Euro bewilligt.
„Bei uns gibt es einen kompletten Querschnitt an Kultur: Von Ehrenamtlichen bis hin zu hauptamtlichen Profis, Angebote für Jung und Alt, für Einheimische und Gäste“, so Bullinger stolz. Die Jubilare zeigten nur einen Ausschnitt des vielfältigen Kulturangebots in Hall.
Aber die Stadt hat nicht nur 2025 ein volles Kulturprogramm: Jährlich locken das JazzArt-Festival, die Lesereihe Literatur live und die Lange Kunstnacht. Zahlreiche Touristen besuchen die Hallia Venezia – den Haller Karneval mit prunkvoller Maskerade –, das Sommernachtsfest, das den Stadtpark in ein Lichtermeer verwandelt, und das Kuchen- und Brunnenfest, das die Tradition des Salzsiedens feiert, das Hall einst zu Prosperität verholfen hat.
Nahezu permanent können Kulturliebhaber neben den großen Playern wie der Kunsthalle Würth und ihrer Dependance in der Johanniterkirche, die Sakralkunst Alter Meister beherbergt, auch Kleinode wie die „Kunstautomaten“ des Künstlers Bernhard Deutsch entdecken. Die kleinen Schaufenster mit fantasievollem Interieur und beweglichen Puppen an Häuserwänden oder auf Brücken machen den Stadtspaziergang für jeweils einen Euro – für Millionäre zwei – zum höchst vergnüglichen Erlebnis. Tipp: „Doktor Fausts Teufelsbeschwörung“, in der der Gelehrte an Alexa und Google scheitert.
Lieber ohne den Zusatz „Schwäbisch“
Schwäbisch Hall, von den Einheimischen schlicht „Hall“ genannt, zählt über 43 000 Einwohner. 1156 erstmals urkundlich sicher belegt, entwickelte sich die um eine Saline entstandene Siedlung zur Reichsstadt im Heiligen Römischen Reich. Mitte des 15. Jahrhunderts änderte der Rat den Namen der Stadt in Schwäbisch Hall. 1802 fiel die Stadt an Württemberg, das „Schwäbisch“ wurde aus dem Namen gestrichen, in der NS-Zeit wieder ergänzt. Die Haller sind stolz auf ihre Kulturdenkmäler, ihr „unvergleichlich dichtes Kulturangebot“, ihre Wirtschaftskraft – und bleiben bei der Kurzversion „Hall“.


